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Schwellenländeranleihen: Gegenwind aus den USA?

Angesichts dieses soliden konjunkturellen Umfelds und eines Arbeitsmarkts nahe der Vollbeschäftigung dürfte die US-Notenbank Fed weitere Zinsschritte umsetzen. Diese Entwicklung dürfte sich nicht nur in den USA selbst, sondern zum Beispiel auch an den Anleihemärkten der Schwellenländer bemerkbar machen. Ulrich Stephan erklärt die Zusammenhänge.

BÖRSE am Sonntag

Angesichts dieses soliden konjunkturellen Umfelds und eines Arbeitsmarkts nahe der Vollbeschäftigung dürfte die US-Notenbank Fed weitere Zinsschritte umsetzen. Diese Entwicklung dürfte sich nicht nur in den USA selbst, sondern zum Beispiel auch an den Anleihemärkten der Schwellenländer bemerkbar machen.

Von Ulrich Stephan

Die USA haben eine schwere Hurrikansaison hinter sich – doch es scheint, als hätten die Wirbelstürme der konjunkturellen Dynamik im Land insgesamt keinen Abbruch getan: Die US-Wirtschaft legte im 3. Quartal 2017 laut erster Schätzung auf das Jahr hochgerechnet um drei Prozent zu und könnte im Schlussquartal sogar noch stärker wachsen.

Die sogenannten Dot Plots, also die individuellen Zinserwartungen der Entscheidungsträger der Fed, deuten nun auf eine weitere Zinserhöhung im Dezember 2017 und drei Zinsschritte im kommenden Jahr hin – nachdem die US-Notenbank den Leitzins in diesem Jahr bereits zweimal erhöht hat. Daneben hat die Fed als erste der großen Notenbanken im Oktober damit begonnen, ihre rund 4,5 Billionen US-Dollar große Bilanzsumme langsam abzuschmelzen. Durch diese Maßnahmen wird die Geldpolitik restriktiver.

Während die Deutsche Bank die Leitzinserwartungen der Fed-Spitze teilt, gehen die Marktteilnehmer insgesamt von einer zurückhaltenden Notenbank aus: Aktuell scheint nach dem Zinsschritt im Dezember für das kommende Jahr nur eine weitere Erhöhung am Kapitalmarkt eingepreist zu sein. Das bedeutet: Wenn die Leitzinsen so angehoben werden wie von der Fed erwartet, könnte auch das Zinsniveau in den USA schneller steigen als von den Marktteilnehmern angenommen. Dafür spricht zum einen, dass der Anfang November von US-Präsident Donald Trump auserkorene Nachfolger von Fed-Chefin Janet Yellen bisher stets ein Unterstützer ihrer Entscheidungen war: Jerome Powell dürfte nach Einschätzung der Deutschen Bank die US-Geldpolitik nach seinem Amtsantritt im Februar 2018 auf dem aktuellen Kurs halten. Derzeit rechnet die Deutsche Bank für zehnjährige US-Staatsanleihen zum Ende des Jahres 2018 mit einer Verzinsung von rund drei Prozent.

Anleger sollten die geldpolitischen Entwicklungen in den USA weiterhin sehr genau verfolgen. Schließlich dürften diese auch Konsequenzen für die Finanzmärkte außerhalb der Vereinigten Staaten haben: Steigende Kapitalmarktzinsen in den USA könnten beispielsweise dazu führen, dass Anleger Kapital aus den vergleichsweise risikoreicheren Schwellenländern abziehen und in US-Investments umschichten. Allerdings geht die Deutsche Bank nicht von einer Wiederholung des „Taper Tantrum“ aus dem Jahre 2013 aus, als die bloße Ankündigung einer restriktiveren US-Geldpolitik zu starken Turbulenzen an den Kapitalmärkten der Schwellenländer führte. Denn im Vergleich zu damals haben viele Schwellenländer heute positivere Leistungsbilanzen und höhere Währungsreserven.

Darüber hinaus wurden teilweise strukturelle Reformen angegangen, welche die Länder unter dem Strich widerstandsfähiger gemacht haben. Und schließlich hat sich gezeigt, dass innerhalb des Schwellenländeruniversums das Ansteckungsrisiko geringer geworden ist: Landesspezifische Entwicklungen springen nicht mehr automatisch auf die ganze Anlageklasse über. Jüngste Belege hierfür waren beispielsweise die lokal begrenzten Marktreaktionen auf die Spannungen zwischen den USA und der Türkei sowie auf die Korruptionsvorwürfe gegen den brasilianischen Präsidenten Michel Temer.

Trotz der verbesserten Fundamentaldaten dürfte das höhere US-Zinsniveau aber auch dieses Mal nicht spurlos an den Schwellenländern vorübergehen. Kapitalabflüsse etwa könnten die Währungen der aufstrebenden Volkswirtschaften schwächen, während an den Kapitalmärkten mögliche Mittelabflüsse die Kurse unter Druck setzen würden. An den Anleihemärkten der Schwellenländer wären von diesem Szenario Papiere in Lokalwährungen stärker betroffen. In US-Dollar denominierte Hartwährungsanleihen dagegen dürften sich besser entwickeln: Der ausbleibende negative Währungseffekt sollte die Mittelabflüsse aus diesem Anleihesegment dämpfen und die Kurse stabiler halten. Obwohl steigende Zinsen in den USA zu dem beschriebenen Gegenwind bei Staatsanleihen führen könnten, überzeugt die vergleichsweise hohe laufende Verzinsung. Aus Sicht der Deutschen Bank bleiben Hartwährungsanleihen für entsprechend risikobereite Anleger eine interessante Alternative im derzeitigen Niedrigzinsumfeld.

Dr. Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.