(Fehl)-Leistung, die Leiden schafft
Die Deutsche Bank, das einstige Flaggschiff der deutschen Finanzindustrie, erinnert derzeit eher an einen fragilen Kutter, bei dem das Wasser schon im Maschinenraum steht. Ob der neue britische Steuermann, John Cryan, das Ruder herumreißen kann, bleibt mit Spannung abzuwarten. Es qualmt gewaltig auf dem Boot, und ein Ufer ist derzeit kaum in Sicht. Es muss wohl eine Heldentat her.
Die Deutsche Bank, das einstige Flaggschiff der deutschen Finanzindustrie, erinnert derzeit eher an einen fragilen Kutter, bei dem das Wasser schon im Maschinenraum steht. Ob der neue britische Steuermann, John Cryan, das Ruder herumreißen kann, bleibt mit Spannung abzuwarten. Es qualmt gewaltig auf dem Boot, und ein Ufer ist derzeit kaum in Sicht. Es muss wohl eine Heldentat her.
Als die beiden scheidenden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen vor gerade einmal drei Jahren das Zepter bei der Deutschen Bank übernahmen, sollte nichts Geringeres als eine ganz neue Zeitrechnung bei Deutschlands größter Bank eingeläutet werden. Nach der Ära Ackermann versprachen die neuen Hoffnungsträger manches anders und vieles besser machen zu wollen. Moralische Sauberkeit und wirtschaftlicher Aufschwung standen dabei ganz oben auf der Prioritätenliste. Drei Jahre später muss nüchtern konstatiert werden, dass diese Vorhaben mit Pauken und Trompeten gescheitert sind. Die milliardenschwere Rekordstrafe wegen der Manipulation des Zinssatzes Libor, das Deutsche-Bank-Verfahren vor dem Münchener Landgericht, bei dem sich Fitschen wegen versuchten Prozessbetrugs zu verantworten hat, permanente Rechtsstreitigkeiten sowie damit verbundener Ärger mit Aufsichtsbehörden haben das Image des Traditionshauses weitgehend ruiniert.
Auch aus ökonomischer Sicht muss man von einer desolaten Entwicklung reden. Unter dem Namen „Strategie 2015+“ präsentierten Jain und Fitschen bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz Ziele, die nicht annähernd erreich werden konnten. Aus einer Renditevorgabe von mindestens zwölf Prozent sind schlussendlich magere 3,1 Prozent geworden. Statt die sich auf drei Milliarden Euro festgelegte Gewinnvorgabe für das Massenkundengeschäft zu erreichen, muss sich die Deutsche Bank mit knapp der Hälfte, also 1,4 Milliarden Euro, zufriedengeben. Deutlich wurde auch die Kostenvorgabe in Relation zum Ertrag verfehlt. Statt der angepeilten weniger als 65 Prozent stehen nun 84 Prozent zu Buche. Entsprechend bedient sprachen nur 61 Prozent der Aktionäre vor wenigen Wochen dem Vorstand das Vertrauen aus, was fast schon einer Demütigung gleichkam. Diese extreme Unzufriedenheit eines Großteils der Aktionäre gab dann wohl auch in letzter Konsequenz den finalen Impuls für das Ausscheiden der Doppelspitze Jain/Fitschen.
Ab dem 1. Juli wird also John Cryan als neuer Vorstandschef versuchen, den Karren wieder aus dem Dreck zu fahren. Allerdings geht er diese Aufgabe ohne eine neue Strategie an, was wenig verwundert, da er die aktuelle schließlich als Mitglied des Aufsichtsrates kürzlich abgesegnete. „Unsere Zukunft hängt davon ab, wie gut wir unsere Strategie umsetzen, unsere Kunden überzeugen und die Komplexität reduzieren", stellt Cryan fest. Neben dem Verkauf der Postbank soll das Privatkundengeschäft massiv zurückgefahren werden. Dabei plant die Deutsche Bank die Schließung hunderter Filialen. Zudem möchte man auch im Investmentbanking kürzen. Gerade von diesem Bereich hängen die Ergebnisse des Kreditinstituts stark ab, was Deutschlands größte Bank sehr anfällig für Turbulenzen an den Finanzmärkten macht. Durch die zahlreich geplanten Einsparungen rechnet die Deutsche Bank bis 2020 mit Kostensenkungen im Bereich von 3,5 Milliarden Euro. Große Zweifel haben Experten insbesondere in Hinblick auf das Ziel der Eigenkapitalrendite. Bis 2020 soll diese zehn Prozent betragen, was bei einem derzeitigen Stand von gerade einmal drei Prozent höchst ambitioniert erscheint.
Die wichtigste Aufgabe des neuen Mannes an der Konzernspitze wird aber sein, das Vertrauen in die Deutsche Bank zurückzugewinnen. Da Cryan ein international vernetzter Bankier angelsächsischer Prägung ist, sehen viele Anleger, die sich vielleicht einen deutschen CEO mit den typischen Attributen Ordnung, Pünktlichkeit und Zurückhaltung gewünscht hätten, nicht den ganz großen Wechsel nach der Epoche Jain. Allerdings hat der als kühl und wenig charismatisch geltende Cambridge-Absolvent bereits bewiesen, dass er in kritischen Situationen erfolgreich arbeiten kann. So führte Cryan für die UBS die Fäden, als es 2007 darum ging, einen Käufer für die holländische ABN Amro zu finden. Diskret, zielstrebig und mit ruhiger Hand führte Cryan die Holländer schließlich für enorme 70 Milliarden Euro in den Hafen der Royal Bank of Scotland (RBS). Als die Schweizer Großbank in schwere Schieflage geriet, entrümpelte der 54-jährige Brite die Derivate-Lasten und Bilanzrisiken, schrumpfte die Bank und schuf zugleich ein Monitoring-System bei der UBS, um Bilanzrisiken zu überwachen.
Ähnliche Glanztaten erhoffen sich nun auch die Anleger der Deutschen Bank von ihm. Cryan hat die große Aufgabe, den schlafenden Riesen wachzuküssen. Es gilt, die immensen Kosten für Rechtsstreitigkeiten abzubauen und das eigentlich enorm hohe Ertragspotential auszuschöpfen. Da die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren weitgehend im Rückwärtsgang unterwegs war, hinkt auch die Aktie weit hinterher, aber aufgrund der schlechten Zahlen ist sie selbst im Vergleich zu anderen Branchenmitgliedern sehr niedrig bewertet. Ein einstelliges KGV fürs kommende Jahr unterstreicht das.
Es wird also Zeit, die Lenzpumpen anzuwerfen und das Wasser aus dem Maschinenraum zu pumpen. Dass es für Cryan enorm schwer wird, das leckgeschlagene Flaggschiff wieder flott zu kriegen, dürfte allen bewusst sein.
WIM