Fresenius in Champagnerlaune
Der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius blickt auf einen außerordentlich erfolgreichen Start ins Jahr 2015 zurück und feiert großartige Quartalszahlen. Da auch die Prognose fürs Gesamtjahr vielversprechend aussieht, avanciert das früher als „unsexy“ diskreditierte Papier kontinuierlich zu einem potenten Bullentitel im Dax.

Der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius blickt auf einen außerordentlich erfolgreichen Start ins Jahr 2015 zurück und feiert großartige Quartalszahlen. Da auch die Prognose fürs Gesamtjahr vielversprechend aussieht, avanciert das früher als „unsexy“ diskreditierte Papier kontinuierlich zu einem potenten Bullentitel im Dax.
Dass der passende Standort für ein Dax-Unternehmen keine unmaßgebliche Rolle spielt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Nicht zuletzt wegen der hervorragenden Infrastruktur, des innovativen Umfelds sowie des sehr guten Bildungssystems, das hochqualifizierte Arbeitskräfte garantiert, hat sich etwa München als Hauptstadt der Dax-Unternehmen herauskristallisiert. Aber auch Frankfurt mit seiner vielfältigen und modernen Wirtschaftsstruktur im Herzen Deutschlands oder das genau in der Mitte zwischen Hamburg, Berlin, Paris, Wien und Mailand gelegene Stuttgart mit seinem Erfindergeist und der hohen Produktivität bieten für Dax-Unternehmen ein perfektes Umfeld. Einen exklusiven, weitaus beschaulicheren Standort hat hingegen Fresenius gewählt. Dennoch erscheint die Kur-und Kongressstadt Bad Homburg, gelegen im Hochtaunuskreis, für einen Gesundheitskonzern als durchaus passend.
Champagnerluft und Tradition sind laut Stadtmotto die beiden außergewöhnlichen Merkmale der rund 52.000 Einwohner zählenden Kreisstadt. Und genau diese besondere Atmosphäre verleiht Fresenius derzeit ordentlich Auftrieb und versetzt das Unternehmen in einen wahrhaften Höhenflug. Nie zuvor gab es in der Geschichte des Traditionskonzerns, dessen Wurzel bis ins Jahr 1462 reichen, ein derart starkes Auftaktquartal. In den ersten drei Monaten dieses Jahres gelang es, den Umsatz um fast ein Viertel auf beeindruckende 6,5 Milliarden Euro zu steigern. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte gar um 32 Prozent auf 851 Millionen Euro, während sich der um Sondereffekte bereinigte Gewinn um 28 Prozent auf 292 Millionen Euro steigerte. Garanten für die formidablen Zahlen waren insbesondere die Lieferengpässe der US-Konkurrenz, gute Geschäfte mit Nachahmermitteln sowie eine gesteigerte Profitabilität in der Krankenhaus-Sparte. „Fresenius ist erfolgreich in das neue Geschäftsjahr gestartet“, stellt der Vorstandsvorsitzende Dr. Ulf Mark Schneider nüchtern fest.
Deutlich freudetrunkener hingegen nahmen die Aktionäre die tolle Nachricht aus Bad Homburg auf und katapultierten das Papier am Donnerstag mit einem Zuwachs von 4,07 Prozent auf satte 53,43 Euro an die Spitze der Performance-Rangliste des Dax. Angesichts der langfristen Entwicklung der Fresenius-Aktie dürften die Hessen erst recht Luftsprünge machen: Seit einem Jahr hat der Titel des Mutterkonzerns um sagenhafte 43 Prozent zugelegt. Im selben Zeitraum schoss das Papier der Tochter Fresenius Medical Care um ähnlich beeindruckende über 50 Prozent in die Höhe. Angesichts dieser Entwicklung und den aktuell exzellenten Zahlen, dürfte mit Sicherheit selbst dem einen oder anderen hartgesottenen Börsenprofi kurz der Atem stocken. Trotz des hohen Aktienniveaus glaubt die NordLB, dass bei Fresenius die Luft noch lange nicht raus ist, und hebt das Kursziel von 55 auf 60 Euro an. Beim Medizinkonzern habe die erfreuliche Geschäftsentwicklung der Vorquartale angedauert, so Analyst Holger Fechner. Ferner ist ebenfalls die Commerzbank voll des Lobes und attestiert eine positive Entwicklung der Profitabilität in allen Geschäftsfeldern. Analyst Oliver Metzger wertet die Ergebnisse und den verbesserten Ausblick des Medizinkonzerns als klar positiv.
Fürs Gesamtjahr erwartet der Traditionskonzern nach dem fulminanten Start jetzt ein Plus zwischen 13 und 16 Prozent statt wie zuvor zwischen neun und zwölf Prozent. Der Ausblick für den Umsatz bleibt hingegen unverändert, sodass der währungsbereinigte Anstieg der Erlöse weiterhin bei sieben und zehn Prozent liegt. Gut möglich, dass auch die Fresenius-Aktie bis zum Ende des Jahres weiter zulegen wird. Gerade die als defensiv eingestuften Anteilsscheine aus den nicht-zyklischen Branchen Pharmazie und Gesundheit profitieren derzeit von den multiplen geopolitischen Krisenherden. Die Angst vor einer Zuspitzung im Konflikt zwischen Russland und Europa, die Furch vor einer Bedrohung der westlichen Welt durch einen Anstieg des internationalen Terrorismus, die Sorge um die Auseinandersetzung in Nahost- all das hemmt den Risikoappetit der Anleger, und treibt selbige in die Arme von nicht-zyklischen Unternehmen wie Fresenius, das als relativ immun gegen konjunkturelle Schwankungen gilt.
Außerdem profitieren die Bad Homburger von den extrem niedrigen Zinsen, und so freuen sich die Hessen über immer mehr Aktionäre, die vor allem aus der stetig wachsenden Gruppe der vorsichtigen, risikoscheuen Anleger kommen. Zudem dürfte auch der demographische Wandel Fresenius langfristig weiter in die Karten spielen. Strategen von der New Yorker Bank of America sehen eine der Ursachen des Aufstiegs von Medizinkonzernen in der jüngeren Vergangenheit in der alternden Generation der sogenannten Baby-Boomer begründet. „Die Menschen geben tendenziell weniger aus, wenn sie älter werden”, erklären die Analysten das Verhalten der Personen, die in Zeiten hoher Geburtenraten nach dem Zweiten Weltkrieg zur Welt kamen. „Und das Ausgabeverhalten verlagert sich von Gütern wie Autos und Kleidung sowie von Bildung und Kinderbetreuung auf Medikamente und Gesundheitswesen.” Es spricht also vieles dafür, dass sich in Bad Homburg bald auch Champagnerduft in die Champagnerluft mengt.
WIM