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Apple und das iPhone-Problem

Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren meldet Apple ein Weihnachtsquartal mit sinkenden Umsatz- und Gewinnzahlen. Seit Oktober 2018 hat die Aktie mehr als 30 Prozent verloren. Schuld sei China. Doch das Problem ist hausgemacht. Was Anleger jetzt wissen müssen.

BÖRSE am Sonntag

Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren meldet Apple ein Weihnachtsquartal mit sinkenden Umsatz- und Gewinnzahlen. Seit Oktober 2018 hat die Aktie mehr als 30 Prozent verloren. Schuld sei China. Doch das Problem ist hausgemacht.Was Anleger jetzt wissen müssen.

Der Schuldige war schnell gefunden: China. Gleich zu Beginn der Bilanzpressekonferenz am Dienstagabend zeigte Apple-Chef Tim Cook mit dem Finger auf den Übeltäter. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sei verantwortlich für das schrumpfende iPhone-Geschäft. Aber auch der starke Dollar, der die Produkte in einigen Regionen, wie in der Türkei, deutlich verteuerte spiele eine große Rolle.

Den Preisanstieg durch den starken Dollar will der Konzern in einigen Ländern intensiver als bisher abfedern. „Ja, ich denke durchaus, dass der Preis ein Faktor ist“, gesteht Cook am Dienstag auf die Analystenfrage, ob Apple mit seiner Preisstrategie den Bogen überspannt habe. Gerade dort, wo sich Apple in 2018 schwergetan habe, seien die Preissteigerungen aufgrund der Währungseffekte stärker ausgefallen, ergänzt Cook. Ein weiterer Grund für den schwächelnden iPhone-Absatz seien die steigenden Austauschzeiten. „Unsere Kunden behalten ihre iPhones länger.“ Was wohl einerseits daran liegt, dass die Innovationen der neueren Modelle nicht überzeugen, andererseits an den fehlenden Subventionen der Mobilfunkanbieter. Immer häufiger muss der Kunde den vollen Preis für ein iPhone zahlen. Dieser ist in den vergangenen Jahren allerdings um 50 Prozent gestiegen und liegt beim Top-Modell mittlerweile bei knapp 1.900 Dollar.
 
Fakt ist, die Kalifornier verkaufen weniger Smartphones. Und weil man diese Entwicklung nicht an die große Glocke hängt, rückt Apple ab sofort die Zahl seiner verkauften Geräte nicht mehr raus. Analysten mussten dieses Bilanz-Make-Up murrend zur Kenntnis nehmen. Kein Geschäftsgeheimnis macht Apple aus der Anzahl der Nutzer. Nach eigenen Angaben werden weltweit 1,4 Milliarden Geräte genutzt, wovon 900 Millionen iPhones sind. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der um 19 Prozent gestiegene Umsatz mit Abonnements, Zahlungsdiensten und Apps.
 
Trotzdem kommt Apple ins Schleudern. Das lässt sich gleich an mehreren Stellen ablesen. Insgesamt ist der Umsatz im Weihnachtsquartal um fünf Prozent gesunken, das iPhone-Geschäft sogar um 15 Prozent. Kurzum: Die Smartphones verkaufen sich nicht so gut wie früher. Das wäre weniger bedenklich, wenn die Kalifornier nicht zwei Drittel ihres Umsatzes mit dem iPhone-Verkäufen machen würden. Den Titel des wertvollsten Unternehmens hat Apple längst an Microsoft abgeben müssen. Seit Oktober hat die Aktie etwa 30 Prozent verloren – Amazon und Alphabet sind vorbeigezogen. In den USA kann das Unternehmen seinen Marktanteil kaum noch erhöhen. „Der Anteil von Apple am US-Smartphone-Markt ist im Wesentlichen auf ein Plateau gefallen, so dass Apple im Ausland nach Wachstum sucht“, sagt Yory Wurmser, Analyst bei eMarketer.
 
Auf seine gewohnten Milliardengewinne kommt der Konzern dank anderer Produkte wie dem iPad, der Apple Watch, den drahtlosen Kopfhörern AirPods und dem Dienstleistungsgeschäft trotzdem. Der Umsatz aus dem Bereich Dienstleistungen habe im vergangenen Quartal bei 10,8 Milliarden Dollar gelegen, betont der Apple-Chef.
 
Bislang konnte die Apple-Aktie den Widerstandsbereich von 160 Dollar nicht brechen. Aktionäre hatten allerdings die Hoffnung, dass die Bekanntgabe der Quartalsergebnisse dazu beitragen könnte. Und tatsächlich reagierte der Kurs überaus positiv auf die Bilanzpressekonferenz. Mit 84,3 Milliarden Dollar liegt der Umsatz über den Erwartungen der Analysten. Die Kurse schossen im nachbörslichen Handel über sechs Prozent in die Höhe. Am Aktienmarkt kamen außerdem die positiven Aussagen zum Handelskonflikt gut an: „Ich bin optimistisch, dass beide Länder in der Lage sind, ihre Dinge zu regeln.“ Doch nach einer Deeskalation zwischen den beiden Großmächten sieht es derzeit nicht aus – im Gegenteil. Apple lässt fast alle iPhones in China produzieren, was US-Präsident Donald Trump massiv stört. Zwar sehe Apple in seiner Produktion in China ein steigendes Risiko, doch führe dies nicht zu einer Verlagerung in die USA, heißt es aus Unternehmenskreisen. Echte Alternativen: Indien und Vietnam. In Amerika würden die richtigen Mitarbeiter mit der notwendigen Qualifikation fehlen. Als Beruhigung wirkt da die kurz vor der Bilanzpräsentation veröffentliche Meldung: „Im Jahr 2018 gab Apple 60 Milliarden Dollar für 9000 amerikanische Zulieferer und Unternehmen aus, ein Anstieg von mehr als 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr, was mehr als 450.000 Arbeitsplätze unterstützte.“ Immerhin etwas.
 
Wie man es von Apple kennt, äußert sich das Unternehmen auch am Dienstagabend nicht zu neuen Produkten. Möglicherweise arbeitet das Unternehmen an einem eigenen Video-Dienst und an einer Spiele-Flatrate, heißt es in verschiedenen Medienberichten. Beide Innovationen würden die Produktpalette verbreitern, was auf Zustimmung vieler Experten treffen sollte. Diese haben immer wieder kritisiert, dass Apple zu stark auf das iPhone setze. Aber auch Zukäufe könnten eine Lösung sein. Am häufigsten genannt wird der japanische Spieleanbieter Nintendo, da er als „asiatischer Zwilling“ gilt. Die Parallelen: Beide Unternehmen schwimmen im Geld, haben treue Kunden und ein funktionierendes System aus Hardware, Software und Dienstleistung.
 
Trotz der Belastungen durch den Handelsstreit sendet Apple-Chef Tim Cook Entspannungszeichen an die Aktionäre. Diese freuen sich und machen mit. Doch das Unternehmenswachstum scheint aktuell eine Delle zu bekommen. Aus technischer Sicht sollte die Aktie das Niveau bei 160 Dollar unbedingt halten, ansonsten könnte der Kurs wieder fallen. Wenn Apple das Wachstum im Servicebereich weiter ausbauen kann – bis das nächste große Big Thing, etwa eine Brille für Augmented Reality (AR) marktreif ist – oder durch smarte Zukäufe die Produktpalette verbreitert, birgt die aktuellen Krise eine große Chance. Schafft Tim Cook das allerdings nicht, könnte das einst so gefeierte iPhone zu einem Riesenproblem werden.        

Florian Spichalsky