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Covestro: Abstieg eines Aufsteigers

Nach einem Kursgewinn von rund 270 Prozent innerhalb von knapp zwei Jahren im März 2018 als gefeierter Neuling in den Dax aufgestiegen, ging es für die Aktie des Kunststoffspezialisten Covestro seither stetig bergab. Und die nun vorgestellte Jahresbilanz wie auch die erschreckend schwache Ergebnisprognose für 2019 lassen die Zweifel daran wachsen, ob es für die ehemalige Bayer-Tochter an der Börse in naher Zukunft wieder aufwärts gehen kann.

BÖRSE am Sonntag

Nach einem Kursgewinn von rund 270 Prozent innerhalb von knapp zwei Jahren im März 2018 als gefeierter Neuling in den Dax aufgestiegen, ging es für die Aktie des Kunststoffspezialisten Covestro seither stetig bergab. Und die nun vorgestellte Jahresbilanz wie auch die erschreckend schwache Ergebnisprognose für 2019 lassen die Zweifel daran wachsen, ob es für die ehemalige Bayer-Tochter an der Börse in naher Zukunft wieder aufwärts gehen kann.

Rekordhoch Mitte Januar bei 95 Euro. Damit den Kurs innerhalb von knapp zwei Jahren fast verdreifacht. Im März die Aufnahme in Deutschlands Leitindex. Das vergangene Jahr hatte für Covestro begonnen, wie es kaum hätte besser beginnen können. Bayer-Anleger trauerten der ehemaligen Konzerntochter bereits hinterher, müssen sie sich doch nun und  stattdessen mit den großen Unsicherheiten des Monsanto-Deals herumschlagen, um den zu finanzieren sich Bayer schrittweise von Covestro begonnen hatte zu trennen.

Dann jedoch – fast punktgenau mit der Aufnahme in den Dax – setzte für den Kunststoffspezialisten an der Börse eine umso desaströsere Talfahrt ein. Wer im Januarhoch eingestiegen war, der verlor bis Ende des Jahres mehr als die Hälfte seines Einsatzes. 2018 endete damit für die Covestro-Aktie schlecht, wie es kaum hätte schlechter enden können.

Im laufenden Jahr konnten sich die Papiere der Leverkusener zwar wieder leicht erholen – derzeit kostet eine Aktie knapp 50 Euro – doch von Aufstiegseuphorie ist bei dem Dax-Neuling nun wirklich gar nichts mehr zu spüren. Ein knappes Jahr erste Liga verlief mehr als ernüchternd. Man führt den Dax zwar an, allerdings von hinten. Keine Aktie hat sich auf Jahressicht so schlecht entwickelt wie die von Covestro. Der Aufsteiger, er spielt derzeit wie ein Absteiger. Auch da er es nicht schafft, den Abwärtstrend zu stoppen. Im Gegenteil: Die jüngste Jahresbilanz gibt gemeinsam mit einem erschreckend schwachen Ausblick Anlass zur Sorge um das ehemalige „Margenwunder“.

Prognose 2019: Halbiert sich der Gewinn?

So stieg zwar immerhin die Nachfrage und damit der Umsatz um drei Prozent auf 14,6 Milliarden Euro an, der Betriebsgewinn jedoch verfehlte das Vorjahresergebnis um sieben Prozentpunkte. Ganz schwach verlief offenbar Quartal Vier. Mit einem Minus von 67 Prozent sank das Ebitda auf nur noch 293 Millionen Euro und verfehlte somit auch die bereits wenig optimistischen Analystenerwartungen deutlich. Als „negatives Sahnehäubchen präsentierten die Leverkusener dann auch noch eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr, die Anleger praktisch vor einer möglichen Halbierung des Konzernergebnisses warnte. Mit einer erwarteten Spanne von 1,5 bis zwei Milliarden Euro läge das Ergebnis im besten Falle auf dem Niveau von 2016 und damit mindestens um 36 Prozent niedriger als 2018. Im schlechtesten stünde ein Minus um die 50 Prozent zu Buche.

Wo nur kommt dieser im negativen Sinne phänomenale Absturz her? Fakt ist: Nicht irgendwo her. In der Branche gab und gibt es Entwicklungen, die vieles erklären und viele Anleger wie Investoren auch vorhersahen, weshalb sie die Aktie bereits Mitte 2018 weit in die Tiefe geschickt hatten. Und auch bei Covestro selbst scheint man zu wissen, an was es liegt, weiß sich nur offenbar nicht recht zu helfen. „Die vergangenen beiden Jahre waren von außergewöhnlich hohen Margen geprägt“, versuchte sich Finanzvorstand Thomas Töpfer im Rahmen der Zahlenvorlage an einer Erklärung. „Für 2019 erwarten wir zwar weiterhin eine steigende Nachfrage nach unseren Produkten, gleichzeitig werden die Margen aber aufgrund des Wettbewerbsdrucks deutlich sinken.“

Die Konkurrenz erwacht, die fetten Jahre scheinen vorbei

Und hat damit wohl Recht. Dank günstiger Marktsituationen – unter anderem hervorgebracht durch Produktionsausfälle der Konkurrenz – verdiente der Chemie-Konzern viel Geld. Jetzt jedoch sehen sich die Leverkusener wieder höherem Preisdruck ausgesetzt. Vor allem in ihrem Kerngeschäft mit Polyurethanen, sprich harten und weichen Schäumen, die beispielsweise für Isolierungen oder in Autositzen verwendet werden. Großkonkurrenten wie BASF, Wanhua aus China oder Sadara aus dem Nahen Osten haben ihre Kapazitäten nämlich (wieder) ausgebaut. Zudem lässt die Nachfrage der Autoindustrie nach, die wiederum schwindende Käufe in China plagen und sich überhaupt in einer teuren Umbruchphase zu befinden scheint. Und natürlich drückt auch die abflauende Weltkonjunktur auf die Erwartungen bei dem Kunststoffspezialisten und sowieso auf die seiner Anleger.

Die will Covestro – wie es derzeit offensichtlich im Trend liegt – mit einer Dividendenerhöhung um 20 Cent auf 2,40 Euro besänftigen. Zudem wollen sie sparen in Leverkusen. 350 Millionen Euro bis 2021. Bereits bis Ende 2020 sollen so 900 von insgesamt 16.200 Stellen wegfallen.

Ob das reicht um die eigenen Anleger bei Laune zu halten? Nun, salopp formuliert könnte man sagen: Viel schlechter als im Moment kann sie kaum werden. Daran glaubt auch JPMorgan-Analyst Chetan Udeshi: Die aktuell geringe Bewertung der Aktie lasse das Bild düsterer erscheinen als es tatsächlich sei, schrieb er in seiner Studie. Allerdings zeigt auch er sich wenig angetan von den vorgelegten Zahlen und dem schwachen Ausblick. Sein Kursziel beließ Udeshi bei 62 Euro. Bei dem derzeitigen Kurs entspricht das immerhin einem Aufwärtspotenzial von 24 Prozent.

Es gibt aber auch andere Meinungen, wie die von Baader Bank-Experte Markus Mayer, der schrieb: Er sehe sich durch die Ergebnisse im vierten Quartal und den enttäuschenden Ausblick in seiner Ansicht bestätigt, dass es trotz niedriger Bewertung zu früh sei, um positiver auf die Covestro-Aktie zu blicken. Sein Kursziel beließ er dementsprechend bei 48 Euro, seine Einstufung auf „Hold“.

Fazit

Covestro steht nun ohne Frage vor wieder schwierigeren Zeiten. Impulse von Seiten der Automobilindustrie dürften kurz- bis mittelfristig kaum zu erwarten sein. Und die Konjunktur hat eben erst damit begonnen, sich abzuschwächen. Die Konkurrenz aus Nah- und Fernost dürfte gleichzeitig nicht weniger werden. Nach dem schwachen Börsenjahr bietet die Aktie der Leverkusener natürlich dennoch eine gewisse Einstiegschance an, allerdings dürften die Risiken hoch bleiben, es fehlt ganz grundsätzlich an einer schlüssigen Wachstumsstory. Bleibt freilich die Möglichkeit wieder zur Tochter eines Großkonzerns zu werden. Schließlich ist Covestro an der Börse gerade nicht nur für Anleger vergleichsweise günstig geworden. Wenn nicht Bayer, dann vielleicht BASF? Ohne Frage reine Spekulation, der Aktie würde ein solcher Deal aber wohl ziemlich sicher einen Schub geben.

Oliver Götz