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Fiat: italienische Momente

Der traditionsreiche italienische Autokonzern aus Turin stand 2004 kurz vor der Pleite. Nachdem der drohende Konkurs abgewendet wurde, arbeiten mittlerweile alle Sparten hochprofitabel, und in Kernmärkten gewinnt der Konzern Marktanteile gegenüber der Konkurrenz. Vor allem der Fokus auf sparsame Kleinwagen für die Stadt könnte sich künftig auszahlen.

BÖRSE am Sonntag

2007 erzielte die italienische Fiat Group mit 185.000 Mitarbeitern Umsatzerlöse von über 58,5 Mrd. Euro. Der Konzern operiert in den Sparten Automobile (Umsatzanteil vor innerbetrieblicher Verrechnung 44%), Land- und Baumaschinen (18%), Nutzfahrzeuge (16%) und Komponenten (22%). Zur Automobilsparte gehören die Marken Abarth, Alfa Romeo, Fiat und Lancia sowie das Supersportwagensegment mit den klangvollen Namen Ferrari und Maserati. Im Jahr 2007 verkaufte Fiat 2,23 Mio. PKW und baute damit den Marktanteil in Westeuropa von 7,5% auf 8,0% aus. Es beeindruckt, dass die Italiener in den wettbewerbsintensiven Auslandsmärkten Deutschland und Frankreich besser abschnitten als der Gesamtmarkt. Die schwache deutsche Entwicklung von -9,2% ist auf vorgezogene Käufe Ende 2006, zur Vermeidung der Mehrwertsteuererhöhung, zurückführen. Die größte Bedeutung unter den Auslandsmärkten genießt Brasilien, wo die Italiener ihren Marktanteil von über 25% erfolgreich verteidigen.

Revival eines Klassikers

Ein Verkaufsschlager könnte die Auferstehung des Fiat 500 werden, der dem Vorgehen nach an die BMW-Mini-Taktik erinnert, ein altes Erfolgsmodell in modernem Gewand neu zu beleben. Fiat berichtete Anfang des Jahres, dass seit Einführung im Juli 2007 bereits 140.000 Fiat 500 bestellt wurden. Der Verkaufspreis bewegt sich in der Preisklasse des Fiat Panda, sodass sicherlich auch in den eigenen Reihen gewildert wird. Nichtsdestotrotz zeigt sich die Geschäftsführung von der Entwicklung sehr zufrieden.

Land- und Baumaschinen mit 6,6 Mrd. USDollar Börsenwert

Die in der Firma CNH gebündelte Sparte beschäftigt 28.100 Mitarbeiter und unterhält Vertriebsniederlassungen in 160 Ländern. Die 1999 durch die Fusion von Case Corporation und New Holland entstandene Gesellschaft fertigt eine äußerst breite Produktpalette an Traktoren, Mähdreschern und Baumaschinen. Der österreichische Traktorenbauer Steyr gehört seit 1996 ebenfalls zum Konzern. Die amerikanische Gruppe erzielte 2007 bei Umsatzerlösen von 16,0 Mrd. US-Dollar einen Jahresüberschuss von 559 Mio. US-Dollar. CNH wird mit einer Marktkapitalisierung von 6,6 Mrd. US-Dollar, wovon Fiat 89,3% zuzurechnen sind, an der Börse in New York gehandelt.

Starke Marken im Konzern

Die Nutzfahrzeugsparte mit der Marke Iveco verkaufte 2007 211.700 Fahrzeuge (+16,6%), erlöste dabei 11,2 Mrd. Euro und erzielte ein operatives Ergebnis von 803 Mio. Euro. Bei mittelschweren Transportern stammt jeder vierte Wagen in Westeuropa aus dem Hause Iveco und bei schweren Zugmaschinen jede Zehnte. Hinzu kommen 83.300 Fahrzeuge, die Iveco im Rahmen eines Joint Ventures in China absetzte. 2007 wurden Rahmenabkommen mit der indischen Tata und der russischen Samotlor getroffen, um auch diese Märkte zu erschließen. Iveco offeriert seit Jahren Erdgasmotoren für Nutzfahrzeuge. Ende 2007 stellte sie die jüngste Motorengeneration für schwere LKW mit 7,8 Liter Hubraum vor. Erdgasvarianten sind außerdem für Müllwagen und Busse erhältlich.

Führend bei Umwelttechnologie

Fiat bietet ebenfalls einige PKW zum gemischten Betrieb mit Benzin und Erdgas an, wobei deutlich weniger Kohlendioxidemissionen freigesetzt werden. Beispielsweise fällt beim Fiat Panda der CO2-Ausstoß von 146 g/km bei Benzinbetrieb auf 114 g/km bei Erdgasbetrieb. Dem Preisunterschied der Modelle gleicher Ausführung von 2.800 Euro steht eine deutliche Preisdifferenz von Erdgas (0,73 Euro/kg) zu Benzin (1,52 Euro/ Liter) und Diesel (1,39 Euro/Liter) gegenüber (Aral-Tankstellenpreise per 16.09.2008). In der sicherlich anhaltenden Diskussion um niedrigere Schadstoffemissionen produziert Fiat unter den zehn am meisten gefahrenen Fabrikaten in Europa die Flotte mit dem geringsten CO2-Ausstoß.

Schwäche verdaut

2004 schrammte der Großkonzern an einem Konkurs vorbei. Nach einem Fehlbetrag von 1,6 Mrd. Euro betrug die Eigenkapitalquote nur noch 6,9% bei 26,4 Mrd. Euro Finanzschulden. Mittlerweile erholte sich die Quote auf 17,5%. 2005 löste der Konzern ein Joint Venture mit General Motors auf, das die abgesonderte Forschungs- und Entwicklungseinheit Motoren und Getriebe (F+E) wieder unter eigene Verwaltung stellte. In der jüngeren Vergangenheit wurde der Konzern überhäuft mit Auszeichnungen, beispielsweise für den besten Kleintransporter des Jahres in Spanien und Großbritannien. Der genannte F+E-Bereich ist Bestandteil der Komponentensparte, die sich darüber hinaus mit einer Vielzahl von Automobilkomponenten und der Lieferung von Ersatzteilen beschäftigt. Beispielsweise beziehen Audi, BMW und Mercedes-Benz Beleuchtungstechnik, Einspritztechnik erhalten neben den Konzernkunden auch Suzuki und Mitsubishi, und italienische Stoßdämpfer verwenden ebenfalls General Motors und Ford. Die Sparte engagiert sich in der Formel 1, dem Rallye-Sport und bei Motorradrennen.

Robustes Ergebnis erwartet

Im ersten Halbjahr 2008 erzielte Fiat ein Umsatzwachstum von 10,9%, wobei alle Geschäftsbereiche prozentual zweistellig zulegen konnten. Das Supersportwagensegment und dort insbesondere Maserati verteidigte seine Ausnahmestellung und erst im Herbst lanciert Fiat den neue Ferrari California. Im März debütierte Iveco mit ihrem schweren Geländewagen namens Massif. Jedoch fiel die Marge trotz der zu erwartenden Fixkostendegression. Von 3,34% im Geschäftsjahr 2007 sank sie auf 3,15%. Fiat erwarb einen Swap- Kontrakt auf die eigene Aktie im Nennwert von ca. 220 Mio. Euro, der als Absicherung für die Aktienoptionen des Vorstandvorsitzenden dient. Der Swap kostete das Unternehmen 63 Mio. Euro im ersten Quartal 2008 und 79 Mio. Euro im zweiten Quartal 2008 und liefert einen Grund für den Margenverfall. Einen weiteren sieht Fiat in der Modernisierung einer Alfa-Romeo-Fabrik, die einen Aufwand von ca. 40 Mio. Euro verursachte.

Nicht bilanzierte Risiken vorhanden

Die wirkliche offene Wunde ist jedoch in der Finanzsparte zu sehen, auch wenn sich bisher ein erhöhter Ratenausfall aufgrund nachlassender Schuldnerqualität nicht beobachten lässt. Per 30.06.2008 standen Finanzforderungen über 13,3 Mrd. Euro aus, wobei die Finanzsparte nur die Forderungen der Land- und Baumaschinensparte enthält. Alle Finanzierungen von Fiat- und Iveco-Fahrzeugen, also über die Hälfte der Umsatzerlöse, werden über zwei Joint Ventures mit Barclays und Crédit Agricole abgewickelt, an denen Fiat mit 50% bzw. 49% beteiligt ist. Eine finanzielle Last, die der Konzern auf Anfrage nicht quantifizieren wollte, und sich mutmaßlich in der Größenordnung von über 20 Mrd. Euro bewegt (davon Fiat 50%), wird bilanziell nicht erfasst.

Gesamtbetrachtung deutlich positiv

Auf der anderen Seite sollte Fiat aufgrund der attraktiven Produktpalette in den Jahren 2008 und 2009 einen Jahresüberschuss von über 2 Mrd. Euro erzielen, wodurch sich ein KGV von gut 6 errechnet. Gleichzeitig beträgt die Dividendenrendite 3,9% bei kontinuierlich zulegendem Buchwert. Trotz der genannten Risiken bietet die Aktie überdurchschnittliches Potenzial, jedoch sollten Anleger eine Portion Risikofreude mitbringen.