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Google und Facebook trotzen dem Datenskandal

Datenskandal? War da was? Sowohl Facebook als auch die Google-Mutter Alphabet legten in dieser Woche glänzende Quartalsergebnisse vor und übertrafen damit teils deutlich die Erwartungen von Analysten. Haben die Tech-Giganten ihre hausgemachte Krise bereits überstanden, bevor sie richtig begonnen hat? Verzeihen die Anleger mangels Alternativen beiden Konzernen einmal mehr?

BÖRSE am Sonntag

Datenskandal? War da was? Sowohl Facebook als auch die Google-Mutter Alphabet legten in dieser Woche glänzende Quartalsergebnisse vor und übertrafen damit teils deutlich die Erwartungen von Analysten. Haben die Tech-Giganten ihre hausgemachte Krise bereits überstanden, bevor sie richtig begonnen hat? Verzeihen die Anleger mangels Alternativen beiden Konzernen einmal mehr?

Von Oliver Götz

Als Mitte März öffentlich wurde, dass die Firma Cambridge Analytica unerlaubter Weise an Daten von 87 Millionen-Facebook-Nutzern gelangt war und damit womöglich die vergangene US-Präsidentschaftswahl versucht hatte zu beeinflussen, stand plötzlich nicht nur einer der wertvollsten Konzerne der Welt, sondern eine ganze Branche vor ihrer ersten handfesten Krise. Ganz besonders natürlich Facebook, und auch Google, sind das doch die beiden Konzerne, deren gesamtes Geschäftsmodell auf das Sammeln und Verwerten von Daten ausgerichtet ist. Denn: Ohne Daten, keine einträgliche Werbung. Und ohne Werbung, kein Geld. Schließlich handelt es sich sowohl bei Facebook, als auch bei Google und der einträglichen Tochter Youtube um kostenfreie Angebote.

Aus unantastbaren und mit einer gefühlten Monopolstellung ausgestatteten Gewinnmaschinen wurden plötzlich angreifbare Konzerne, aus den für ihre Innovationen und ihren digitalen Erfindergeist gefeierten Valley-Stars gierige Datendiebe auf der Suche nach maximalem Profit. Für Anleger klingt das gar nicht schlecht. Schließlich geht es beim Aktienkauf nun mal um Gewinne und eine möglichst hohe Rendite. Und hohe Einnahmen und Erträge bilden dafür sozusagen das Fundament. Doch bei Google und insbesondere bei Facebook ist das anders. Viel Werbung führt zwar zu steigenden Gewinnen, zu viel davon aber auch zu schwindendem Nutzerinteresse. Und der Grat zwischen viel und zu viel ist ein schmaler. Noch schmaler ist er nur noch, wenn es um die Verarbeitung und das Sammeln von Nutzerdaten geht. Beide Konzerne bewegen sich hier am Rande des Zumutbaren.

Als dann mit dem Datenskandal bei Facebook das eintrat, was viele schon lange befürchtet hatten, war der Aufschrei groß. Und das auch an der Börse. Die Angst davor, dass es mit der beinahe unheimlichen Erfolgsstory des sozialen Netzwerks nun vorbei sein könnte, führte gepaart mit einem sorgenvollen Blick auf die zunehmende Marktsättigung, zu einem deutlichen Einbruch des Facebook-Aktienkurses. Innerhalb kürzester Zeit verlor der Zuckerberg-Konzern am Markt mehr als 70 Milliarden Dollar an Wert. Der Kurs der Aktie, die über Jahre hinweg einen konstant gen Norden laufenden Chart aufwies, rauscht um knapp 18 Prozent in den Süden. Und zog einen Großteil der US-Tech-Werte gleich mit. Google traf es mit einem Minus von vierzehn Prozent in der zweiten März-Hälfte am härtesten. Nach kurzen Gegenbewegungen traten die Kurse beider im Anschluss weitestgehend auf der Stelle. Nun wollten viele Anleger erst einmal die Zahlen zum ersten Quartal abwarten. Auch die Analysten präsentierten eher vorsichtige Schätzungen, zu groß schien die Unsicherheit.

Nun, in der letzten vollen Aprilwoche haben Facebook und die Google-Mutter Alphabet ihre Zahlen veröffentlicht. Von Beeinträchtigungen keine Spur. Die Ergebnisse beider Konzerne sind einmal mehr fabelhaft. Facebook zählte in den ersten drei Monaten des Jahres 70 Millionen neue Mitglieder, einen Anstieg der Firmenreichweite um 13 Prozent und eine neue monatliche Rekordnutzerzahl in Höhe von 2,2 Milliarden. Sogar auf dem größtenteils als gesättigt geltenden US-Markt stieg die Zahl um eine Million Menschen auf 185 Millionen. Die Anzeigenumsätze kletterten um 50 Prozent in die Höhe, vor allem dank der Werbung auf Smartphones. Der Gesamtumsatz des Netzwerk-Konzerns stieg ebenfalls um knapp 50 Prozent auf 11,97 Milliarden Dollar, der Gewinn sogar um 63 Prozent auf 4,98 Milliarden Dollar, was letztlich einem von 1,69 Dollar je Aktie entspricht. Analysten hatten im Schnitt nur mit 1,35 Dollar gerechnet und wurden damit eindeutig eines besseren belehrt.

Ähnlich gut lief es bei Alphabet. Auch hier hatten sich die Analysten verschätzt, Umsatz und Gewinn stiegen auf 31, respektive 9,4 Milliarden Dollar. Dass entspricht Zuwächsen von 26 und 73 Prozent. Dass der Gewinn so üppig ausfiel, hängt zum Teil an positiven Bilanzierungseffekten und an Donald Trumps Steuerreform, dennoch ist er hoch. Für Google wohl ohnehin wichtiger: Die Zahl der bezahlten Klicks auf Werbeanzeigen stieg um 59 Prozent. Da scheint es verschmerzbar, dass die Einnahmen pro Klick um knapp 20 Prozent zurückgingen.

Besonders überraschend ist all das nicht. Zunächst einmal kam der Facebook-Datenskandal erst Mitte März an die Öffentlichkeit, das erste Quartal war da also schon fast vorüber. Wenn jener Auswirkungen auf Nutzerzahlen und Erträge haben soll, dann wohl erst in den nun folgenden Quartalen. Aber auch das scheint unwahrscheinlich. Zu gut dürften Google und Facebook am Markt positioniert sein. Alternativen gibt es außerhalb Chinas so gut wie keine. Es reicht ja schließlich nicht aus Protest auf das soziale Netzwerk und die Suchmaschine zu verzichten, zeitgleich müsste man seine Instagram- und WhatsApp-Accounts löschen, Musikvideos nicht mehr über Youtube konsumieren, seinen Weg nicht mehr mit GoogleMaps suchen. Auch wenn es bedrohlich klingen mag, ohne Facebook und Google kann man in der modernen Welt nicht nur schnell an Anschluss verlieren, man muss auch auf viele kleine Alltagshelfer verzichten.

Getroffen haben der Datenskandal und die bereits über das letzte Jahr hinweg spürbar gestiegene Datensensibilität in den USA und Europa die beiden Tech-Giganten natürlich trotzdem. Vor allem Facebook sieht sich gezwungen mehr Personal einzustellen, um sowohl Datenmissbrauch als auch Hass-Kommentare und ähnliches in Zukunft zu verhindern beziehungsweise strikt zu ahnden. Bis Ende 2018 will Zuckerberg 20.000 neue Mitarbeiter einstellen. Bereits Ende März waren es mit knapp über 27.000 48 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Das erhöht die Ausgaben. Um 39 Prozent lagen die im abgelaufenen Quartal höher als 2017.

Die neue Datenschutzverordnung der EU könnte ebenfalls ihren Tribut fordern. Nutzer sollen damit auch personalisierte Werbung zurückweisen können. Und gerade an der verdienen Facebook und Google ja das große Geld. Hinzu kommen die Steuerstreitigkeiten. Facebook und Google zahlen in Europa kaum etwas an den Fiskus, wie übrigens nahezu alle amerikanischen Tech-Firmen. Die EU will das schon lange ändern, bisher fehlen einheitliche Konzepte. Gut möglich, dass man in diesem Punkt aber schon bald mehr Zielstrebigkeit an den Tag legt.

Der problematischste Punkt allerdings dürfte der sein, dass die Tech-Branche im Allgemeinen unter Investoren an Ansehen verloren hat. Das liegt nicht nur am Datenskandal, sicher auch an den inzwischen sehr hohen Bewertungen und der Angst vor der irgendwann einsetzenden Marktsättigung. Gute, oder besser gesagt sehr gute Zahlen, wie jetzt die von Facebook und Alphabet führen daher nicht mehr ausnahmslos zu hohen Kursgewinnen.

Die Aktie des sozialen Netzwerks kletterte nach Bekanntgabe der Ergebnisse zwar nachbörslich um sieben Prozent, das war allerdings wohl auch eher dem Fakt geschuldet, dass sie davor im Zuge des Datenskandals weit gesunken war. Die Alphabet-Aktie verlor nach der Zahlenveröffentlichung sogar leicht an Wert.