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Sixt: Mit Turbo auf der Überholspur

Der Münchner Autovermieter Sixt drückt gerade mächtig aufs Gaspedal: Signifikante Zuwächse bei allen relevanten Finanzkennzahlen, innovative New-Mobility-Aktivitäten sowie ein beachtlicher Expansionskurs lassen das Familienunternehmen von einer rosig-orangenen Zukunft träumen – und das ausgerechnet in der Automobilbranche, in der die „fetten Jahre“ doch eigentlich vorbei zu sein scheinen.

BÖRSE am Sonntag

Der Münchner Autovermieter Sixt drückt gerade mächtig aufs Gaspedal: Signifikante Zuwächse bei allen relevanten Finanzkennzahlen, innovative New-Mobility-Aktivitäten sowie ein beachtlicher Expansionskurs lassen das Familienunternehmen von einer rosig-orangenen Zukunft träumen – und das ausgerechnet in der Automobilbranche, in der die „fetten Jahre“ doch eigentlich vorbei zu sein scheinen. 

Brexit, Handelsstreit, Konjunktursorgen – und natürlich die großen Probleme mit den Emissionswerten: Nein, viel Grund zum Optimismus bietet die Automobilbranche dieser Tage wahrlich nicht. „Ich bin angesichts der vielen Herausforderungen wenig zuversichtlich, was nun folgt, sind die mageren Jahre“, gibt sich Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automative Management (CAM) an der Fachhochschule Bergisch Gladbach gegenüber der Tageszeitung WELT, wenig hoffnungsfroh. „Der Abschwung ist im Gang“, lautet seine düstere Situationsanalyse. Da passt es eigentlich so gar nicht ins Bild, dass mit Sixt entgegen jedweder Expertenmeinung gerade ein Autovermieter diesen vermeintlichen Trend ad absurdum führt. Und dennoch – Überraschung hin oder her – der Münchner Familienkonzern steht blendend da, sogar so gut wie noch nie zuvor in seiner 107 Jahre währenden Geschichte.

„Sixt war wirtschaftlich noch nie so stark wie heute. Das Jahr 2018 war das fünfte Rekordjahr in Folge“, freut sich Erich Sixt. Der Vorstandsvorsitzende blickt voller Stolz auf eine Umsatzsteigerung um 12,6% auf 2,93 Milliarden Euro sowie auf ein Ergebnis vor Steuern (EBT) in Höhe von 534,6 Millionen Euro zurück. Letzteres kletterte im Vergleich zu 2017 um bemerkenswerte 86,1%. Die Umsatzrendite lag bei 13%, während der Konzernüberschuss von 204,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 438,9 Millionen Euro mehr als verdoppelt werden konnte. Besonders positiv gestaltete sich das Geschäft in Frankreich, Italien, Spanien und den USA. Aber auch im Heimatmarkt Deutschland stiegen die Erlöse der beiden Geschäftsbereiche Autovermietung und Leasing um 7% auf 1,62 Milliarden Euro. Erich Sixt dazu: „Sixt wächst auf breiter Front, in allen Kundengruppen, vor allem im Ausland, aber weiterhin auch in Deutschland. Das stimmt uns zuversichtlich.“ Infolge dieser erfreulichen Ergebnisse soll die Dividende auf 2,15 Euro je Stammaktie (Vorjahr 1,95 Euro) und 2,17 Euro je Vorzugsaktie (Vorjahr 1,97 Euro, jeweils ohne Sonderdividende) angehoben werden.

Europaweit hat Sixt mit einem auf 16% angestiegenen Marktanteil den Konkurrenten Europcar bereits überholt, in Deutschland ist der Familienkonzern mit 35% Marktanteil ohnehin unangefochtener Branchenprimus. Aber damit nicht genug: Das für seine kreativen und aufsehenerregenden Werbekampagnen bekannte Unternehmen startet auch in den USA durch und ist dort mit 107 Stationen und knapp 400 Millionen Euro Umsatz bei einem Marktanteil von 1,25% bereits der viertgrößte Anbieter hinter Enterprise, Avis und Hertz. Wenngleich der Abstand zu dem Führungstrio, das 70% des Marktes unter sich aufteilt, zugegebenermaßen relativ groß ist, gibt sich Erich Sixt optimistisch, am Tron der großen US-Player wackeln zu können: „Hier tritt David gegen Goliath an, aber Sie wissen, wer gewonnen hat“, so der angriffslustige Vorstandsvorsitzende. Sein Konzern hat sich das Ziel gesetzt, in fünf bis zehn Jahren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten mehr umzusetzen als in ganz Europa. „Vielleicht geht es auch viel schneller“, gibt sich Erich Sixt optimistisch.

Damit diese ambitionierten Ziele auch erreicht werden können, blickt Sixt über den Tellerrand und erfindet sich ein Stück weit neu – und zwar als moderner Mobilitätskonzern. Ende Februar startete eine auf Digitalisierung und künstlicher Intelligenz basierende Plattform namens „One“, bei der es sich um eine App fürs Smartphone handelt, mit der das Unternehmen nicht nur seine Autos vermieten, sondern zudem auch Carsharing-Dienste sowie Taxifahrten vermitteln kann. Zunächst soll sich das Programm in Deutschland bewähren, ehe es mittelfristig international ausgerollt werden könnte. „Mit dem heutigen Tag kommen wir als Marktführer in Deutschland unserer Vision eines globalen Anbieters individueller Mobilität ein großes Stück näher“, so Erich Sixt bei der Vorstellung der neuen Mobilitätsplattform vor 1.800 Gästen, der zugleich an die Adressen von Daimler, BMW, Uber und Co. hinzufügt: „Liebe Mitbewerber, heute ist ein guter Tag für uns und ein schlechter Tag für Euch“. Die App soll Sixt-Kunden die Möglichkeit geben, Fahrzeuge flexibel in kleinen wie in großen Städten für wenige Minuten bis zu 27 Tagen mieten zu können. Dabei können die Kunden Autos irgendwo auf der Straße per App anmieten und diese später entweder in derselben Stadt am Straßenrand oder an einer beliebigen Station in Deutschland wieder abgeben. An BMW gerichtet, an das Sixt vergangenes Jahr seine Anteile an dem Carsharing-Dienst „DriveNow“ verkaufte, sagt der Strategiechef Alexander Sixt: „Wir müssen keine Marke neu erfinden, wir sind Sixt.“ Eine klare Kampfansage an die Konkurrenz – es bahnt sich eine orangene Revolution in der Automobilbranche an. Wim Weimer