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Volkswagen: Die Töchter bringen den Gewinn

Volkswagen wird für 2016 wieder eine höhere Dividende zahlen. Je stimmrechtsloser Vorzugsaktie sollen 2,06 Euro ausgeschüttet werden. Für 2017 soll die Rendite ähnlich hoch ausfallen wie 2016, der Umsatz soll um bis zu vier Prozent zulegen, aber quasi ausschließlich durch das gute Benehmen der zahlreichen Töchter, die die VW-Mutter herangezogen hat.

BÖRSE am Sonntag

Volkswagen wird für 2016 wieder eine höhere Dividende zahlen. Je stimmrechtsloser Vorzugsaktie sollen die Anteilseigner für das abgelaufene Jahr 2,06 Euro erhalten. Im Vorjahr hatte es nur eine Mini-Beteiligung von 17 Cent gegeben. Im kommenden Jahr soll die Umsatzrendite ähnlich hoch ausfallen wie 2016. Der Umsatz soll um bis zu vier Prozent zulegen, doch zu dieser Freude kommt quasi ausschließlich durch das gute Benehmen der zahlreichen Töchter, die die VW-Mutter herangezogen hat.

Der Umsatz des VW-Konzerns stieg im abgelaufenen Jahr um knapp zwei Prozent auf 217,3 Milliarden Euro. Die hauseigene Zielvorgabe für die bereinigte Umsatzrendite haben die Wolfsburger damit geknackt. 6,7 Prozent waren angepeilt, und vorher hatte Finanzvorstand Frank Witter den Zielkorridor zwischen fünf und sechs Prozent ausgegeben.

Der weltweit größte Autobauer hat für die Bewältigung der Lasten aus der im September 2015 aufgedeckten Dieselaffäre in den USA bisher rund 22,6 Milliarden Euro an Rückstellungen bilden müssen. In Vergleichen in den USA und Kanada hat VW bisher die Zahlung von umgerechnet rund 22,7 Milliarden Euro zugesagt. In Europa setzt der Autoriese darauf, die betroffenen Fahrzeuge komplett umrüsten zu dürfen und keine Entschädigungen zahlen zu müssen – Kläger gehen jedoch erbittert dagegen vor.

Die soliden Zahlen bei VW kommen indes allein von den Konzerntöchtern, die Kernmarke ist weiterhin untermotorisiert, ja, sie muß sich auf der Renditeautobahn reihenweise überholen lassen. „Der Umsatz der Marke VW ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 0,6 Prozent auf 105,7 Milliarden Euro gefallen, das operative Ergebnis ging von 2,1 auf 1,9 Milliarden Euro zurück“, wie das Handelsblatt berichtet, „dadurch fiel auch die operative Rendite von 2,0 auf 1,8 Prozent, wie der Konzern am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz in Wolfsburg mitteilte. Volkswagen begründete die schlechteren Zahlen mit Wechselkurseffekten und höheren Vermarktungskosten der Autos, die die Dieselaffäre verursacht habe.“

Keine Entschädigungen in Europa – gut so!

So sehr verkappte Kapitalismuskritiker und Spätkommunisten wie die Deutsche Umwelthilfe auch dagegen wettern: dass VW keine Entschädigungen in Europa zahlt, ist in Ordnung, und daher sind auch die vorgelegten Zahlen der Wolfsburger in Ordnung – Aktionäre sollten sich nicht verunsichern lassen. Der Dieselskandal in den USA kam auf, weil dort die Grenzwerte für Dieselmotoren mit kleinem Hubraum schlagartig, einseitig und drastisch verschärft wurden, sehr ungleich und auch ungerecht übrigens im Vergleich zu größeren Motoren. Ökonomen wie Hans-Werner Sinn haben darauf expressis verbis in der BÖRSE am Sonntag hingewiesen. Warum aber kam es zu diesem bizarren Grenzwerten?

In den USA ist keine Firma in der Lage, so gute und so effiziente Dieselmotoren mit unter drei Liter Hubraum zu bauen, wie das Volkswagen kann. Die Ingenieure in den USA werden regelmäßig bleich vor Wut, wenn sie sehen, was mit german ingeneering möglich ist. Und der Versuchung, reglativ tätig zu werden, wenn die eigenen Universitäten eben keine Ingenieure erster Wahl ausspucken, der ist bisher noch jede Volkswirtschaft erlegen. So ungefähr darf man es sich vorstellen – und natürlich ist VW auf diese Leimrute gegangen, hat die Ergebnisse der eigenen Fahrzeuge, die ohnehin schon weit besser waren als alles, was aus dem maroden Detroit kam, noch besser gemacht. Im übrigen: mit simplen Tricks, auf die die US-Behörden auch jahrelang hereingefallen sind. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Und dann war er da, der Skandal. Und bestimmt kam er nicht rein zufällig auf. Dass hier Absicht im Spiel war, bemerkt weniger der Wirtschaftsjournalist, sondern eher der homo politicus: entscheidend ist, dass Skandal in exakt jenem Monat „gemacht“ wurde, als VW das erste Mal Weltmarktführer für automobile wurde. Die isolationistischen Tendenzen, die die US-Politik seit der Wahl Donald Trumps prägen, sind nicht vom Himmel gefallen. Dies alles sollten VW-Aktionäre immer bedenken, wenn sie entscheiden, ob sie weiter in Volkswagen investiert sein wollen. Unsere Empfehlung: die technologische Kompetenz eines Unternehmens sollte stärker gewichtet werden als regulatorische Maßnahmen einer bestimmten Volkswirtschaft, und sei es auch die größte weltweit. Immerhin hat Volkswagen die Gesamtbelastung des Diesel„skandals“ allein durch das China-Geschäft ausgleichen können. Das spricht für sich.

Sehr robust, operativ und finanziell – und Weltmarktführer

Unter dem Strich erzielte der Konzern Jahr 2016 einen Gewinn von 5,1 Milliarden Euro; für 2015 hatte ein Rekordverlust von knapp 1,6 Milliarden Euro zu Buche gestanden. „Die Zahlen zeigen: Volkswagen ist sehr robust aufgestellt, operativ und finanziell“, teilt Vorstandschef Matthias Müller denn auch unaufgeregt mit. Dennoch haben die Marktmanipulationen, die der Diesel„skandal“ ja in Wirklichkeit zur Hälfte sind, die langfristige Perspektive des Konzerns in Mitleidenschaft gezogen. 2014 verdienten die Wolfsburger, dies als Beispiel, noch 12,6 Milliarden Euro – da glänzen die 5,1 Milliarden schon etwas matter. Auch in diesem Jahr werden die Sonderkosten für Rechtsstreitigkeiten in Nordamerika die Bilanz mit mehreren Milliarden Euro belasten, 2016 kosteten die „verdeckten Tributzahlungen an die Hegemonialmacht“, so wurde der Diesel„skandal“ auch schon genannt, noch einmal 6,2 Milliarden Euro zusätzlich.

Und dennoch: er läuft und läuft und läuft, der Volkswagen. 2016 war auf einem weiteren Gebiet ein gutes Jahr für Volkswagen. Mit einem Plus von fast vier Prozent bei den ausgelieferte Fahrzeugen, es waren 10,3 Millionen, haben die Wolfsburger den japanischen Hauptkonkurrenten Toyota als weltgrößten Autohersteller abgelöst. Dafür ist vor allem der chinesische Markt verantwortlich. Die Japaner sind Reich der Mitte, das längst größter Automarkt auf dem Globus ist, längst nicht so gut aufgestellt wie Volkswagen. In China werden pro Monat etwa so viele Autos verkauft wie in Deutschland in einem Jahr. Der VW-Konzern setzte dort im vergangenen Jahr mehr als vier Millionen Autos ab.

Bliebe noch der Blick in die Zukunft. Bei der Elektromobilität ist VW gut aufgestellt – ob das gut genug ist, wird sich in wenigen Jahren erweisen; es sieht indes nicht schlecht aus. Mit dem e-Golf ist ein massentaugliches Fahrzeug am Start, dem nur eines fehlt: eine breite Käuferschicht. Das aber könnte damit zusammenhängen, dass der Strom für Elektroautos eben auch gerne mal aus einem unsicheren Kernkraftwerk in Frankreich oder Belgien kommt. Autokäufer mögen vieles sein, aber blöd sind sie nicht. Doch die Zeit wird nicht stillstehen, und in Wolfsburg schläft man nicht. Der neue VW Sedric zeigt, wohin die Reise in einem Volkswagen in den nächsten Jahren gehen könnte. Die überwiegende Zahl der Analysten steht daher auch positiv zur VW-Aktie, bis auf 260 Euro gehen die Kursphantasien. Und das sind doch mal hoffnungsvolle Zahlen. sig