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Wie lange bleibt die Wirecard-Aktie noch so günstig?

Die Kursschwankungen mit Blick auf das Wirecard-Papier nehmen kein Ende. Nach teils sinnflutartigen Verlusttagen schlug das Pendel in dieser Woche nun wieder und durchaus deutlich in die positive Richtung aus. Ist das der Anfang einer Erholungsrally? Oder anders gefragt: Wie lange haben Anleger noch die Chance, günstig einzusteigen?

BÖRSE am Sonntag

Die Kursschwankungen mit Blick auf das Wirecard-Papier nehmen kein Ende. Nach teils sinnflutartigen Verlusttagen schlug das Pendel in dieser Woche nun wieder und durchaus deutlich in die positive Richtung aus. Ist das der Anfang einer Erholungsrally? Oder anders gefragt: Wie lange haben Anleger noch die Chance, günstig einzusteigen?

Wie geht es weiter mit Wirecard? Was ist dran an den von der Financial Times veröffentlichten Anschuldigungen? Wie gerechtfertigt ist der jüngste Absturz an der Börse? Sollten ihn Anleger als Einstiegschance begreifen? Oder als Alarm und lieber noch von Bord gehen, bevor das Schiff sinkt? War die Aktie vielleicht einfach zu hoch bewertet und die jüngsten Korrekturen überfällig? Oder handelt es sich um in ihrer Höhe grundlose Verluste, die aus dem Aschheimer Bezahldienstleister an der Börse ein Schnäppchen gemacht haben, wie es einem der Markt nur selten beschert?

An Fragen mangelt es derzeit nicht, wenn es um die Wirecard-Aktie geht. Über kein deutsches Wertpapier wird für den Moment so gern diskutiert. Sein Kursverlauf erweist sich seit Monaten als hochvolatil. Ausgehend von ihrem Rekordhoch aus dem August vergangenen Jahres bei rund 196 Euro hatte die Aktie im Tief bei zirka 96 Euro Mitte Februar über 50 Prozent an Wert verloren. Innerhalb eines halben Jahres ihren Wert also halbiert. Zum Wochenbeginn nun aber stand am Montag auf einmal ein deutliches Plus von 15 Prozent zu Buche, am Dienstag ging es um weitere fünf Prozent nach oben.

Braun: „Es läuft weiterhin sehr stark“

Ursächlich für diese zwischenzeitliche Kursrally dürfte das Leerverkaufsverbot der Bafin gewesen sein. Die Folge waren Gewinnrealisierungen und damit wieder leichte Kursverluste zur Wochenmitte. Am Freitag dann kletterte die Aktie mit einem Plus von 3,5 Prozent auf dem Chartbild erneut gen Norden. Grund war diesmal ein Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Wirecard-Chef Markus Braun, in dem jener einmal mehr und überaus vehement alle Vorwürfe von sich und seinem Unternehmen wies. „Aus unserer Sicht“, sagte er, „haben die Kursschwankungen unserer Aktie in den vergangenen Tagen keinen fundamentalen Grund.“ Und meinte damit freilich die Art Schwankungen, die sein Unternehmen innerhalb kürzester Zeit um einen Börsenwert von zirka sieben Milliarden Euro erleichtert hatten. „Es läuft weiterhin sehr stark.“, bekräftigte er. Er sei sicher, dass dies auch der Aktienkurs bald wiederspiegeln werde. Bereits in der Woche zuvor hatte er Anlegern ein „äußerst erfolgreiches Jahr 2019 angekündigt. Zudem prüfe man derzeit rechtliche Schritte gegen die Financial Times. „Wir müssen untersuchen, ob die Darstellung in den Artikeln stark übertrieben war“, sagte Braun der FAZ. Internen Untersuchungen zufolge, so der CEO weiter, seien die Vorwürfe nicht haltbar. Es steht also weiterhin Aussage gegen Aussage mit Blick auf die Vorwürfe um die fehlerhafte Buchung von Umsätzen. Und das wird bis auf weiteres wohl auch so bleiben. Bis zu einer endgültigen Klärung dürfte es dauern. Aussagen wie die von Braun locken aber freilich zum Aktienkauf.

Günstig oder immer noch teuer?

Den richtigen Einstiegszeitpunkt will bei Deutschlands großer Tech-Hoffnung keiner verpassen, gleichzeitig schreckt die Angst vor einem kräftezehrenden Bilanzskandal ab und auch die Uneinigkeit darüber, wie viel das Unternehmen eigentlich wert ist, sprich ob es nach einer Kurssteigerung von gut 2.300 Prozent innerhalb von zehn beziehungsweise einer von rund 160 Prozent innerhalb von drei Jahren nicht an der Zeit war die Bewertung von zu hohen Erwartungen zu befreien, oder ob diese Erwartungen mit Blick auf bisherige Ergebnisse und jüngste Prognosen eben doch mehr als berechtigt sind.

Ein Blick auf die Bewertung und diese wiederum verglichen mit anderen Branchengrößen zeigt: Teuer ist die Aktie nach den jüngsten Kursstürzen nun wirklich nicht mehr. Im August noch mit einem erwarteten 2019er KGV von 46 ausgestattet, liegt das Verhältnis von Kurs und Gewinn nun nur noch bei 26. Und das ist moderat, blickt man auf das von Adyen (122), Square (108) oder Paypal (33). Auch in Sachen Börsenwert liegen Adyen (20 Milliarden Euro), Square (28 Milliarden Euro) und Paypal (98 Milliarden Euro) deutlich vor Wirecard mit nur knapp 14 Milliarden Euro. Die Gewinnprognose für 2019 klingt mit einem erwarteten Ebitda irgendwo zwischen 740 und 800 Millionen zudem vielversprechend. Auch da es Analysten gibt, die damit rechnen, dass die Prognose durchaus noch einmal angehoben werden könnte.

Kepler Cheuvreux-Kursziel: 225 Euro

Überhaupt blickt ein Großteil der Aktienexperten sehr optimistisch in die Zukunft rund um den deutschen Bezahldienstleister, der immerhin erst im September vergangenen Jahres die Commerzbank aus dem Dax verdrängt hatte. Im Schnitt glauben die von Bloomberg befragten Analysten bis 2021 an einen Umsatzanstieg in Höhe von 167 Prozent auf fast vier Milliarden Euro. Den bereinigten Gewinn je Aktie sehen sie bis dahin sogar um 240 Prozent auf über sieben Milliarden Euro steigen. Er bleibe zuversichtlich, dass sich das Management nichts habe zuschulden kommen lassen und dass die internen Kontrollmechanismen des Unternehmens funktionierten, schrieb beispielsweise Robin Brass, Analyst bei Hauck & Aufhäuser. Mit Blick auf das angestrebte operative Jahresergebnis sehe er die momentane Kursschwäche weiter als Kaufgelegenheit. Kepler Cheuvreux-Analyst Sebastien Sztabowicz glaubt zudem an weniger Schwankungen nach dem Leerverkaufsverbot der Bafin. Sein Kursziel beließ er bei 225 Euro. Bei dem derzeitigen Kurs von etwas über 114 Euro entspräche das einem Aufwärtspotenzial von fast 100 Prozent. Credit Suisse-Analyst Charles Brennan sprach mit Blick auf die Wirecard-Anteile jüngst gar von einer der attraktivsten Investment-Gelegenheiten im Sektor.

Obacht vor der Konkurrenz!

Gut möglich also, dass die Aktie nicht mehr allzu lange so günstig ist, wie derzeit. Klar aber dürfte auch sein: Wer momentan einsteigt, beteiligt sich auch und vor allem an den Spekulationen rund um die genannten Financial Times-Vorwürfe. Und vom Ausgang dieser Geschichte hängt die kurz- bis mittelfristige Performance der Aktie wohl maßgeblich ab. Auf Kursauschläge nach oben und nach unten müssen Anleger daher weiterhin gefasst sein.

Und auch wenn sich die Vorwürfe in Luft auflösen sollten und langfristig wohl ein starkes Umsatz- und Gewinnwachstum lockt, bleibt die Konkurrenz in der Bezahldienstleister-Branche hoch. Durchaus denkbar, dass es in den kommenden Jahren zu Konsolidierungen im Sektor kommt. Das kann der Wirecard-Aktie zu Gute kommen, werden die Aschheimer selbst zum Übernahmekandidat. Entsteht aber ein großer, global den Markt abgreifender Konkurrent, könnte es für einen dann im Vergleich kleinen Wettbewerber eng werden.

Oliver Götz