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Wirecard: Wie viel ist die Aktie wirklich wert?

Ein von der Financial Times publik gemachter Verdacht auf kriminelle Machenschaften lässt die Wirecard-Aktie mit schwindelerregenden Wendungen ausgestattet Kurskarussell fahren. Erst büßt der Bezahldienstleister in nur einer Stunde fünf Milliarden Euro an Börsenwert ein, dann steht das Papier plötzlich wieder mit 20 Prozent im Plus. Und verliert zum Ende der Woche hin erneut zweistellig. Sollten Anleger nun einsteigen oder aussteigen? Wie viel ist die Aktie eigentlich wert?

BÖRSE am Sonntag

Ein von der Financial Times publik gemachter Verdacht auf kriminelle Machenschaften lässt die Wirecard-Aktie mit schwindelerregenden Wendungen ausgestattet Kurskarussell fahren. Erst büßt der Bezahldienstleister in nur einer Stunde fünf Milliarden Euro an Börsenwert ein, dann steht das Papier plötzlich wieder mit 20 Prozent im Plus. Und verliert am Donnerstag erneut zweistellig. Sollten Anleger nun einsteigen oder aussteigen? Wie viel ist die Aktie eigentlich wert?

Kurschaos bei Wirecard. Nachdem die Financial Times in Bezug auf einen Bericht der Singapurer Kanzlei Rajah & Tann ein zweites Mal auf mögliche kriminelle Machenschaften bei dem Aschheimer Bezahldienstleister hingewiesen hatte, riss bei Anlegern am Freitag vor einer Woche endgültig der Geduldsfaden. Zwischenzeitlich schickten sie die Aktie der deutschen Tech-Hoffnung um 30 Prozentpunkte in die Tiefe, vernichteten in nur einer Stunde einen Börsenwert von über fünf Milliarden Euro. Die zwei Handelstage vorher mit eingerechnet sogar einen von über sieben Milliarden Euro. Innerhalb kürzester Zeit stürzte der Kurs so um insgesamt 36 Prozent von 167,40 auf 108,50 Euro ab.

Zunächst kein Wunder, blickt man auf die Anzahl und Schwere der Verdachtspunkte, die die Singapurer Kanzlei da so aufgelistet hatte. Gefälschte Buchführung, Betrug, Korruption, Geldwäsche. Nur einen Handelstag später allerdings und nachdem Wirecard-Vorstandschef Markus Braun die Berichte vehement als „diffamierend und unzutreffend“ zurückgewiesen hatte, sprang der Aktienkurs schon wieder um 20 Prozent auf 131,25 Euro nach oben. Dem Handelsblatt gegenüber sprach Braun von einer „Non-Story“. Man habe alles aufgearbeitet und es gebe keinerlei Risiko. In der Buchhaltung seien weder Korrekturen noch Anpassungen nötig gewesen. „Wir erwarten keinen weiteren materiellen Schaden. Unsere Aktionäre werden ein starkes Jahr 2019 erleben“, kündigte Braun an.

Am Donnerstag dann, war es wiederum die Financial Times, die mit einem dritten Bericht nachlegte. "Wirecard: inside an accounting scandal", titelte die britische Wirtschaftszeitung. Trotz sofortigem und abermaligem Dementi aus Aschheim - "Im neuen Artikel steht nichts Wahres." - stürzte die Aktie zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit zweistellig ins Minus. Am Freitag tat sie es dann gleich noch einmal, nachdem bekannt wurde, dass die Singapurer Polizei in Zusammenhang mit den Vorfällen Büroräume durchsucht hatte. Zum Ende des Handelstages stabilisierte sich der Kurs bei rund 94 Euro, stand damit aber nur noch in etwa halb so hoch wie im September, als Wirecard den Sprung in den Dax schaffte.   

Wem ist nun zu glauben?

Bleibt die Frage, wem nun zu glauben ist. Und natürlich die nach dem Wert der Aktie. Ist sie nun günstig oder teuer? Wie viel Potenzial steckt noch drin, in dem Papier, dass die deutsche Börsenwelt seit gut zwei Jahren positiv wie negativ in Atem hält und nicht zuletzt die Commerzbank aus dem Dax verdrängte. Schließlich hatte Wirecard schon in der Vergangenheit immer wieder mit negativer Berichterstattung und anschließenden Kursausschlägen nach unten zu tun. Und überhaupt erwies sich die Aktie in jüngster Zeit als einigermaßen volatil. Schon vor den Financial Times-Berichten war die Aktie von ihrem Rekordhoch aus dem vergangenen August bei rund 194 Euro bis Ende 2018 um 35 Prozent auf 127 Euro abgestürzt, nur um sich im Januar des laufenden Jahres wieder um 25 Prozent auf 167 Euro zu erholen.

Schuld an diesem Hin und Her könnten auch die zunehmenden Spekulationen gegen die Aktie sein. Genauso allerdings auch deren Folge. Fakt ist: Dem Finanzdatenanbieter Markit nach ist der Wert der Leerverkäufe mit Blick auf das Wirecard-Papier innerhalb eines halben Jahres von 70 auf 566 Millionen Euro angestiegen, was rund 3,5 Prozent der frei handelbaren Aktien entspricht. Allein der britische Hedgefonds Odey Asset Management wettet mit knapp 132 Millionen Dollar gegen den Bezahldienstleister.

Ist die Aktie nun zu spekulativ?

Gemeinsam mit all dem Tohuwabohu der letzten Tage kann sich  da der Blick schnell im Chaos des Ungewissen verlieren. Für den Moment schließlich steht Aussage gegen Aussage. Rajah & Tan klagt an, Wirecard dementiert entschieden, die Behörden ermitteln.  Wer am Ende Recht behält, das muss sich zeigen. Die Gefahr: Wenn sich allein nur die kleinste Anschuldigung bewahrheiten sollte, dürfte Wirecard auf einen Schlag eine ganze Menge Vertrauen verlieren. Und natürlich weiter Geld. Schon jetzt sind von ursprünglich 23 nur noch 13,6 Milliarden Euro an Börsenwert übrig. Dass Vorstandschef Braun die Vorwürfe zunächst zurückweißt erscheint schließlich nur logisch, er hält allein gut sieben Prozent der Konzernanteile. Und eine wirklich schlüssige Erklärung, weshalb es überhaupt zu den Anschuldigen kommen konnte, blieb er der Öffentlichkeit bislang schuldig.

Bis Fakten geschaffen werden können, dürfte es nun dauern. Und bis dahin gleicht es einer Lotterie sich als Anleger durch kurzfristiges Handeln an den Spekulationen zu beteiligen. Ja, Schwankungen, wie nun jene bei Wirecard, schaffen an der Börse reizvolle Möglichkeiten, mögen einen zum Spiel mit Call- und Put-Optionen verführen. Die Chance auf schnelle und via Hebel oft hohe Gewinne ist hoch, ebenso aber auch das Risiko mit Blick auf Verluste nah oder über der Schmerzgrenze.

Den Fokus auf die Zukunft richten

Es gilt als wohl Ruhe zu bewahren, sich auf das zu fokussieren, was Wirecard an Zahlen vorlegt und für die Zukunft prognostiziert und es in Relation zu dem Kurs zu setzen, den die Wirecard-Aktie vor den jüngsten Chaostagen fuhr. Das heißt auch, die Charttechnik erst einmal außer Acht zu lassen. Der Kurs schließlich riss jüngst quasi jede technische Unterstützung. Egal ob nun 20-,50- oder 200-Tage-Linie.

Nun lief es aus Anlegersicht aber – wie bereits beschrieben – schon vor der jüngsten Berichterstattung alles andere als geradlinig in die richtige Richtung, was allerdings auch wenig verwundert, schließlich griff im zweiten Halbjahr 2018 eine allgemeine Tech-Krise um sich und der Wert des Wirecard-Papies hat sich auf Zehn-Jahressicht schließlich um fast 3.000 Prozent vervielfacht. Damit war und ist die Aktie auch nach den Kurstürzen der letzten Tage hoch bewertet. Das für 2018 erwartete KGV liegt bei über 40, das für 2019 immer noch bei über 30. Und Rendite machen Anleger bei Wirecard über den Kurs, die Dividende scheint mit rund 20 Cent je Aktie und einer damit einhergehenden Dividendenrendite von 0,15 Prozent vernachlässigbar.

Analysten glauben an Erholung

Wer jetzt langfristig einsteigen will, der muss sich wohl an Prognosen orientieren. An denen von Wirecard genauso wie an denen der Analysten. Und die sind vielversprechend. Das Ebitda, sprich das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erwarten die Aschheimer 2019 irgendwo zwischen 740 und 800 Millionen Euro. Gegenüber dem erwarteten Wert für 2018 entspräche dies einem Wachstum von bis zu 45 Prozent. Die Mehrheit der Analysten – Bloomberg nach 26 – rät deshalb weiterhin zum Kauf der Aktie. Vier würden sie halten, drei verkaufen. Die Untersuchungen bei Wirecard sollten positiv ausfallen und die Anschuldigungen gegen das Unternehmen entkräften, weshalb der Kursrückschlag eine gute Einstiegsgelegenheit eröffne, schrieben die Experten vom Analysehaus Kepler Cheuvreux und teilen damit die Meinung der Mehrheit. Credit Suisse-Analyst Charles Brennan sprach mit Blick auf die Aktie gar von einer der attraktivsten Investment-Gelegenheiten im Sektor.

Gut möglich also, dass Wirecard eigentlich eine höhere Bewertung verdient hätte, doch wirklich neu ist es nicht, dass es kaum etwas gibt was Anleger mehr verunsichert als Unsicherheit.

Oliver Götz