Adidas – Schneller, höher, weiter?
Adidas steht – mal wieder – ein Rekordjahr ins Haus. An wie abseits der Börse. Das liegt an einer starken wie zukunftsorientierten Strategie, vor allem jedoch an einem Megatrend, der die gesamte Sportartikelbranche beflügelt.
Adidas steht – mal wieder – ein Rekordjahr ins Haus. An wie abseits der Börse. Das liegt an einer starken wie zukunftsorientierten Strategie, vor allem jedoch an einem Megatrend, der die gesamte Sportartikelbranche beflügelt.
Schneller, höher, weiter. Diesem Vorsatz ging es schon einmal besser in der öffentlichen Debatte. Ein gesunder Ehrgeiz schließlich schadet keineswegs. Sich stetig verbessern, noch ein bisschen mehr als das Beste erreichen zu wollen, das ist Teil des inneren Antriebs vieler Menschen. Und er führt zum Erfolg. Meistens zumindest.
Dieser verführerische Zusammenhang jedoch hat Kehrseiten. Er kann süchtig machen. Selbstherrlich und unvorsichtig. Und krank. Ob es nun der Sportler ist, der dopt oder der Fondsmanager, der zockt. Der Mensch übernimmt sich gern im „Schneller-Höher-Weiter-Denken“. Das kann gut gehen. Tut es jedoch selten. Der Betrug fällt auf, die Glückssträhne reist. Den eigenen Erfolg herausfordern, dieser Ehrgeiz hat Grenzen, weil die Grenze zwischen sich viel vornehmen und sich übernehmen eine schmale ist. Kurzum: Der Grundsatz des „Schneller, höher, weiter“ geht solange gut, bis man zu schnell gerannt, zu hoch geklettert, zu weit gegangen ist.
Nur wie ist sie zu finden, die richtige Stufe auf der Leiter, die weder zu hoch liegt für den gefahrlosen Absprung, noch zu tief, sodass ein ängstlicher Hüpfer mehr verhindert. Wie rennt man richtig? Wie weit ist zu weit gegangen?
Fragen wie diesen, müssen sich nicht zuletzt Anleger stellen. Immer wieder aufs Neue. Und es passt ganz wunderbar ins Sprachbild, dass es für den Moment die Adidas-Anteile, sprich die Papiere eines Sportartikelkonzerns sind, die zum großen Fragen-Stellen anregen. Seit Jahren steigt die Aktie der Herzogenauracher, beinahe unberührt von geopolitischen Konflikten und der zunehmenden Sorge um die Stabilität der Weltwirtschaft. Auf Fünfjahressicht steht ein Plus von 367 Prozent zu Buche. Auf Zehnjahressicht sind es 675 Prozent. Immer wieder war die Adidas-Aktie in den vergangenen Jahren unter den Top-Performern im Dax. Und auch in diesem Jahr sieht es danach aus, als könnten die Titel ganz oben auf das Treppchen steigen. Seit Jahresbeginn hat der Kurs um 50 Prozent von 182,40 auf 273,80 Euro zugelegt. Und damit stärker als der jeder anderen Dax-Aktie. Anfang August kostete die Aktie mit 298,50 Euro fast 300 Euro. Ein neues Rekordhoch, das bestand hat. Nicht auszuschließen jedoch, dass es in den kommenden Monaten fällt.
Gesamte Branche überzeugt
Allen voran Christian Salis, Analyst der Privatbank Hauck & Aufhäuser, ist da optimistisch. Sein Kursziel setzt er bei 320 Euro. Die starken Zahlen von Konkurrent Nike zum ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres unterstrichen die exzellente Entwicklung in der Sportartikelbranche, schrieb er. Davon würde auch Adidas weiter profitieren. Er sehe den Konzern deshalb auf bestem Wege im Gesamtjahr das obere Ende der Zielspannen zu erreichen. Die von Vorstandschef Kasper Rorsted liegen bei fünf bis acht Prozent Umsatz- und zehn bis 14 Prozent Gewinnwachstum. Damit wäre ihm ein neues Rekordjahr auch abseits der Börse sicher.
Zuletzt verlangsamte sich zwar die Umsatzdynamik, im zweiten Quartal stiegen die Einnahmen nur um 4,7 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro, was sich jedoch vor allem auf Engpässe bei der Textilbeschaffung und Lieferschwierigkeiten in den USA zurückführen ließ. Dazu waren die Wachstumsraten 2018 der Fußball-WM in Russland wegen hoch. Der Nettogewinn stieg von Mai bis Juni derweil um starke zehn Prozent auf 462 Millionen Euro, was dafür spricht, dass Rorsted die Kosten exzellent im Griff hat.
Das dürfte auch in den kommenden Monaten positiv zu Buche schlagen. Gerade dann, wenn die Umsätze wieder stärker steigen. Der Trend hin zu alltagstauglicher Sportbekleidung beflügelt seit Jahren die gesamte Branche. Gern wird übersehen, wie sehr sich Adidas, Nike oder Puma gewandelt haben. Starke Marken waren sie schon immer, jetzt sind sie zusätzlich hip, cool, und dank einer Gesellschaft, die alles sein will, nur nicht bieder, schlicht beliebt ob ihres legeren, ungezwungenen Stils. Längst sind die Sportartikelhersteller zu Lifestyle-Marken geworden. Wer heute einen Adidas- oder Nike-Schuhe trägt, der trägt irgendwie auch immer ein bisschen Persönlichkeit am Fuß. Sportlich sein oder zumindest wirken, dazu einen gesunden Lebensstil pflegen, war wohl noch nie so populär wie dieser Tage. Tendenz steigend, da es vor allem junge Menschen sind, die sich diesem Trend im großen Stil unterordnen. Die Zielgruppe bricht Adidas und Co. also so schnell nicht weg. Und die Herzogenauracher wissen sie zu bedienen. So soll die Produktpalette in Zukunft noch nachhaltiger werden, 2021 ein Schuh, der zu 100 Prozent aus Recycling-Material besteht, auf den Markt kommen. Massiv ausbauen will Europas Branchenprimus dazu weiter den Online-Handel. Und auch wenn das Wachstum auf dem Heimatmarkt stagniert, die Zuwächse in den USA, China wie vielen Schwellenländern, gleichen dies locker aus. Global ist das Potenzial nach wie vor riesig, in Europa stellt sich Adidas gerade neu auf.
Vorsicht vor übertriebenen Renditeerwartungen und der Konkurrenz
Dennoch, schreibt Exane BNP Paribas-Analyst Warwick Okines, sei die Adidas-Aktie für ihn in den kommenden zwölf Monaten nicht das attraktivste Branchenpapier. Sowohl Nike als auch Puma würden mit Blick auf die Umsätze inzwischen schneller wachsen. Ausgerechnet der Erfolg der eigenen Branche wird für Adidas so gleichzeitig zur Herausforderung. Mit ihm nämlich erstarkt die Konkurrenz. Und gerade Adidas profitierte lange Zeit von der Heimatmarktschwäche Nikes und einer Puma-Produktpalette, der die Verkaufsschlager fehlten. Der Innovationsdruck wird damit zunehmen. Die Kosten aber dürfen nicht erheblich steigen, sollen die Gewinne weiter zulegen. Heißt: Höher und weiter hinaus, ja, aber eben nicht zu schnell.
Gleiches gilt für Anleger. Die Erwartungen in Bezug auf die Aktie sind hoch. Zu hoch, findet Kepler Chevreux-Analyst Jürgen Kolb, und warnte kürzlich in einer Studie vor „übertriebenen Renditeerwartungen“. Das erwartete KGV für 2019 liegt bei knapp 28. Nach einem steilen Anstieg im bisherigen Jahresverlauf sei das Papier reif für eine Pause, sagt Kolb. In der befindet es sich allerdings bereits. Seit dem Rekordhoch aus dem August gab es erst einen spürbaren Rücksetzer, ehe im September eine leichte Erholung folgte. Danach lief die Aktie seitwärts. Am sechsten November legt Adidas die Zahlen zum dritten Quartal vor. Diese dürften richtungsweisend werden. Die guten Zahlen der Konkurrenz lassen auf starke Ergebnisse hoffen. Die 300 Euro-Marke könnte in diesem Fall wieder in Angriff genommen werden.
Klingt verlockend. Es mangelt der Adidas-Aktie de facto nicht an langfristigem Aufwärtspotenzial. Wenn da nur nicht die Sache mit der Fallhöhe wäre. „Schneller, höher weiter“, an der Börse kann dieses Spiel viel Spaß machen. Und besonders die Adidas-Aktie lädt derzeit dazu ein. Doch Anleger sollten nicht vergessen, wo die Aktie herkommt. Die Kursentwicklung in den vergangenen Jahren war eine phänomenale. Und sie droht der realwirtschaftlichen Performance davon zu laufen. Kehrseiten wie diese gilt es nicht außer Acht zu lassen. Dann muss man sich entscheiden.
Oliver Götz
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