Adidas: woher kommt diese Rally?
Die Aktie des Sportartikelherstellers aus Herzogenaurach ist seit Jahresbeginn um fast 50 Prozent gestiegen. Dabei wird der europäische Branchenkrösus 2023 wohl Verlust machen. Warum begeistern sich Anleger und Investoren plötzlich so sehr für den Konzern?
Die Aktie des Sportartikelherstellers aus Herzogenaurach ist seit Jahresbeginn um fast 50 Prozent gestiegen. Dabei wird der europäische Branchenkrösus 2023 wohl Verlust machen. Warum begeistern sich Anleger und Investoren plötzlich so sehr für den Konzern?
Der neue Adidas-Chef Björn Gulden hat bei seinem Amtsantritt eine Großbaustelle vorgefunden. Der Norweger muss an vielen Ecken und Enden des Konzerns um- und neu aufbauen, gleichzeitig eine Menge Scherben aufkehren und noch dazu die Marke neu anstreichen. Europas größter Sportartikelkonzern und nach Nike der zweitgrößte der Welt, hat in den vergangenen beiden Jahren eine echte Bruchlandung hingelegt. Die Strategie von Guldens Vorgänger Kasper Rorsted mehr auf den Online- und weniger auf den stationären Handel zu setzen, ging nicht wirklich auf, in China brach der Absatz ein, unter anderem wegen des zwischenzeitlichen Boykotts westlicher Marken und der strikten Null-Covid-Politik, aber wohl auch, weil Adidas die Top-Seller fehlten. Für eines der wenigen Hype-Produkte, die Yeezy-Schuhe, musste Adidas dann auch noch einen Verkaufsstopp einlegen, sowie die gesamte Geschäftsbeziehung zu Rapper Kayne West beenden, nachdem dieser durch rassistische Postings in Ungnade gefallen war. Hinzu kamen hohe Lagerbestände der Händler, die sich im Zuge der Lieferschwierigkeiten rund um die Corona-Pandemie großflächig mit Ware eingedeckt hatten. Entsprechend war die Nachfrage nach neuen Produkten erst einmal gering.
Adidas, im Juli 2021 an der Börse noch in Rekordlaune, ging im Eiltempo die Luft aus. Der Aktienkurs krachte innerhalb von eineinhalb Jahren von 336 auf 100 Euro. Rorsted musste die Koffer packen, Gulden kam von Konkurrent Puma. Einmal Neustart bitte, lautete die Devise.
Nun, im August 2023 zeigt sich: Gulden findet sich offenbar ganz gut zurecht auf der Herzogenauracher Großbaustelle. Und Anleger bauen auf wiedereinsetzende Erfolge. Die Adidas-Aktie hat seit Jahresbeginn fast 50 Prozent zugelegt, steht damit bei 187 Euro und hat sich ausgehend von ihrem Tief fast verdoppelt. Und dass, obwohl Adidas in diesem Jahr mit einem Verlust in Höhe von 450 Millionen Euro rechnet. Noch laufen zahlreiche Reparaturarbeiten und der Konzern noch lange nicht auf Hochtouren. Von April bis Juni hat Adidas deutlich weniger verdient als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das Betriebsergebnis sank von 392 auf 176 Millionen Euro.
Es hätte jedoch alles noch viel schlimmer kommen können. Ursprünglich hatte Adidas sogar mit 700 Millionen Euro Jahresverlust gerechnet. Und: „Obwohl wir immer noch zu viel Warenbestand mit niedriger Umschlagshäufigkeit im Markt haben, hat sich der Durchverkauf verbessert“, erklärte CEO Gulden.
Adidas erlebt an der Börse also gerade eine Erleichterungsrally, die maßgeblich auch dadurch beeinflusst wird, dass der Konzern seinen milliardenschweren Lagerbestand an Yeezy-Schuhen nun doch noch losbekommt. Gulden hat sich für einen Verkauf entschieden, Teile des Gewinns sollen jedoch an wohltätige Organisationen gespendet werden. Die Nachfrage nach den Schuhen des Skandal-Rappers ist offenbar immer noch riesig. 150 Millionen Euro Gewinn erzielte Adidas mit dem Verkauf eines ersten Teils im zweiten Quartal. Im August läuft nun der Verkauf weiterer Restbestände, die das Ergebnis noch einmal um zirka 100 Millionen Euro aufpolieren sollen.
Damit sind zumindest die Scherben aufgekehrt. Bleiben die Baustellen im Kerngeschäft. Gulden geht sie an, indem er auf neue Partnerschaften setzt. Sowohl mit dem stationären Handel auf etablierten Märkten als auch mit der Suche nach neuen Partnerschaften auf Wachstumsmärkten. In Indien beispielsweise soll Adidas einem Medienbericht zufolge mit der indischen Bata im Gespräch sein. Bata hat dort 2000 Filialen und im vergangenen Jahr 48 Millionen Paar Schuhe verkauft.
Ganz grundsätzlich scheint Gulden zudem das Klima im Konzern zu verbessern. Rorsteds Führungsstil galt Kreisen nach als ruppig, Gulden pflegt einen freundschaftlicheren Umgang. Damit hatte er bereits bei Puma Erfolg. Gut möglich, dass so die Mitarbeitermotivation steigt und auch wieder mehr Innovationen aus Herzogenaurach kommen.
Es tut sich also was bei Adidas, die Fundamente für eine erfolgreichere Zukunft scheinen gesetzt. Für den letzten Schliff wird es Zeit brauchen. Dass Adidas als Marke etwas angestaubt daherkommt, wird sich nicht innerhalb eines Jahres ändern lassen. Es dürfte daher fraglich sein, inwieweit die Adidas-Aktie noch weiter steigen kann, oder ob nicht bald die Argumente für weitere Kurszuwächse ausgehen. Die bisherige Rally spricht aber dafür, dass Anleger und Investoren wieder Vertrauen gefasst haben. Entscheidend wird nun das kommende Jahr. Enttäuschungen darf sich Gulden dann keine leisten.
OG
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