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Amazon-Aktie mit traumhafter Einstiegschance?

Mehr als 230 Milliarden US-Dollar hat Amazon seit September an der Börse verloren. Tech-Krise und ein schwierig bis katastrophales Marktumfeld lassen grüßen. Doch hat die Aktie des Online-Giganten ihren jüngsten Kurssturz wirklich verdient? Glaubt man dem Großteil der Analysten, lautet die Antwort: Nein, hat sie nicht. Die Kursziele der meisten Experten liegen weit über der 2.000 Dollar-Marke. Sollten Anleger einsteigen?

BÖRSE am Sonntag

Mehr als 230 Milliarden US-Dollar hat Amazon seit September an der Börse verloren. Tech-Krise und ein schwierig bis katastrophales Marktumfeld lassen grüßen. Doch hat die Aktie des Online-Giganten ihren jüngsten Kurssturz wirklich verdient? Glaubt man dem Großteil der Analysten, lautet die Antwort: Nein, hat sie nicht. Die Kursziele der meisten Experten liegen weit über der 2.000 Dollar-Marke. Sollten Anleger einsteigen? 

Es war wahrlich kein goldener Herbst, den die Amazon-Aktie da bislang über sich ergehen lassen musste. Eher schon ein dunkler bis pechschwarzer, mindestens jedoch ein neblig-bewölkter, ausgestattet mit viel Regen und einer bedrohlich-beständigen Gewitterfront. Die hatte freilich nicht nur das Amazon-Papier fest im Griff, sondern die Märkte im Allgemeinen und weltweit. Doch mit einem Kursverlust von rund 27 Prozent in weniger als drei Monaten hat der Blitz bei den Titeln des Online-Giganten aus Seattle im US-Bundesstaat Washington besonders schmerzhaft eingeschlagen und so innerhalb kürzester Zeit dafür gesorgt, dass 230 Milliarden US-Dollar an Börsenwert in Flammen aufgingen.

Dabei hatte die Sonne Anfang September doch noch so hell gestrahlt, dass manch Anleger wohl beinahe schon die Augen schließen musste, um zu realisieren, wie viel Gewinn er da auf einmal realisieren konnte. Vorausgesetzt er war schon etwas länger mit von der Partie. Allein mit Blick auf die letzten drei Jahre schließlich steht die Amazon-Aktie mit mehr als 150 Prozent im Plus. Auf Zehnjahressicht mit kaum zu glaubenden 3.100 Prozent. Und da sind die Kursverluste aus dem Herbst schon mit eingerechnet. Wer also im September, als es Amazon nach Apple als zweiter privater und börsennotierter Konzern der Welt gelang die Marktkapitalisierung von über einer Billion US-Dollar zu knacken, seine Anteile an Jeff Bezos Lebenswerk veräußerte, der konnte viel Geld verdienen. Sehr viel Geld.

Und genau daran, an das Verdienen von sehr viel Geld, dachten viele Investoren dann wohl auch. Denn bereits kurz nach Erreichen des Rekordhochs bei 2.039 US-Dollar ging die Amazon-Aktie auf Talfahrt. Durch fleißige Gewinnmitnahmen dürften es so also nicht zuletzt die eigenen Aktionäre gewesen sein, die Amazon die Sonnenstrahlen aus dem Konzerngesicht zauberten. Und da sich diese Gewinnrealisierungen nicht nur auf Amazon beschränkten, sondern sich auf einmal auf die gesamte US-amerikanische Tech-Branche ausbreiteten, nebenbei die Zinsen stiegen, Donald Trump weiter fleißig mit Strafzöllen drohte und sich Anleger zusätzlich befeuert vom britisch-italienischen Europachaos allmählich begannen vor einer Rezession zu fürchten, wurde aus Korrektur plötzlich eine beängstigend schnelle Einfahrt in einen mindestens genauso beängstigend schnellen Abwärtsstrudel. Als Amazon dann Ende Oktober noch die Analystenerwartungen mit Blick auf das Umsatzwachstum im dritten Quartal und dessen Prognose für das vierte verfehlte, war endgültig Ausverkaufsstimmung angesagt.  

Und so steht der Kurs der Aktie nun bei 1.663 Dollar. Ein deutlicher Abschlag zu den 2.039 Dollar aus dem September. Trotzdem allerdings ergibt sich für das Papier auf Jahressicht noch immer ein Plus von knapp 40 Prozent. Gemessen daran hat das Börsenjahr 2018 dann wohl kaum eine Aktie so gut überstanden, oder angesichts der Höhe des Anstiegs eher gemeistert, wie die von Amazon. Weshalb die jüngsten Abschläge durchaus eine – im Zuge von zu vielen ungünstigen Gegebenheiten auf einmal – unangemessene Übertreibung darstellen könnten. Auf der anderen Seite könnte sie auch einfach Ergebnis davon gewesen sein, dass die Erwartungen an den Konzern in Höhen vordrangen, in denen mehr der Wunsch Vater des Gedanken war, als eine realistische Bewertung.

Amazon überall

Doch ob nun das eine oder das andere, oder sehr wahrscheinlich beides, fakt ist: Der jüngste Kurssturz könnte Anlegern eine unverhofft günstige Einstiegsgelegenheit bieten. So deutlich wie in diesem Herbst ist der Kurs der Amazon-Aktie seit Anfang 2014 nicht mehr eingebrochen. Und der große Unterschied zu damals lautet: Inzwischen ist Amazon noch weit mehr als der größte Online-Händler der Welt und erwirtschaftet einen Rekordgewinn nach dem nächsten. Die Sparten, in denen die Amerikaner tätig sind, lassen sich kaum noch aufzählen, so viele sind es inzwischen und so undurchsichtig ist das Konzerngeflecht geworden. Ob nun die Entwicklung eines eigenen KI-Chips namens „Inferentia“, Video-Streaming, der Echo Dot-Lautsprecher mit Sprachassistentin Alexa, die Amazon-Business-Sparte, die eigenen Amazon-Go-Läden, die Übernahme der Biosupermarktkette Whole-Foods oder und ganz bestimmt nicht zuletzt die Cloud-Sparte-AWS als größter Gewinnlieferant im Konzern. Die Liste ist lang und bei weitem noch nicht vollständig. Amazon hat sich in einem beeindruckenden Tempo vom reinen Online-Versandhändler zum Mega-Tech-Konzern gewandelt, dabei jedoch eben jenen Online-Versand keineswegs vernachlässigt.

So sei der diesjährige Cyber Monday der beste Verkaufstag in der Geschichte des Unternehmens gewesen, teilte Amazon vor kurzem mit. Den Montag nach Thanksgiving und den Freitag davor, besser bekannt als Black Friday, zusammengenommen, hat Amazon nach eigenen Angaben allein 18 Millionen Spielsachen sowie 13 Millionen Modeartikel an den Kunden gebracht. Größter Verkaufsschlager soll die dritte Generation des sprachgesteuerten Echo Dot-Lautsprechers gewesen sein, welcher für Amazon das weltweit meistverkaufte Produkt darstellt. Umsatzzahlen veröffentlichte der Bezos-Konzern nicht, doch insgesamt soll der US-Internethandel um das besagte Wochenende herum gebrummt haben. Allein am Cyber Monday sollen die Umsätze laut Adobe Analytics um 19,7 Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar angestiegen sein.

Auch wenn durch das Extrem-Shopping um Thanksgiving ein Teil der Einkäufe aus dem Weihnachtsgeschäft zu oft niedrigeren Gewinnmargen vorverlagert werde, wie Moody’s-Experte David Beadle warnt, scheint angesichts solcher Zahlen wieder viel für neue Umsatzrekorde des Online-Handels im Weihnachtsquartal zu sprechen. Womit es auch nicht unbedingt eine Überraschung wäre, überträfe Amazon am Ende die eigenen, sehr vorsichtigen Prognosen, welche den jüngsten Kurssturz schließlich zu einem großen Teil mit zu verantworten haben. So kündigte Amazon an, dass das Erlöswachstum im Weihnachtsquartal irgendwo zwischen zehn und 20 Prozent liegen solle. Eine recht große und undefinierte Spanne. Erreicht Amazon nur ihr unters Ende, entspräche das einem Umsatz im Wert von 66,5 Milliarden Dollar. Analysten hatten im Schnitt mit 73,8 Milliarden Dollar gerechnet. Wie es tatsächlich ausgeht, bleibt abzuwarten, doch das ganz offensichtlich florierende Weihnachtsgeschäft und stark anziehende Umsätze in der Business-Sparte sprechen dafür, dass eher das obere Ende der Spanne erreicht wird.

Dank steigender Gewinne: Aktie wird immer günstiger

Vorsichtig präsentierte sich Amazon zuletzt auch mit Blick auf den anvisierten Gewinn zwischen Oktober und Dezember. Irgendwo zwischen 2,1 und 3,6 Milliarden Dollar soll er liegen. Im schlechtesten Fall würde er sich damit gegenüber dem Vorjahr kaum verändern. Doch gerade in Sachen Ergebnis, hat Amazon zuletzt Investoren wie Analysten immer wieder überrascht. So auch im abgelaufenen dritten Quartal, als der Nettogewinn von 256 Millionen im Vorjahr auf 2,9 Milliarden Dollar nach oben schoss. Damit stieg auch der Gewinn je Aktie von 0,52 auf 5,75 Dollar, was wiederum die Analystenschätzungen (3,14 Dollar) klar in den Schatten stellte. Mit Blick auf die ersten neun Monate 2018 stieg das Ergebnis je Aktie sogar noch deutlicher, nämlich von 2,39 US-Dollar 2017 auf nun 14,10 Dollar. Auch hier erscheint es gut möglich, das Amazon am Jahresende seine eigenen Erwartungen übertreffen kann. Die Cloud-Sparte AWS als derzeit wichtigster Gewinnlieferant wächst schließlich weiter in hohem Tempo, führt dazu ihr Marktsegment global an. Ein gutes Weihnachtsgeschäft könnte darüber hinaus dafür sorgen, dass auch der Online-Handel schwarze Zahlen schreibt. Die 2018 deutlich gestiegenen Gewinne und die jüngsten Kursverluste haben die Aktie zudem deutlich günstiger gemacht. Stand das KGV 2017 noch bei 185, liegt es für das laufende Jahr bei 82, der erwartete Wert für 2019 dann nur noch bei 61.

Wohl auch deshalb raten immer mehr Analysten zum Einstieg. Trotz der negativen Kursturbulenzen haben sie ihre Kursziele größtenteils bei über 2.000 Dollar belassen. Mit anvisierten 2.050 Dollar schätzen die Experten des japanischen Analysehauses Nomura die Aussichten noch eher defensiv ein. Wells Fargo und Jefferies schmeißen mit 2.100 und 2.300 Dollar schon höhere Ziele in den Raum. Und die US-Investmentbank Morgan Stanley glaubt in Person von Analyst Brian Nowak sogar an das Erreichen der 2.400-Dollar-Marke.  Bei dem derzeitigen Kurs von 1.663 Dollar entspräche dies einem Aufwärtspotenzial von 44 Prozent.

Wenn der Herbst für Amazon an der Börse also schon nicht golden war, vielleicht wird dann zumindest der Winter überraschend warm oder es spätestens im Frühling wieder richtig heiß.

Von Oliver Götz

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