Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Einer der größten Pharmahändler Europas sollte durch einen Mega-Deal diese Woche übernommen werden. Alles schien klar. Doch plötzlich kippte die Situation und das Geschäft platzte. Die geplante Übernahme Celesios durch McKesson wird zum Krimi.
Einer der größten Pharmahändler Europas sollte durch einen Mega-Deal diese Woche übernommen werden. Alles schien klar. Doch plötzlich kippte die Situation und das Geschäft platzte. Die geplante Übernahme Celesios durch McKesson wird zum Krimi.
Seit Herbst letzten Jahres wusste die Geschäftswelt von dieser Übernahme. Denn schon im Oktober kündigte die amerikanische McKesson Corporation an, den Stuttgarter Pharmahändler Celesio mehrheitlich übernehmen zu wollen. Als rote Linie setzten die Kalifornier die 75 Prozent-Marke. Erst wenn mindestens 75 Prozent der Celesio-Anteile zusammengekommen seien, könne das Geschäft starten. Kurz vor dieser roten Linie kam es dann zum Scheitern. Denn insgesamt wurden nur 72,33 Prozent der Celesio-Anteile McKesson zum Kauf angeboten. Wegen 2,67 Prozent erklärte McKesson den Deal letztlich für gescheitert.
Viele Aktionäre waren auf das Angebot eingegangen, ihre Aktien für 23 Euro an McKesson abzugeben. Aber offensichtlich nicht genug Aktionäre. Noch vor wenigen Wochen galt dies als ein lukratives Angebot für die Anleger. Der US-Hedgefonds Elliot, der 22,7 Prozent am MDax-Konzern hält, konnte die Offerte McKessons sogar noch auf 23,50 Euro heben. Allerdings geschah dies erst am Donnerstag letzter Woche, also nur rund elf Stunden vor Fristende. Elliot hat sicherlich zu lange gepokert, ist aber ebenso sicher nicht der einzige Beteiligte, der Fehler machte. „Mit diesem Ausgang ist niemand glücklich“, kommentierte ein Anleger das Dilemma. Einen großen Fehler machte auch Celesio, da sie den Aktionären nicht ausreichend klarmachten, dass Haniel und Elliot alleine nicht auf die nötige Mehrheit von 75 Prozent kommen. Haniel hält 50,01 Prozent des Unternehmens. Allerdings besteht das Kapital der AG nur zu 84 Prozent aus Aktien und zu 16 Prozent aus Wandelschuldverschreibungen. Haniel und Elliot kommen somit nur auf rund 62 Prozent der Aktien und eben nicht auf die geforderten 75. Haniel-Vorstandschef Stephan Gemkow hält fest: „McKesson wäre ein sehr guter Partner für die weitere strategische Entwicklung von Celesio gewesen. Insofern ist es natürlich schade, dass das Übernahmeangebot gescheitert ist.“
Aktie spekulativ interessant
Trotz des gescheiterten Übernahmeversuchs, bleiben die Stuttgarter ein Traumpartner für McKesson. Entweder probieren es die Amerikaner mit einem zweiten Angebot in einem Jahr, denn so lang müsste McKesson laut Übernahmegesetz warten. Oder: „Ein gemeinsames Joint Venture ist für uns eine Alternative“, erklärt der CEO von McKesson John Hammergren. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, sagte ein Börsianer und hatte damit eine ähnliche Meinung wie viele Analysten. Die Schweizer UBS hat beispielsweise die Einstufung für Celesio nach dem Scheitern der Übernahme durch McKesson auf "Neutral" mit einem Kursziel von 23 Euro belassen. Da die Aktie trotz des gescheiterten Deals bei 23 Euro notiere, sei es möglich, dass Elliot seinen Anteil auf 25 Prozent ausbauen wolle, schrieb Analyst Ian Douglas-Pennant in seiner Studie. Er sei davon überzeugt, dass McKesson Celesio schließlich übernehmen werde. Ob zum bisherigen Preis oder einer höheren Offerte, ist allerdings noch offen.
6,2 Milliarden Euro hätte McKesson es sich kosten lassen, um auf einen Schlag europaweit einer der führenden Pharmagroßhändler zu werden. Angaben zufolge würde aus dieser Fusion ein Konzern hervortreten, der weltweit 81.500 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von mehr als 111 Milliarden Euro vorzuweisen hätte. Momentan beschäftigt Celesio rund 38.000 Mitarbeiter.
Diese Übernahme hätte mehrere Probleme, mit denen Celesio aktuell zu kämpfen hat, gleichzeitig gelöst. Die meisten Konkurrenten haben sich durch Joint Ventures oder Fusionen international vernetzt. Celesio ist fast ausschließlich auf dem europäischen Markt tätig. Arzneimittelhersteller agieren international. Durch Größenvorteile im Geschäft mit den Herstellern lässt sich nun einmal das meiste Geld verdienen. „Celesio ist auch als eigenständiges Unternehmen gut und wettbewerbsfähig aufgestellt“, heißt es aus der Stuttgarter Zentrale.
Doch in Wahrheit ist der entgangene Deal schädlich für das 22 Milliarden Umsatz-Euro schwere Unternehmen. Schon bei der Betrachtung der operativen Margen fällt auf, dass McKesson mit 3,8 Prozent weit vor Celesio mit zuletzt 1,4 Prozent liegt.
In Deutschland wird der Pharmahandel schon fast von einem Oligopol dominiert. Fünf Großhändler bearbeiten den Markt: Darunter Phoenix aus Mannheim, Noweda aus Essen, Anzag aus Frankfurt (seit 2012: Alliance Healthcare Deutschland), Sanacorp mit Sitz in Planegg und eben Celesio. Eine gelungene Übernahme von McKesson hätte diese Struktur stark verändert. Nichtsdestotrotz waren die Spekulationen und der Weg hin zur - vorerst gescheiterten - Übernahme für Anleger sehr positiv. Seit dem Aufkeimen erster Gerüchte im Oktober letzten Jahres ist der Aktienwert um fast 50 Prozent gestiegen. Zuvor war jahrelang schon die 18-Euro-Marke eine unerreichte Grenze. Noch immer ist der Kurs recht hoch, viele Anleger halten die Aktien weiterhin. Momentan steht der Kurs bei 23,1 Euro.
Fazit: Für alle Beteiligten wäre eine geglückte Übernahme von Celesio durch McKesson besser gewesen. Trotzdem ist das Papier momentan so wertvoll wie seit Jahren nicht mehr. Analysten raten zum Halten der Aktien. Jetzt in Celesio zu investieren, ist allerdings riskant - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker. Die Margen des Stuttgarter Konzerns sind ebenso wie die Wachstumsaussichten eher bescheiden, doch ein zweites Übernahmeangebot ist realistisch.