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Aktien > Abstieg aus EuroStoxx 50 droht

Der Bayer-Crash

(Foto: Lukassek / Shutterstock)

Aus dem einst wertvollsten Dax-Unternehmen ist ein schwerkranker Börsen-Patient geworden. Auf dem Aspirin-Konzern lasten nicht nur zehntausende Glyphosat-Klagen, es fehlt auch die Zukunftsvision. Die Aktie fällt und fällt.

Im März könnte Bayer aus dem EuroStoxx Europe 50 fliegen. Es wäre das nächste unrühmliche Kapitel einer Geschichte, die für Bayer mit der Ankündigung der Monsanto-Übernahme 2016 begann und von einem beispiellosen Absturz einer großen deutschen Industrieikone erzählt. Mit dem Kauf des US-Saatgutherstellers hat sich Bayer zehntausende Klagen gegen dessen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat eingehandelt, das in Verdacht steht, krebserregend zu wirken. 63 Milliarden US-Dollar hat Bayer 2018 für Monsanto schlussendlich auf den Tisch gelegt – mehr als doppelt so viel, wie die Leverkusener heute, rund sechs Jahre später, an der Börse noch wert sind. Um rund 70 Prozent sind Bayer-Aktien in diesem Zeitraum abgestürzt. Mit rund 28 Euro notieren die Titel aktuell so tief, wie letztmals im Jahr 2005. Für Aktionäre bedeutet das null Kursgewinn auf Sicht von fast 20 Jahren. Währenddessen hat sich allein der Dax fast verdreifacht. Und nun ist auch noch die Dividende akut gefährdet.

Bayer hat sich mit dem Monsanto-Deal Risiken in unbestimmter Milliardenhöhe eingebrockt und Klage um Klage zeigt sich in den USA: diese Risiken werden so schnell nicht mehr verschwinden. Aktuell lägen 52.000 Glyphosat-Klagen vor, zu denen es noch kein Urteil gegebenen habe, schrieb UBS-Analyst Jo Walton in einer Studie zur Aktie. Vor kurzem erst wurde Bayer von einer Geschworenen-Jury in Philadelphia mit 2,2 Milliarden US-Dollar einmal mehr zu einer exorbitanten Schadenersatzzahlung verdonnert. Geklagt hatte ein an Krebs erkrankter US-Amerikaner. Diese hohen Schadenersatzforderungen haben am Ende meist keinen Bestand, weil Bayer stets in Berufung geht und in nächster Instanz Gerichte die Summe deutlich reduzieren. Die höchste Schadenersatzzahlung belief sich für Bayer bislang auf 86,7 Millionen Dollar an das Ehepaar Pilliod. Bei 52.000 offenen Klagen ist das aus Sicht der Deutschen dennoch eine besorgniserregend hohe Summe und für Anleger bleiben die Risiken schlicht unüberschaubar.

Bayer-Aktie

Längst jedoch geht es nicht mehr nur um Klagerisiken, im Herbst vergangenen Jahres brach die Bayer-Aktie an einem Tag um über 18 Prozent ein, weil der große Hoffnungsträger der Pharmasparte, der Gerinnungshemmer Asundexian, in der entscheidenden klinischen Studie floppte. Derweil laufen die Patente auf die aktuellen Gewinnbringer Xarelto, ebenfalls ein Gerinnungshemmer, und Eylea, ein Augenmedikament, Schritt für Schritt aus, womit in der Folge günstige Nachahmer-Produkte auf den Markt schießen. Es fehlt damit nun auch im Kerngeschäft an einer innovativen Medikamenten-Pipeline. Die Schlagzeilen bestimmen im Sektor seit Jahren Konkurrenten, wie jüngst Novo Nordisk und Eli Lilly mit ihren Diabetesmedikamenten, die auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden können. Bayer braucht hier dringend Erfolge, wonach es aktuell jedoch nicht aussieht. Eine zusätzliche Herausforderung: Medikamenten-Einführungen gehen teils jahrzehntelange und milliardenteure Forschungsarbeiten voraus. Geld, das Bayer nicht hat, weil das Management Milliardenrückstellungen in Bezug auf die Glyphosat-Klagen tätigen muss.

Hinzu kommt: für das dritte Quartal 2023 meldete Bayer in allen Divisionen ein rückläufiges Ergebnis. Das Ebitda vor Sondereinflüssen sank um 31,3 Prozent auf 1,68 Milliarden Euro, das Konzernergebnis rutsche vor allem aufgrund zinsbedingter Wertminderungen in der Crop Sience-Sparte mit 4,57 Milliarden Euro ins Minus. Hier sind es nicht die Glyphosat-Klagen, aber die hohen Schulden, die aus der der Monsanto-Übernahme resultieren, die den Konzern nun finanziell belasten.  

Bayer braucht einen Neuanfang und damit einhergehend wieder eine klare Geschäftsidee, die man seinen Investoren verkaufen kann. Das fordern inzwischen nicht mehr nur letztere, das haben die Leverkusener jetzt selbst erkannt. Richten soll es Bill Anderson, der im Juni vergangenen Jahres als Konzernchef auf Werner Baumann nachfolgte. Eine große Umstrukturierung soll her, die zunächst aber wohl ohne eine Aufspaltung des Konzerns in seine Einzelteile auskommen soll. Eine solche hatten Investoren zuletzt vermehrt gefordert. Der Gedanke: für sich stehend könnten die einzelnen Sparten mehr Wert freisetzen. Doch Anderson will nun offenbar erst einmal abwarten, lieber die Art der Arbeit und die Strategie des Gesamtkonzerns verändern. Das Motto: Verschlankung. Heißt: Stellenabbau, auch und nicht zuletzt auf Managementebene. In den USA soll die Anzahl an Managern bei Bayer schon um rund 40 Prozent reduziert worden sein. Damit einhergehend soll aus einem behäbig wirkenden Tanker wieder ein wendiges Schnellboot werden. Anderson monierte zuletzt wiederholt, dass bei Bayer zu viele übereinander gelagerte Management-Ebenen die Prozesse verlangsamten.

Das Problem: eine grundlegende Umstrukturierung scheint zwar mehr denn je geboten, doch auch eine solche räumt weder die Glyphosat-Risiken vom Tisch, noch hilft sie kurz- bis mittelfristig dabei, die Medikamentenpipeline besser zu befüllen. Neben diesen hausgemachten Problemen kommt die schwierige Lage am Gesamtmarkt hinzu. Die chemische Industrie lechzt in Deutschland unten hohen Energiepreisen, global betrachtet bereitet vor allem eine schwache Nachfrage Sorgen. Darunter leidet beispielsweise Bayers Consumer Health Sparte.

Für Anleger bietet die Bayer-Aktie aktuell schlicht keine attraktive Comeback-Story an. Im Normalfall würden Value-Investoren bei Umstrukturierungsankündigungen und der günstigen Bewertung wohl aufmerksam werden. Doch bei Bayer scheinen Anleger endgültig die Geduld verloren zu haben. Das Risiko ist zu hoch für das, was Bayer an Chancenpotenzial anbietet. Und so könnte die Aktie ihren Abwärtstrend sogar noch fortsetzen. 2024 steht auch schon ein Minus von rund 20 Prozent zu Buche.

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