Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Aktien >

Daimler holt auf

Daimler-Chef Dieter Zetsche hat viel Kritik einstecken müssen. Audi und BMW seien auf der Überholspur. Daimler werde alt und mache Fehler. Doch nun erlebt Zetsche mit seiner Strategie eine späte Genugtuung – und die Aktie zeigt neue Stärke.

BÖRSE am Sonntag

Miserable Crashtest-Ergebnisse für den neuen Transporter, fallende Gewinne, die Rücknahme der Prognosen für den Konzern, miserable Imagewerte bei jungen Käufern. Daimler schien in den letzten Quartalen Sand im Getriebe zu haben. Die Marktanteile fielen, die Gewinnmargen auch, die technologische Entwicklung drohte zu stocken: Ob Brenstoffzelle, Elektromodelle oder Hybride – überall hinkte Daimler hinterher. Das China-Geschäft lief zwar, aber längst nicht so gut wie bei der Konkurenz und auch im Kleinwagensegment waren Audi und BMW besser unterwegs. Selbst in der einstigen Domäne – bei den Qualitätstests - fiel Daimler hinter andere zurück.

Obendrein fehlte nach wie vor ein starker Großaktionär und es brach ein Machtkampf aus. Die Börse hoffte auf einen raschen Chefwechsel zu Produktionsvorstand Wolfgang Bernhard, dem der Ruf eines harten Kostensenkers vorauseilt. Gerüchte wurden gestreut, dass der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche vorzeitig abgelöst werde. Und dann platzte die Bombe: Im Februar verlängerte der Aufsichtsrat Zetsches Vertrag überraschend nur um drei statt fünf Jahre. Ein angezählter Konzernchef schien in die letzte seiner Runden zu taumeln. Die Medien begannen mit Abgesängen.

Doch wenige Monate später dreht sich das Blatt. Daimler produziert plötzlich wieder gute Nachrichten und an der Börse feiert die Aktie ein spektakuläres Comeback. Selbst über Zetsche sprechen die strengen Analysten inzwischen milder. Ein Grund dafür sind die überraschend guten Absatzzahlen. Trotz einer Schwäche auf dem Heimatmarkt hat der Autohersteller einen neuen Absatzrekord für den Monat Mai aufgestellt. Weltweit setzten die Schwaben 130.040 Autos ab. Das waren 6,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Mit den neuen Kompaktmodellen der A- und B-Klasse sowie des CLA verbuchte Daimler einen Absatzsprung von satten 65,6 Prozent. Die neue E-Klasse und das neue kompakte Coupé CLA seien gerade erst in den großen Märkten angelaufen, erklärte Joachim Schmidt, Vertriebschef bei Mercedes-Benz Cars. Im Juli wird die neue S-Klasse bei den ersten Händlern stehen. Das heißt: Die Comeback-Party hat gerade est begonnen. Für die kommenden Quartale dürfte Daimler die Branche mit guten Zahlen überraschen.

Die neuen Modelle sorgten insbesondere für ein Plus in Asien: In Japan legte der Absatz im Mai um 60,4 Prozent zu. In China legte Daimler um sieben Prozent zu – endlich, nach einer Serie schwacher Daten. Und selbst im krisengeschüttelten Europa trotzte der Autohersteller der Konjunkturflaute. Für die gesamte Region verbuchten die Schwaben ein Plus von 4,9 Prozent. Das Wachstum war getragen von guten Absatzzahlen in Großbritannien, Russland sowie der Türkei.

In Nordamerika und Mexiko (USA, Kanada und Mexiko) legte der Absatz sogar um 9,1 Prozent zu. In den USA ist Daimler inzwischen wieder richtig auf der Überholspur. Den fünften Monat in Folge konnte die US-Niederlassung der Daimler AG Absatzrekorde feiern. Der Wonnemonat Mai brachte einen Zuwachs von 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. 27.359 Pkw der Marke Mercedes-Benz, Smart und Sprinter wurden verkauft. Besonders gut seien die Modelle C-, E- und M-Klasse verkauft worden.

In den Bilanzkennzahlen dürfte langsam aber auch das vielfach veschmähte Zetsche Programm „Fit for Leadership“ positiv zu Buche schlagen. Die Kostenreduzierung und Produktivitätssteigerung läuft. „Was die Rendite angeht, werden wir zunächst einmal sehen, dass die Entwicklung im zweiten Quartal eine Positive sein wird“, kündigte Konzernchef Dieter Zetsche bereits an. Die LKW- und Bussparte kommt gestärkt aus der Krise. Zugleich wird der massive Innovationschub bei den herkömmlichen Pkw-Serien ergänzt durch 13 völlig neue Modelle bis 2020. Zetsche ordnete zugleich das Chinageschäft endlich erfolgreich.

Für das zweite Halbjahr 2013 erwartet Mercedes-Benz vor allem dank der Einführung der völlig neu entwickelten S-Klasse deutliche Zuwächse im Luxussegment. Als wichtigste Modellneuheit des Jahres 2013 wird die neue S-Klasse mit richtungsweisenden Innovationen neue Maßstäbe in Bezug auf komfortables und sicheres Fahren setzen, die unter dem Dachbegriff „Mercedes-Benz Intelligent Drive“ zusammengefasst sind.

Und so bekommt Daimler offenbar die Wende hin. In den langen, quälenden Umbruchmonaten hat Zetsche den Konzern eben doch auf Vordermann gebracht und feuert nun seine in Ruhe vorbereitete Kaskade von Produktneuheiten ab. Mit ein wenig Glück könnte auch der deutsche und europäische Markt alsbald wieder ins Positive drehen und den Zetsche-Frühling verlängern. Die Daimler-Aktie zeigt bereits seit einigen Wochen relative Stärke. Das war in den letzten Jahren ja überhaupt nicht der Fall. Im Vergleich zum Crash-Tief Anfang März 2009 erreichten VW-Aktien mit 400 Prozent Kursgewinn mit Abstand die beste Performance, den zweiten Platz belegte BMW mit rund 220 Prozent. Aktionäre von Daimler müssen sich hingegen mit lediglich 140 Prozent zufrieden geben. In diesem Jahr sieht der Börsenvergleich hingegen ganz anders aus. Nicht nur die Kunden freuen sich offenbar auf die S-Klasse, auch die Daimler-Aktie zeigte zuletzt Bewegung und führt im Branchenranking die Gewinnerliste seit Jahresanfang deutlich an.

Selbst die kritischen Investmentbanken loben die Schwaben nun wieder. Goldman Sachs hat das Kursziel für die Aktie von 57 auf 66 Euro erhöht und die Einstufung auf „Conviction Buy“ vorgenommen. Auch andere Analysten wollen eine „Comeback-Story“ erkennen. Die US-Bank JP Morgan hat das Kursziel auf 53 Euro festgelegt. Die Deutsche Bank sieht gar 60 Euro. Die Experten der Commerzbank erwarten die Daimler-Aktie bei 55 Euro erst als fair bewertet. Und auch Charttechniker sind optimistisch: „Die Daimler-Aktie bildet aktuell eine klassische Wimpelformation aus, die eher konsolidierenden Charakter hat“, meint Jörg Scherer von HSBC Trinkaus & Burkhardt. Er sieht beim Ausbruch aus dem „Wimpel“ nach oben ein Kursziel von 58 Euro locken.

Was fundamental orientierte Analysten betonen: Der Stuttgarter Autobauer schaffe wieder Werte, nachdem er diese ein Jahrzehnt lang vernichtet habe. Der Tiefpunkt der Entwicklung dürfte im vergangenen Winter durchschritten worden sein. Totgesagte leben mal wieder länger. Zetsche könnte am Ende in drei Jahren doch noch als großer Sieger das Feld verlassen. In Anbetracht der lebhaften Nachfrage hat das Unternehmen jedenfalls auf die Werksferien verzichtet – es wird wieder durchgeschafft bei den Schwaben. Auch kein schlechtes Zeichen.