Die Dax-Lieblinge der Analysten
Drei Aktien aus Deutschlands Leitindex sind bei den Börsenprofis besonders beliebt. Den Papieren eines Pharmakonzerns trauten die Experten – stand Juli – sogar ein Kurspotenzial von fast 40 Prozent zu.
Drei Aktien aus Deutschlands Leitindex sind bei den Börsenprofis besonders beliebt. Den Papieren eines Pharmakonzerns trauten die Experten – stand Juli – sogar ein Kurspotenzial von fast 40 Prozent zu.
Analysten bewerten Aktien. Sie arbeiten für Banken, Finanzdienstleister oder Researcher und geben regelmäßig Empfehlungen zu einzelnen Papieren ab. In Kombination mit einem festgelegten Kursziel lauten diese dann Kaufen, Verkaufen, Halten, Übergewichten oder Untergewichten.
Analysten haben nicht immer Recht. Sie geben nur eine Einschätzung ab und der Blick in die Glaskugel ist an der Börse risikobehaftet. Die Studien und Prognosen der Profis sollten für Anleger aber dennoch einer von mehreren Anhaltspunkten bei der Titelauswahl sein. Die Experten von JPMorgan, Goldman Sachs und Co. studieren Bilanzen, Branchentrends und das gesamtwirtschaftliche Umfeld, nehmen darüber hinaus an Analystencalls und sonstigen Konferenzen teil. Sie sind nah dran am Management der Firmen, am Marktgeschehen sowieso.
Analysten begründen ihre Einschätzungen fundamental, wenngleich diese teilweise für eine Aktie weit auseinander liegen. Der Durchschnitt aus vielen Einschätzungen kann Anlegern aber zweifellos Orientierung geben. Wer aufgrund eines immer empfehlenswerten Selbststudiums von einem Unternehmen und dessen Aktie überzeugt ist, kann die Analystenempfehlungen beispielsweise als das Zünglein an der Waage nutzen. Häufig sehen die Profis noch einen versteckten Haken oder finden das letzte überzeugende Detail im Jahresabschluss.
Das Kurspotenzial einer Aktie gemessen an den Analystenschätzungen ist immer eine Momentaufnahme. An den genauen Prozentangaben sollten sich Anleger daher nicht orientieren, sie schwanken, sobald der Kurs schwankt. Schließlich werden die Einschätzungen der Experten nicht Tag um Tag neu angepasst. Wer tagesaktuell sein möchte, schaut auf das durchschnittliche Kursziel und rechnet davon ausgehend das Potenzial der Aktie selbst aus.
Das Handelsblatt und die Datenanalysefirma Refinitiv haben in einer im Juli veröffentlichten Studie 2.000 Analystenempfehlungen zu den in Dax, MDax und SDax notierten Unternehmen untersucht. Unter den sechs Aktien mit dem höchsten Kurspotenzial landeten ausschließlich Papiere aus den beiden Nebenwerte-Indizes.
Der Deutschen Beteiligungs AG trauten die Experten im Schnitt ein Plus von 40 Prozent zu, dem Motorenhersteller Deutz 50 Prozent, dem Solar- und Windpark-Konstrukteur Energiekontor sogar 87 Prozent. Hohe Kurssteigerungen erwarteten die Profis mit einem Plus von 50 Prozent außerdem beim Biotech-Unternehmen Evotec, sowie mit prognostizierten Kurssteigerungen von 42 und 50 Prozent beim IT-Dienstleister Kontron und dem Brennstoffzellen-Hersteller SFC-Energy. Man muss dazu jedoch wissen: Nebenwerte werden meist von deutlich weniger Analysten gecovert als die großen Standardwerte aus dem Dax. Damit verliert der Durchschnitt an Aussagekraft. Die Deutsche Beteiligungs AG bewerten aktuell beispielsweise nur sechs Analysten, Energiekontor nur fünf. Aktien mit weniger als vier verschiedenen Einschätzungen, wurden in der Studie von vorneherein ausgeschlossen. Spannend ist daher vor allem der Blick auf die drei Dax-Lieblinge der Analysten.
Deutsche Telekom
Das im Schnitt dritthöchste Kurspotenzial im Dax trauten die Experten im Juli den Papieren der Deutschen Telekom (plus 30 Prozent) zu. Die Aktie allerdings hat im August erst einmal weiter nachgegeben, womit das durchschnittlich erwartete Kursplus Daten von finanzen.net zufolge inzwischen sogar bei über 40 Prozent liegt. JP-Morgan-Analyst Akhil Dattani liegt mit seinem Kursziel von 29,50 Euro sogar fast 60 Prozent über dem aktuellen Kurs. Die Telekom-Aktie lockt mit einem defensiven Geschäftsmodell und einem hohen Anteil an planbaren, wiederkehrenden Umsätzen. Die Geschäfte der Tochter T-Mobile US haben dem Konzern in den vergangenen Jahren zudem kräftiges Wachstum beschert. Der Umsatz betrug im Geschäftsjahr 2022 114,4 Milliarden Euro, der bereinigte Gewinn 9,1 Milliarden Euro. Gemessen daran ist die Aktie günstig bewertet. Das KGV liegt bei 7,0. Die Dividendenrendite bei ansehnlichen 4,0 Prozent.
Die zuletzt schwache Kursentwicklung resultiert aus der Ankündigung Amazons in das Mobilfunkgeschäft einsteigen zu wollen. Das könnte vor allem T-Mobile US Kunden kosten. Auch Elon Musks Satelliteninternet via Starlink könnte etablierten Mobilfunkunternehmen wie der Telekom in Zukunft Marktanteile streitig machen. Darüber hinaus hat kein Dax-Konzern mit rund 133 Milliarden Euro so hohe Schulden wie die Telekom. Bei den nun wieder höheren Zinsen kann das noch zur Belastung werden, wenn auslaufende Kredite erneuert werden müssen. Unter Analysten überwiegt aber offenbar der Optimismus vor dem Hintergrund der nach wie vor starken fundamentalen Performance von T-Mobile US. Analyst Robert Grindle von der Deutschen Bank lobte in einer Studie die Ergebnisse und angehobenen Jahresziele der Tochter im zweiten Quartal. Auch er setzt mit 29 Euro ein hohes Kursziel.
Infineon
Mit 32 Prozent das zweithöchste Kurspotenzial hatte im Juli laut Studie der Chiphersteller Infineon. Tatsächlich traf aber auch Infineon ein Kursrutsch Anfang August, der die Aktie binnen eines Tages um fast zwölf Prozent vergünstigte. Obwohl manche Analysten ihre Kursziele nach unten korrigierten, liegt das von den Experten im Schnitt erwartete Kursplus finanzen.net zufolge nun bei knapp 40 Prozent. Infineon erzielte von April bis Juni eine Gewinnsteigerung von 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das reichte jedoch nicht um den sehr hohen Erwartungen des Marktes gerecht zu werden. Der Vergleich zum Vorquartal nämlich zeigt, dass sich das Wachstum deutlich abschwächt. Der Gewinn stieg dann nur noch um ein Prozent auf 831 Millionen Euro, der Umsatz schrumpfte um ein Prozent auf 4,1 Milliarden Euro. Das wichtige Segmentergebnis, das den operativen Erfolg misst, ging sogar um zehn Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zurück, die Segmentergebnismarge um 2,5 Prozentpunkte auf 26,1 Prozent. Der Lagerbestand bei Infineon liege in etwa ein Viertel über dem üblichen saisonalen Niveau, schrieb JP Morgan-Analyst Sandeep Deshpande. Das sei der schlechteste Wert für den in Neubiberg ansässigen Konzern in zwanzig Jahren.
Mittel- bis langfristig betrachtet befindet sich Deutschlands Chipkrösus jedoch nach wie vor auf einem Wachstumspfad. Das belegen auch die Milliardeninvestitionen in neue Werke in Dresden und Malaysia. UBS-Analyst Francois-Xavier Bouvignies beließ sein Kursziel deshalb bei 49 Euro, womit er sogar 45 Prozent Kurswachstum erwartet. Die Profitabilitätssorgen würden übertrieben, schrieb er.
Merck
Spitzenreiter, was das Kurspotenzial anbelangt, war laut Studie der Pharmakonzern Merck. Die Analysten trauten den Darmstädtern im Schnitt 38 Prozent Kurswachstum zu. Die Aktie hat sich seit Anfang Juli gut entwickelt, womit das durchschnittliche Kurspotenzial für den Moment nur noch bei rund 25 Prozent liegt. Über das erste Halbjahr hinweg war der Kurs allerdings um ein Viertel gesunken. Der Konzern kämpft mit weniger Nachfrage nach seinen Laborprodukten, die während der Corona-Pandemie einen Boom erfahren hatten. Darüber hinaus trifft auch Merck die Schwäche des Halbleitersektors. Insgesamt waren die Erwartungen von Anlegern ob der letzten zwei Jahre wohl etwas zu hoch angesetzt. Im zweiten Quartal sanken nun Umsatz und Ergebnis, zudem senkte das Management die Jahresziele. Das mittelfristige Wachstumsziel ließ CEO Belen Garijo allerdings unverändert. 2025 sollen es also weiter 25 Milliarden Euro Umsatz werden. Wohl auch deshalb ist das Groß der Analysten so zuversichtlich.
OG
Lesen Sie auch: Megatrend Luxus