Evotec: Strategiewechsel wirkt
Die seit 2009 verabreichte Medizin in Form eines radikalen Strategiewechsels wirkt, wie die jüngst vorgelegten Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2011 zeigen. Das Biotechnologieunternehmen erwirtschaftete das zweite Jahr hintereinander schwarze Zahlen. Evotec scheint damit den Weg einer nachhaltig gesunden Geschäftsentwicklung eingeschlagen zu haben. Davon könnten sich auch die Investoren weiter anstecken lassen.
Bereits in den vergangenen Monaten war die Aktie der Biotechfirma gefragt. Seit dem Zwischentief im August 2011 kletterte sie um mehr als 80%. Die kräftige Korrektur ausgehend vom Mehrjahreshoch im Januar 2011 wurde damit größtenteils wieder aufgeholt. Mit dem deutlichen Anstieg in der vergangenen Woche setzte sich der Preis nun vom 61,8%-Fibonacci-Retracement besagter Korrektur nach oben ab, sodass dieses nachhaltig überwunden scheint, was für weitere Zuwächse sprechen könnte. Als erstes Kursziel könnte die Region um 3,48 Euro infrage kommen.
Erwartungen übertroffen
Jüngst für Rückenwind sorgten die starken Geschäftszahlen 2011, die wohl selbst die kühnsten Erwartungen der sich seit einiger Zeit abzeichnenden sehr guten Entwicklung übertroffen haben. Evotec erreichte oder toppte die im Jahresverlauf mehrmals angehobenen Ziele. Zuletzt hatte es im September eine solche Anpassung gegeben, angesichts der vereinbarten Lizenzvereinbarung mit dem Pharmariesen Roche zur Entwicklung und Kommerzialisierung der Substanz EVT 302, dem sogenannten MAO-B-Inhibitor von Evotec, der das Fortschreiten der Alzheimerkrankheit verlangsamen soll. Im Rahmen dieser geschlossenen Vereinbarung bekam Evotec eine Vorabzahlung von 6,9 Mio. Euro. Sie war ein Grund für das kräftige Umsatzplus 2011 von 45% auf 80,1 Mio. Euro. Außerdem profitierte die Gesellschaft von Akquisitionen sowie den vielen Forschungskooperationen mit großen Pharma- und Biotech-Firmen, was sich in gestiegenen Meilenstein- und Lizenzzahlungen widerspiegelte. Trotz des deutlichen Umsatzanstiegs und der durch Zukäufe enthaltenen Umsätze mit niedrigeren Gewinnspannen lag die Bruttomarge mit 43,7% nur minimal unter dem Vorjahreswert von 44,1%. Außerdem gab es bei den Erträgen kräftige Zuwächse, die sogar trotz strategischer Wertberichtigung im vierten Quartal deutlicher stiegen als die Einnahmen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) nahm von 1,7 auf 5,2 Mio. Euro zu. Nach Steuern stieg der Profit von 3 auf 6,7 Mio. Euro. Damit schrieb die 1993 gegründete Firma das zweite Jahr in Folge schwarze Zahlen.
Aktionsplan fruchtet
Der 2009 unter der Maxime „Aktionsplan Evotec 2012 – Fokus und Wachstum“ eingeleitete Strategiewechsel fruchtet damit immer mehr. Evotec verabschiedete sich seinerzeit größtenteils von der risikoträchtigen Forschung und Entwicklung eigener Medikamente und senkte die dafür vorher ausgegebenen Ausgaben massiv. Fortgeschrittenere klinische Studien bei den bestehenden werthaltigsten Projekten werden seither in Kooperationen mit Pharmaunternehmen durchführt, die diese Entwicklungsprogramme finanzieren. Der Deal mit Roche von September 2011 ist ein Beispiel dafür. Während der Partner für die klinische Entwicklung, Herstellung und Kommerzialisierung zuständig sein wird und auch die Kosten und damit den Großteil der Risiken trägt, bietet sich für Evotec die große Chance, durch Vorab-, Meilenstein- und Lizenzzahlungen und später durch Umsatzbeteiligung vergleichsweise risikolos davon zu profitieren.
Wirkstoffsuche für Partner
Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen der geänderten Strategie war der wieder deutlich verstärkte Fokus auf das risikoärmere Kerngeschäft: die Wirkstoffsuche für große Pharma- und Biotechnologiekonzerne, um dann mit Forschungsallianzen und Entwicklungspartnerschaften neue pharmazeutische Produkte zu entwickeln. Evotec bietet in diesem Tätigkeitsfeld weltweit unabhängige und integrierte Dienstleistungen, angefangen bei der Identifizierung von Wirkstoffkandidaten bis hin zur klinischen Entwicklung. Wohl ein Geschäft mit Zukunft reduzieren Pharmafirmen doch vermehrt ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Zuge von Effizienzsteigerungen. Außerdem werden Wirkstoffe für potenzielle neue Medikamente immer häufiger eingekauft oder lizenziert. Von diesem Trend profitieren Firmen, die gezielt nach Wirkstoffen suchen und diese Suche als Dienstleistung anbieten oder gefundene potenzielle Wirkstoffkandidaten für Präparate in Form von Kooperationen und Entwicklungspartnerschaften vermarkten. Evotec sieht sich in diesem Bereich einzigartig positioniert, dank erstklassiger Wissenschaftler, modernster Technologien sowie umfangreicher Erfahrung und Expertise in wichtigen Indikationsgebieten wie Neurowissenschaften, Schmerz, Stoffwechselerkrankungen, Krebs und Entzündungskrankheiten. Insgesamt zählen mehr als 20 Pharma- und Biotech-Firmen zu den Kunden.
Weichen sind gestellt
Ziel des „Aktionsplans 2012“, der laut Unternehmen nun vor dem Abschluss steht, war es, spätestens 2012 profitabel zu wirtschaften und die Weichen für eine nachhaltig profitable Entwicklung zu stellen, in dem sich Evotec auf langfristige Allianzen im Bereich Wirkstoffforschungslösungen konzentriert sowie erfolgsbasierte Entwicklungspartnerschaften eingeht. Mit den 2011 abgeschlossenen wichtigen Neuverträgen, Vertragsverlängerungen und -erweiterungen sowie den bedeutenden Fortschritten in den aktuell laufenden Programmen scheint ein weiterer Beweis erbracht, dass die Rechnung aufgeht. Firmenlenker Werner Lanthaler sieht daher sein Unternehmen weiter auf Kurs. 2012 soll der Umsatz auf 88 bis 90 Mio. Euro zulegen und die Profitabilität weiter steigen, wobei er auf das prall gefüllte Auftragsbuch, die absehbaren Neuverträge und Vertragsverlängerungen sowie guten Aussichten auf das Erreichen von Meilensteinen verwies. Darüber hinaus definierte er die nächsten mittelfristigen Ziele im Rahmen des „Aktionsplans 2016 – Marktführer für Wirkstoffforschungslösungen“. Evotec soll vom Stadium der Restrukturierung zu einem nachhaltig profitablen Wachstum übergehen. Zudem will die Gesellschaft eine langfristige Führungsposition im Markt für Wirkstoffforschungslösungen erreichen. Das alles soll sich natürlich auch in den Ergebnissen niederschlagen. Evotec will bis 2016 ein jährliches prozentual zweistelliges Umsatzplus erwirtschaften und dabei die Gewinne weiter deutlich steigern.
Fazit
Mit den jüngst vorgelegten Zahlen für das Geschäftsjahr 2011 unterfüttert Evotec die Annahme, dass die Gesellschaft nach dem Strategiewechsel nun auf einen nachhaltig profitablen Wachstumskurs eingeschwenkt ist. Mehr und mehr verdichtet sich damit der Eindruck eines tragfähigen Geschäftsmodells, das von dem Trend profitieren dürfte, dass künftig immer mehr Pharmafirmen im Zuge von Effizienzsteigerungen ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auslagern und sich zudem Wirkstoffe für potenzielle neue Medikamente einkaufen oder lizenzieren. Evotec könnte ein Nutznießer dieser Entwicklung sein. Allerdings sind, wie in der Branche üblich, auch immer wieder Rückschläge mit einzukalkulieren, was im Fall von Evotec angesichts der im Verhältnis zur Firmengröße zwar sehr soliden, aber ansonsten vergleichsweise geringen Kapitalstärke ein nicht zu vernachlässigendes Risiko ist. Entsprechend sind wegen der zweifellos vorhandenen großen Chancen eventuell eingegangene spekulative Long-Positionen daher bezüglich Positionsgrößen und Risikomanagement angemessen zu verwalten.