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freenet: Mehr Klasse statt Masse!

Nach unerwartet guten Zahlen für das Geschäftsjahr 2009 startete die freenet-Aktie im Februar durch. Von der 11-Euro-Marke prallte der Kurs allerdings wieder zurück. Der Mobilfunkkonzern hat die milliardenschwere Debitel-Übernahme recht gut verkraftet, auch wenn dazu das Tafelsilber verscherbelt werden musste. Operativ sind die Margen aber noch niedrig. Das will freenet-Vorstandschef Christoph Vilanek ändern. Durch neue Geschäftsfelder und die Konzentration auf Multimedia-Handys will er den Gewinn vor Steuern trotz rückläufiger Erlöse steigern.

BÖRSE am Sonntag

Die Zeit des ungebremsten Wachstums in Deutschland ist vorbei, der Mobilfunkmarkt weitgehend gesättigt. Statistisch telefoniert jeder Deutsche mit 1,36 Handys. Nur durch Akquisitionen oder Kampfpreise können Anbieter noch Marktanteile gewinnen. Beide Wege sind teuer: Übernahmen treiben die Verschuldung nach oben, Billigtarife den Gewinn nach unten. Die freenet-Zahlen für 2009 sprechen da eine deutliche Sprache: Nur dank der Debitel-Übernahme im Sommer 2008 wuchs der Umsatz um 31% auf 3,6 Mrd. Euro. Das Betriebsergebnis erreichte lediglich 121 Mio. Euro. Nach Zinsen und Steuern wäre davon kaum etwas übrig geblieben, hätten nicht die Verkäufe des DSL-Geschäfts an United Internet und der Strato-Gruppe an die Deutsche Telekom für einen außerordentlichen Gewinn von über 240 Mio. Euro gesorgt. Unterm Strich erwirtschaftete freenet einen Überschuss von 256 Mio. oder zwei Euro je Aktie. Der Großteil der für die Bereiche DSL und Strato eingenommenen 410 Mio. Euro diente zwar der Kredittilgung. Aber für eine Dividende von 20 Cent reicht das Geld locker. Aufgrund von Verlustvorträgen bekommen Inländer die Ausschüttung nach der Hauptversammlung im Juli steuerfrei.

Dividende steigt

Für 2010 peilt Vilanek sogar eine Dividende von bis zu einem Euro je Aktie an. Und das, obwohl der Umsatz zurückgeht, weil sich freenet auf margenstarke Kunden konzentriert. Beim Ergebnis vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern erwartet Vilanek 350 bis 380 Mio. Euro, ungefähr so viel wie im Vorjahr. Der Gewinn vor Steuern soll hingegen höher ausfallen als 2009. Das entspricht einem Gewinn von mehr als 13 Cent je Aktie. Kein Wunder, dass Aktionäre und Analysten bei dieser Prognose nicht vor Freude in die Luft springen. Viele Anteilseigner nehmen also erst einmal Gewinne mit - nachvollziehbar, schließlich hat sich der Kurs des TecDAX-Titels innerhalb eines Jahres vervierfacht. Einige skeptische Analystenkommentare tun ein Übriges. Die WestLB zum Beispiel stuft freenet von „Buy“ auf „Add“ zurück. Die Folge: Binnen Kurzem verliert freenet mehr als 10%. Positive Stimmen finden wenig Gehör. So rät die US-Investmentbank Morgan Stanley weiter dazu, die Aktie im Portfolio überzugewichten. Das Kursziel von 14 Euro liegt um mehr als 40% über dem aktuellen Niveau. Die Deutsche Bank hält sogar noch höhere Notierungen für realistisch. Mitte Februar gab sie ein Kursziel von 15,50 Euro aus.

Hoher Schuldenberg

Als Begründung führen die Analysten vor allem zwei Faktoren an. Zum einen sprudelt der Cashflow reichlich. Bewertungsmodelle, die auf abgezinsten Zahlungsströmen basieren, errechnen daher einen fairen Preis je freenet-Aktie von annähernd 20 Euro. Allerdings wird der Cashflow noch auf Jahre hinaus der Kredittilgung dienen. Immerhin schiebt der Konzern einen Schuldenberg von netto 790 Mio. Euro vor sich her. Zum anderen ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) relativ niedrig. Auf Basis der durchschnittlichen Analystenschätzung für das laufende Jahr errechnet sich ein KGV von weniger als zehn. Für 2011 liegt der entsprechende Wert sogar nur bei rund neun. Das Unternehmen beurteilt die Ertragsentwicklung aber wesentlich zurückhaltender. Möglicherweise sind die Analysten etwas zu optimistisch. Denn in den vergangenen Monaten trennten sich Großaktionäre reihenweise zu Kursen unter zehn Euro von ihren Papieren: Im September und Januar verkaufte Permira ein knappes Viertel an freenet. Anfang Januar stieg der niederländische Finanzinvestor Cyrte Investment aus und veräußerte seinen Drei-Prozent-Anteil. Bereits im August hatte United Internet seine Quote von rund 25% auf knapp 17% verringert. Den Rest wird das Unternehmen wohl auch noch platzieren.

Charttechnisch aussichtsreich

Für substanzorientierte Investoren ist die freenet-Aktie ohnehin zu riskant. Immaterielle Vermögenswerte wie Kundenbeziehungen, Markenrechte und der bei Übernahmen gezahlte Goodwill übersteigen das bilanzielle Eigenkapital um rund 800 Mio. Euro. Vielleicht ist trotzdem jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um in freenet zu investieren. Die verkaufswilligen Anteilseigner sind im Großen und Ganzen ausgestiegen, und aus charttechnischer Sicht stehen die Chancen nicht schlecht. Der mittelfristige Aufwärtstrend ist intakt, solange die Unterstützung bei 8,80 Euro hält. Bei neun Euro verläuft zudem der 200-Tage-Durchschnitt. Ein gutes Zeichen war auch der im Februar erfolgte Ausbruch über den Widerstand von 10,50 Euro. Kann sich der Kurs demnächst über diesem Niveau etablieren, ist erst einmal Luft bis zwölf Euro.

In höhere Kursregionen vorzustoßen, wird jedoch schwer. Denn der Wettbewerb um Kunden ist hart, gerade um die umsatzstarken Nutzer von Smartphones ringen die Vertriebsorganisationen mit aller Macht. Schließlich bringt das Surfen im Internet und das Versenden von E-Mails Netzbetreibern mehr Gewinn als das Telefonieren und SMS verschicken. Standardnutzer achten immer stärker auf den Preis, während der typische Prepaid-Kunde zu wenig Umsatz generiert, um sich für Wiederverkäufer wie freenet zu lohnen. Kein Wunder, dass in diesem Umfeld auch ungewöhnliche Erlösquellen nicht verschmäht werden: In den eigenen Läden will freenet-Chef Vilanek bald auch Strom und Gas anbieten. Der Vertrag zum Stromvertrieb steht kurz vor der Unterschrift.

Fazit

Die freenet-Aktie ist unter Ertragsaspekten günstig bewertet, verspricht im kommenden Jahr eine weit überdurchschnittliche Dividendenrendite und hat aus charttechnischer Sicht gute Chancen auf eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Zur Belastung für den Kurs könnten die hohe Verschuldung, der enorme Wettbewerbsdruck im Mobilfunkgeschäft und eine eventuelle Aktienplatzierung von United Internet werden. Das Risiko eines Engagements ist allerdings limitiert, weil der knappe Stopp von 8,50 Euro potenzielle Verluste in Grenzen hält. Anleger, die mit einer Seitwärtsbewegung rechnen, dürften mit einem Discount-Zertifikat eine höhere Performance erzielen als mit der Aktie. Schließlich liegt die Seitwärtsrendite bei einer Laufzeit bis Dezember 2010 bei 11%.