Gazprom: Kommt endlich die große Wende?
Von einer Erfolgsstory war das Papier des russischen Energieriesen Gazprom in den vergangenen Wochen und Monaten in etwa so weit weg wie Präsident Putin davon, ein guter Demokrat zu sein. Rückenwind erhofft sich die Gazprom-Aktie jetzt durch die jüngst erzielte Einigung Russlands mit der Ukraine über Gaslieferungen. Ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um zu investieren?
Von einer Erfolgsstory war das Papier des russischen Energieriesen Gazprom in den vergangenen Wochen und Monaten in etwa so weit weg wie Präsident Putin davon, ein guter Demokrat zu sein. Rückenwind erhofft sich die Gazprom-Aktie jetzt durch die jüngst erzielte Einigung Russlands mit der Ukraine über Gaslieferungen. Ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um zu investieren?
Seit Gazprom im Juni seine Gaslieferungen in die Ukraine wegen eines Streits mit Kiew um Schulden und Tarife stoppte, rutsche der Kurs von 6,50 Euro um zeitweise 23 Prozent auf knapp fünf Euro gewaltig ab. Die Anleger reagierten verunsichert auf den Gasstreit und fürchteten mögliche Sanktionen Westeuropas. Vergangene Woche konnte endlich folgende Einigung erreicht werden: Die Ukraine zahlt ausstehende Schulden, anschließend wird nach Vorabzahlungen die Gaslieferung durch Russland garantiert. „Jetzt haben wir erstmals einen Schritt in die andere Richtung. Einen Schritt weg von Eskalation und Verschärfungskonflikt, hin zu Deeskalation und Vertrauensbildung“, kommentierte der vermittelnde EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) das Ergebnis der Verhandlungen erfreut. Gazprom generiert durch diesen Deal Einnahmen in Höhe von 3,1 Milliarden Dollar. Zudem impliziert das Abkommen gesicherte Gaslieferungen nach Westeuropa. Dort lief es für Russlands größtes Unternehmen zuletzt richtig gut. Im vergangenen Jahr verkaufte Gazprom 174,3 Milliarden Kubikmeter nach Europa, was ein Plus von 15,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutete. Damit hat Gazprom seine dominante Stellung am Kontinent untermauert.
Trotz der jüngsten Maßnahmen zur Deeskalation bleibt die Beziehung zwischen Russland und Europa weiter angespannt, eine erneute Verschärfung des Konflikts kann daher nicht ausgeschlossen werden. Somit sieht sich der Staatskonzern, dessen komplette Führungsriege seit Wladimir Putins Regentschaft durch Getreue des Präsidenten neu besetzt wurde, dazu veranlasst, das Risiko durch Investments in alternative Märkte abzufedern. In diesem Jahr will Gazprom mit insgesamt 19,63 Milliarden Euro ein Viertel mehr anlegen als ursprünglich geplant. Die zusätzlichen Mittel sind etwa für Transport-und Förderprojekte bestimmt, darunter in Vietnam und Bolivien. Ein Großteil ist außerdem für den Bau von Pipelines zur Versorgung Ostsibiriens und des Fernen Ostens eingeplant. Das Geld soll darüber hinaus in den Bau der Gasleitung „Sila Sibiri" – zu deutsch: „Kraft Sibiriens“ – nach China und des South-Stream-Projekts in Südosteuropa gesteckt werden. Besonders vom Geschäft im Reich der Mitte erwartet sich der russische Staatskonzern eine große Zukunft. Ab 2018 soll Gazprom bis zu 38 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr in die Volksrepublik liefern.
Angesichts der aktuellen Zahlen dürften sich Aktionäre über die Erschließung neuer Märkte besonders freuen. Diese fallen nämlich wegen der hohen Gas-Lagerbestände in Europa und dem Ukraine-Konflikt dürftig aus. Die aufgrund der sich zu Russland unterscheidenden Rechnungslegungs-Standards erst kürzlich veröffentlichten Zahlen weisen einen deutlichen Gewinneinbruch im ersten Halbjahr aus. So verdiente der vom Kreml gesteuerte Weltkonzern 22,7 Prozent weniger als noch im Vorjahreszeitraum. Der Überschuss beläuft sich dabei auf 8,8 Milliarden Euro (451 Milliarden Rubel). Der Umsatz von Gazprom nahm den Angaben zufolge im ersten Halbjahr um 11,9 Prozent auf 2,874 Billionen Rubel zu. Der Vorsteuergewinn rutschte um 14,5 Prozent auf 634,5 Milliarden Rubel ab. Im zweiten Quartal 2014 wuchs der Nettogewinn indes verglichen mit dem Vorjahresquartal um 12,5 Prozent auf 227,6 Milliarden Rubel.
An der Börse rollt der Rubel auch nicht. Hier ist inzwischen von einer langanhaltenden Abwärtsbewegung zu sprechen. Seit 2011, als das Papier noch elf Euro kostete, befindet sich die Gazprom-Aktie in der Krise. Ihren Höhepunkt erreichte diese im März dieses Jahres, als der Kurs auf 4,67 Euro fiel, und damit den niedrigsten Stand seit 2008 erreichte. Im folgenden Verlauf konnte sich das Papier erholen. Seit Juni ging es allerdings wieder bergab bis zu einem Wert rund um die Fünf-Euro-Marke. In diesem Bereich liegt eine wichtige Unterstützungsmarke. Genau hier hat das Papier nach oben abgedreht, unterstützt auch von den Annäherungen zwischen Russland und der Ukraine im Gasstreit. Wenn es gelingen sollte diese Marke nachhaltig zu überwinden, könnte ein Kaufsignal generiert werden, und die Aktie den Abwärtstrend nach oben verlassen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist allerding schwer einzuschätzen, ob dies gelingen wird. So ist Gazprom ein Instrument der Politik. Eigentlich sollte das Staatsunternehmen vorrangig Russland und seinen wirtschaftlichen Interessen dienen, in Wahrheit aber stützt es unter allen Umständen das System Putin. Und wie unberechenbar dieses ist, wissen nicht nur Anleger. Auch die politische Klasse Westeuropas kann mittlerweile ein Lied davon singen.