Gefährliches Tempo?
Chinas Wirtschaft ist im ersten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum 2009 um 11,9 Prozent gewachsen. Wenn man diese Statistikangabe liest, denkt man zuerst an einen Kommafehler – denn wäre diese Zahl aus Europa berichtet werden, so hätte sie mit viel größerer Wahrscheinlichkeit 1,19 heißen müssen. Daran haben wir uns fast gewöhnt.
Natürlich kann man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – in China ist weiterhin das Niveau niedrig, zudem die inländische Vergleichsbasis. Schließlich war das Wachstum dort im Vorjahr auf etwas mehr als fünf Prozent „eingebrochen“. Die Turbo-Erholung ist dennoch erstaunlich, und vor allem lässt sie erahnen, wohin es mit der chinesischen Wirtschaft gehen könnte, wenn es gerade einmal keine internationale Wirtschafts- und Finanzkrise gibt. Die Probleme, die mit dem hohen Wachstum zusammenhängen, sollte man jedoch vor allem auch international beachten: Die Zeiten, in denen es weltweit gleichgültig war, wie es dem Riesenreich ergeht, sind längst vorbei. Deshalb werden inzwischen auch solche Daten wie Inflation (2,4 Prozent) und Sektorpreise durchaus wichtig. Zumal der boomende Immobilienmarkt, der alle Anzeichen von Überhitzung aufweist, sollte westlichen Investoren auch Sorgen machen. Die Investitionen in Immobilienprojekte in den Wachstumsregionen, den Geschäftsvierteln und Urlaubsgebieten, nehmen dramatisch zu, und das Preisniveau steigt entsprechend stark. Da China einer hohen Einflussnahme durch die Regierung unterliegt, kommt es auch stark darauf an, was die herrschende PP von der Sach- und vor allem der Interessenlage hält. Bislang beispielsweise lag es lange nicht im Interesse der Herrschenden, den Kurs der Landeswährung steigen lassen – zu wichtig erschien ihnen der Vorteil aufgrund der niedrigen Exportpreise – so ist man auch aufgrund herrschender Ungleichgewichte zum Exportweltmeister geworden. Dies trifft im Übrigen viel stärker die USA als Europa, und hier Deutschland. Wenn es aber dabei bleibt, und die Notenbank des Landes weiterhin nur zusieht, statt die Zinsen zu erhöhen, lebt der Rest der Welt plötzlich gefährlich. Das wäre in früheren Zeiten nicht so gewesen – das Platzen einer Immobilienblase hätte die Welt entweder nicht interessiert oder wäre mit heimlicher Schadenfreude begleitet worden. Diese Haltung kann sich niemand mehr leisten. Für ausländische Anleger bleibt es so gefährlich im Fernen Osten: Die Aktienmärkte sind hoch bewertet, die weitere Entwicklung ist schwer abzusehen. Man darf jedoch annehmen, dass die wichtigsten Konsumgüterbereiche weiter zulegen werden, wenn auch unter heftigen Schwankungen. Wie viel davon der Durchschnittsanleger verträgt, wird er selbst einschätzen müssen. Dass das Land weiter Nachholbedarf hat, ist klar; wie viel Verständnis und Entschlusskraft man der chinesischen Regierung zutrauen sollte, ist ein Risikofaktor. Dass die Regierung im Laufe der Zeit ihren generellen Kurs auch außerhalb der Wirtschaftspolitik, etwa bei den Menschenrechten, ändern muss, sollte man annehmen.