Google greift Apple an
Die Aktie des Internet-Konzerns macht Anlegern Freude. Doch die Risiken scheinen zu wachsen - ist sie noch ein Kauf?
In der vergangenen fünf Jahren hat sich der Kurs verdreifacht. Seit Jahresbeginn ist er um 30 Prozent gestiegen, und ein Ende des Wachstums scheint bei Google nicht in Sicht. Aktionäre wie Analysten sind auf den ersten Blick zufrieden, obwohl die Aktie derzeit mit der psychologisch wichtigen Marke von 900 Dollar ringt. Doch ist Google nicht schon zu teuer? Stimmt die Wachstums- und Innovationsperspektive wirklich?
Einen Schub könnte die Google-Aktie durch die neueste Version des Tablets Nexus 7 bekommen, das in dieser Woche auf einer Pressekonferenz in New York mit einigem Pomp vorgestellt wurde. Es soll dem I-pad Mini von Apple Konkurrenz machen. Das Nexus 7 besticht nicht nur durch eine einzigartig scharfe Bildschirmauflösung. Es ist das erste Gerät mit dem brandneuen Betriebssystem Android 4.3. Der neue Tablet-PC ist darüber hinaus mit zwei Kameras ausgestattet, einer rückwärtige mit fünf Megapixeln, sowie einer Front-Videocam mit 1,2 Megapixeln. Das Gehäuse des neuen Nexus ist zwei Millimeter dünner, 50 Gramm leichter, sowie mit einem schmaleren Rand versehen als sein Vorgängermodell. Am Sound hat Google zusammen mit dem Fraunhofer Institut gearbeitet, der Akku soll bis zu 10 Stunden halten. Das neue Nexus 7 wird mit 16 GB oder 32 GB Datenspeicher zu einem Preis von 239 bzw. 269 Dollar angeboten. Euro-Preise wurden zwar noch nicht bekannt gegeben, das neue Google Tablet soll aber bereits in wenigen Wochen den deutschen Markt erobern.
Derartige technische Durchbrüche braucht Google dringend. Denn die Erwartungen an die zukünftige Entwicklung der Google-Aktie sind hoch, und erste Analysten zweifeln ob das Unternehmen diesen dauerhaft gerecht werden kann. Bereits heute liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Tech-Riesen bei 20 und ist damit doppelt so hoch wie beispielsweise das KGV des Konkurrenten Apple. Die Anleger sind also bereit einen Risikoaufschlag auf künftige Innovationen und Geschäfte zu zahlen. Dazu zählt insbesondere die für Mitte des kommenden Jahres geplante Einführung der Datenbrille Google Glass. Dabei handelt es sich um einen Minicomputer, der an ein Brillengestell montiert Informationen direkt in das Sichtfeld des Nutzers einblenden soll. Die Bedienung von Google Glass soll durch leichte Kopfbewegungen und Gesprochenes, sowie auch mit einem integrierten Touchpad möglich sein. Die dafür nötigen Bewegungen sind für Umstehende unauffällig, versichert der amerikanische Weltkonzern. Die Möglichkeit des Zugriffs auf das Internet, während die Hände zeitgleichen für andere Tätigkeiten beansprucht werden können, ist der große Vorteil der Brille. Scott Huffman, Vizepräsident von Google, erklärt, der Konzern wolle die Kommunikation zwischen Google und dem Nutzer von einer künstlich tastaturgestützten auf eine natürliche Ebene bringen. Doch ob Google Glass die vollmundigen Revolutionsproklamationen der Konzernherren wirklich erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Optimisten erhoffen sich davon jedenfalls einen ähnlichen strategischen Durchbruch wie einst die Einführung des I-Phones von Apple. Skeptiker wollen nur ein überflüssiges Spielzeug erkennen.
Surfen im Google-Auto
Phantasie weckt auch das Projekt, mit dem im Auftrag von Google im US-Bundesstaat Nevada selbstfahrende Autos getestet werden. Diese sind mit Kameras, Radarsensoren und auffälligen Laserscannern auf dem Dach ausgerüstet, die dazu verhelfen, die Umgebung des Autos zu erfassen. Außerdem greifen die Computer der Fahrzeuge auf den Informationsschatz in den Datenbanken von Google zurück, die Stadtpläne und Landkarten enthalten. Anthony Levandowski, Projektleiter für das Google-Autoprojekt, ist davon überzeugt, dass selbstfahrende Autos noch deutlich vor dem nächsten Jahrzehnt Marktreife erlangen werden. Zum einen könnten Autofahrer die Zeit, die sie während der Fahrt im Fahrzeug verbringen für andere Tätigkeiten nutzen - zum Beispiel im Internet surfen -, andererseits würde der Straßenverkehr mit selbstfahrenden Autos viel sicherer werden, da die meisten Unfälle menschliches Versagen als Ursache haben. Welche Absichten Google mit diesem Projekt verfolgt, dass weit entfernt von dem eigentlichen Kerngeschäft des Unternehmens zu liegen scheint, darüber wird viel spekuliert. Denkbar wäre, dass der Internetriese die Technik an Autohersteller verkaufen könnte, oder aber selbst in die Autoherstellung einsteigt.
Trotz dieser kreativen Ideen zur Geschäftserweiterung bleibt die Suchmaschine auf absehbare Zeit das Herzstück des globalen Spielers, obgleich einige kleinere Suchmaschine-Anbieter den Markt nicht Google alleine überlassen wollen. Doch der Vorsprung von Google ist immer gewaltig. Das Kerngeschäft, die Werbung durch Textanzeigen bei der Suchmaschine, steuert 90 Prozent von Gewinn und Umsatz bei.
Dieser bleibt allerdings auch im Unternehmen und wird für Wachstums-Investitionen genutzt. Wer als Aktionär Wert auf Dividendeneinnahmen legt, wird von „Google“ enttäuscht. Das Unternehmen zahlt an seine Aktionäre nämlich keine Dividenden. Angesichts des jüngsten Umsatzwachstums im zweiten Quartal von April bis Ende Juni von 19 Prozent auf 14,1 Milliarden Dollar und einer Gewinnverbesserung im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar, dürften die Aktionäre ihre Forderungen auf die Einführung einer Dividendenzahlung verstärken, wenngleich das Management diese bislang konsequent abgeblockt hat.
Herausforderungen für den Online-Riesen
Die wenig spendable Position der Unternehmensführung ist jedoch nicht ganz unbegründet, denn auch Google hat mit einigen Baustellen zu kämpfen. Der zugekaufte Handyhersteller Motorola etwa erweist sich bisher als großer Verlustbringer, und verzeichnete im zweiten Quartal ein Minus von 218 Millionen Dollar vor Sonderposten. Außerdem ging der Preis, den Werbekunden Google pro Anzeigenklick zahlen um sechs Prozent zurück, während es in den ersten drei Monaten des Jahres lediglich vier Prozent waren. Dennoch sind die Werbeklicks laut Google Finanzchef Patrick Pichette um 23 Prozent gestiegen. Allerdings könnte die zunehmende Nutzung mobiler Geräte für Google zu einem Problem werden, da dort nicht so häufig Werbung angeklickt wird wie auf PCs.
Obwohl der Weltkonzern in den kommenden Quartalen verstärkt unter Beweis stellen muss, dass er den Herausforderungen beim Übergang des Nutzerverhaltens auf mobile Geräte gewachsen ist, bleibt der US-Titel für den Analyst der Hamburger Sparkasse Marco Günther weiterhin haltenswert. Die Deutsche Bank rät derzeit nicht nur zum Halten der Aktie, sondern spricht sogar eine Kaufempfehlung aus, wenngleich das Kursziel von 1000 auf 970 Dollar gesenkt wurde. Währenddessen hat das Analysehaus S&P Capital das Kursziel erhöht, von 925 auf 950 Dollar, und eine Hold-Empfehlung ausgesprochen. Die US-Investmentbank Morgan Stanley bekräftigt ein Kursziel von 996 Dollar. Analyst Scott Devitt hob in einer Studie hervor, dass der Internetgigant das vierzehnte Quartal in Folge ein Wachstum der Kernerlöse von mindestens 22 Prozent erzielt habe. Derzeit bewegt sich die Google Aktie knapp unter der 900 Dollar Marke.
Sollte es Google gelingen, seine Innovationsprojekte erfolgreich auf dem Markt zu etablieren, weiterhin ein sehr beliebter Arbeitgeber für die Mitarbeiter zu sein, um somit hochqualifizierte, engagierte junge Menschen an das Unternehmen binden zu können, und die Werbeeinnahmen bei mobilen Geräten zu steigern, dann sieht die Zukunft für den Internetgiganten und seine Aktionäre langfristig rosig aus. Doch ob der Kauf der Google Aktie auch kurzfristig bei den Anlegern Grund zum Optimismus beschert, das dürfte in nicht unerheblichen Maßen von den Verkaufszahlen des neuen Nexus 7 abhängen. Droht das Tablet zu floppen, wäre die weiße Weste von Google nach der Motorola-Enttäuschung nicht mehr ganz so unbefleckt. WIM