Grifols: Weltweit erfolgreiche Spanier
Spanische Aktien gehörten in den vergangenen Monaten nicht gerade zu den Lieblingen der Investoren und zeichneten sich zumeist durch deutlich negative Performances aus. Ein desolater Staatshaushalt, die Bankenkrise sowie die schwache Konjunktur geben wenig Kaufanlass. Hier und da findet man jedoch Werte, die sich der trüben Stimmung entziehen können. Einer davon ist der Blutplasma-Spezialist Grifols.
Spanische Aktien gehörten in den vergangenen Monaten nicht gerade zu den Lieblingen der Investoren und zeichneten sich zumeist durch deutlich negative Performances aus. Ein desolater Staatshaushalt, die Bankenkrise sowie die schwache Konjunktur geben wenig Kaufanlass. Hier und da findet man jedoch Werte, die sich der trüben Stimmung entziehen können. Einer davon ist der Blutplasma-Spezialist Grifols.
Während der spanische Leitindex IBEX 35 im bisherigen Verlauf 2012 um mehr als 25% eingebrochen ist, liegt die Aktie von Grifols mehr als 40% im Plus. Offenbar tangieren die Probleme im Heimatland nicht die Geschäfte des Unternehmens. Verwunderlich ist dies nicht. Zwar fließt im Konzern spanisches Blut und er wurde 1940 von Dr. José Antonio Grifols Roig gegründet, einem Hämatologen und Wissenschaftler, der 1951 als Erster die Prozedur der Plasmapherese (Gewinnung von Blutplasma) veröffentlichte. Aufgrund der internationalen Expansion ist der Konzern heute aber vor allem im Ausland tätig. Im ersten Quartal 2012 wurden 90% der Umsätze außerhalb Spaniens erwirtschaftet.
Blutplasma
Grifols gewinnt hauptsächlich Proteine aus Blutplasma. Blut besteht aus Zellen (rote Blutkörperchen, Blutplättchen und weiße Blutkörperchen) sowie einem flüssigen Teil, in dem die Zellen schwimmen. Der flüssige, zellfreie Bestandteil wird als Blutplasma bezeichnet, das zum Großteil aus Wasser (90–95%) sowie aus gelösten Stoffen besteht, wozu unter anderem Blutproteine (etwa 3.000) gehören. Diese Blutproteine können aus dem Plasma extrahiert und dann zu verschiedenen Medikamenten und Präparaten verarbeitet werden. Sie werden eingesetzt bei Störungen der Blutgerinnung und der Immunabwehr, bei Schocks durch großen Blutverlust sowie zur Behandlung einer Reihe von Krankheiten. Zu den wichtigsten der verwendeten Blutproteine gehören Immunglobuline (Antikörper) und Albumin.
Führend bei Schlüsselprodukten
In dem Kerngeschäft, das in der Sparte Bioscience zusammengefasst ist, gewinnt Grifols von Spendern zunächst Blutplasma. Dieses sowie die daraus extrahierten Proteine, die der Konzern zu qualitativ hochwertigen sogenannten Plasmaderivaten weiterverarbeitet, werden dann weltweit vermarktet. Er zählt auf diesem Gebiet zu den global führenden Anbietern, hat hier bei Schlüsselprodukten des gesamten Marktes wie Antikörpern, Alpha1-Globulinen und Albumin führende Positionen inne.
Weltweit bestens positioniert
Zu der weltweit regional starken Marktposition beigetragen hat die in den 1990er-Jahren begonnene Expansion, zu der in den vergangenen Jahren auch immer wieder Zukäufe gehörten. Beispielsweise kaufte man 2002 die Firma SeraCare, die in den USA 43 Plasmapherese-Center betrieb, in der das Blutplasma von Spendern gewonnen wird. Der letzte große Deal war die Akquisition des Proteintherapiespezialisten Talecris aus den USA, die im Juni 2011 abgeschlossen wurde. Der Kauf war zwar nicht ganz billig und Talecris wurde mit 4 Mrd. US-Dollar bewertet, allerdings machte Grifols damit einen riesigen Schritt auf dem großen und wichtigen US-Markt. So stieg dort die Zahl der eigenen Plasmapherese-Standorte auf 147. Nun können dort jährlich mehr als 6,5 Mio. Liter Blutplasma gewonnen werden, was die Eigenversorgung dieses für die Herstellung von Plasmaderivaten benötigten Rohmaterials sicherstellt. 2011 wurden dort 5,8 Mio. Liter gesammelt. Mit dem Zukauf wurde die Gesellschaft außerdem zum weltweit drittgrößten Hersteller von Plasmaderivaten gemessen an der Produktionskapazität. In Europa ist man zudem die Nummer 2. Das Kerngeschäft erreichte im ersten Quartal 2012 einen Umsatzanteil von rund 88,1%.
Voll integriertes Geschäftsmodell
Abgerundet wird das Tätigkeitsfeld zum einen durch das Segment Diagnostic, in dem sich Grifols auf den Bau und die Vermarktung von Geräten für Laboranalysen, inklusive von Produkten für Blutbanken in Krankenhäusern und Transfusionszentren spezialisiert hat. Zum anderen wird in der Sparte Hospital eine große Bandbreite an nicht biologischen Produkten angeboten, die in Krankenhausapotheken, bei Operationen, der Ernährung wie auch der Rehydrationstherapie sowie weiteren therapeutischen Anwendungen eingesetzt werden. Insgesamt zeichnet sich der Konzern damit durch ein voll integriertes Geschäftsmodell aus.
Strategisch sinnvoll
Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete Grifols Umsätze von 1,8 Mrd. Euro. Dies waren 81,2% mehr als im Vorjahr, wozu die seit Juni erfolgte Konsolidierung der Neuerwerbung Talecris maßgeblich beigetragen hat. Auf Pro-forma-Basis, also unter Einbeziehung des gesamten Jahresumsatzes 2012 von Talecris und im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert, erhöhte sich der Umsatz um 4,6% auf 2,3 Mrd. Euro. Auf dieser Basis verbesserte sich das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) um 6,4% auf 630,8 Mio. Euro. Der bereinigte Nachsteuergewinn sank indes von 291,4 auf 233,6 Mio. Euro. Höhere Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Akquisition waren hier maßgeblich für den Rückgang verantwortlich. Zudem kostet auch die Integration. Bis 2015 sind dafür insgesamt rund 70 Mio. US-Dollar vorgesehen. Der Zukauf scheint dennoch strategisch sinnvoll. Grifols verbreitert damit sein Sortiment, seine regionale Präsenz und insbesondere das Produktionsvolumen, sodass die weltweite Marktstellung auf dem Gebiet der Blutplasmaderivate ausgebaut wurde. Dies soll sich künftig nicht nur in höheren Einnahmen und Erträgen widerspiegeln. Auch Synergien sollen in der Gewinnung des Blutplasmas, der Produktion der Plasmaderivate sowie in Verwaltung, Forschung und Entwicklung erzielt werden. Konkret will man die Kosten ab 2015 um jährlich rund 230 Mio. US-Dollar senken. 40% davon sollen bereits 2012 realisiert werden. 2013 sind dann 60% und 2014 rund 80% vorgesehen.
Erste Erfolge
Laut Unternehmen konnten erste Erfolge bei den Synergien bereits im ersten Quartal 2012 erzielt werden. Aber auch sonst liefen die Geschäfte bestens. Der Pro-forma-Umsatz verbesserte sich um 17,7% auf 666,7 Mio. Euro. Das um Sondereffekte bereinigte EBITDA kletterte um 41,3% auf 213,1 Mio. Euro. Der um Sondereffekte bereinigte Nachsteuergewinn war mit 3,3% auf 79,2 Mio. Euro indes noch leicht rückläufig. Das negative Finanzergebnis belastet weiterhin und die seit Jahresbeginn verbesserten Finanzierungsbedingungen kamen hier noch nicht zum Tragen. Allerdings hat Grifols im Laufe des ersten Quartals günstigere Kreditbedingungen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Talecris-Kaufs ausgehandelt, die ab dem zweiten Quartal die Zinskosten spürbar senken sollten. Der Konzern geht davon aus, dass dadurch jährliche Einsparungen von rund 55 Mio. US-Dollar möglich sind.
Fazit
Der Markt für Plasmaderivate gilt weltweit als Wachstumsmarkt. Auf diesem Gebiet gehört Grifols zu den führenden Anbietern mit Spitzenpositionen bei Schlüsselprodukten und in wichtigen Absatzmärkten. Der jüngste Zukauf von Talecris war zwar ein großer Brocken, er scheint aber gut gestemmt worden zu sein. Zudem sieht der Schritt aus strategischer Sicht sinnvoll aus. Aus dem Zusammenschluss ergeben sich nicht nur neue Wachstumsmöglichkeiten, sondern auch Synergien sind möglich. Alles zusammen ist der spanische Konzern mit seinem aussichtsreichen Geschäftsmodell daher wohl bestens gerüstet, um künftig an die erfolgreiche Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahre anzuknüpfen. Eventuell könnte daher auch die Aktie etwas für spekulative Investoren sein.