Großes Potential für die Netflix-Aktie
Die größte US-Bank schraubt ihr Kursziel für den Streaming-Dienst von 380 auf 470 US-Dollar nach oben. Das hat vor allem zwei Gründe.
Die größte US-Bank schraubt ihr Kursziel für den Streaming-Dienst von 380 auf 470 US-Dollar nach oben. Das hat vor allem zwei Gründe.
Die Netflix-Aktie setzt ihren Mitte des vergangenen Jahres begonnen Erholungskurs weiter fort. Inzwischen stehen die Papiere bei knapp 410 US-Dollar und damit mehr als doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr. Das Rekordhoch von etwas über 700 US-Dollar ist nach dem fatalen Kurseinbruch im ersten Halbjahr 2022 zwar nach wie vor weit entfernt, doch die Richtung stimmt wieder bei dem Streaming-Giganten.
Dabei waren die jüngsten Zahlen nicht gerade überzeugend. Die Anzahl der Nutzerkonten stieg im ersten Quartal zwar um 1,75 Millionen auf nun insgesamt 232,5 Millionen. Experten hatten jedoch mit 2,1 Millionen neuen Abonnenten gerechnet. Die Erlöse kletterten leicht um vier Prozent auf 8,2 Milliarden US-Dollar, das Nettoergebnis sank um 18 Prozent auf 1,3 Milliarden US-Dollar. Der Ausblick fiel ebenfalls durchwachsen aus und verfehlte die Erwartungen der Analysten. So sollen die Umsätze im zweiten Quartal des Jahres 8,2 Milliarden US-Dollar betragen, der Gewinn je Aktie bei 2,86 US-Dollar liegen. Die Expertenschätzungen hatten im Vorfeld bei 8,5 Milliarden und 3,05 US-Dollar gelegen.
Den Aktienkurs belastete dies jedoch nur kurz. Der doch recht deutliche Kursrutsch von rund zehn Prozent infolge der Zahlenvorlage, war schnell wieder aufgeholt. Vor einem Jahr wären solche Zahlen noch ganz anders aufgenommen worden. Diesmal waren sie nicht mehr als ein kleiner Schönheitsfehler im intakten Aufwärtstrend.
Das hat Gründe. Zum einen ist da die Erholung des gesamten Tech-Sektors an der Wall-Street. Die Zinsen in den USA könnten ihren Höhepunkt erreicht haben, die Inflation geht zurück, damit erscheinen die Finanzierungskosten in dem wachstumsorientierten Sektor ein Stück planbarer. Hinzu kommen eingeleitete Sparmaßnahmen über die gesamte Branche hinweg und ganz grundsätzlich der Schwenk hin zu einem deutlich ausgeprägteren Fokus auf Wirtschaftlichkeit, sprich Gewinnerzielung.
Bei Netflix konkret sorgen aber noch zwei weitere Gründe für die aktuell so positive Anlegerstimmung, die auch JPMorgan-Analyst Douglas Anmuth als Kurstreiber auserkoren hat. Erstens: das werbefinanzierte Angebot, das nur wenige Monate nach dem Start bereits fünf Millionen Kunden hat. Zweitens: Das nun ernstgemeinte Vorgehen gegen das weitverbreitete Account-Sharing. Netflix selbst schätzt, dass rund 100 Millionen Menschen das Streaming-Angebot aktuell als Trittbrettfahrer nutzen, in dem sie die Zugangsdaten anderer verwenden. Netflix hat das der Reichweite willen lange toleriert. Jetzt, da es nicht mehr nur um Wachstum, sondern verstärkt um Profitabilität geht, reagiert das Unternehmen. In Deutschland soll eine zusätzliche Account-Nutzung 4,99 Euro kosten. Es kommt allerdings immer auf das Abo-Modell an. Account-Sharing innerhalb einer Netflix-Familie bleibt zudem erlaubt. Insgesamt differenziert Netflix damit sein Angebot weiter aus. Es gibt inzwischen verschiedenste Abo-Angebote, die möglichst viele Menschen erreichen sollen. Das angekündigte harte Vorgehen gegenüber dem Account-Sharing dürfte zwar zunächst Kunden vergraulen, allerdings zeigt das Beispiel Kanada, dass dies nur sehr bedingt der Fall und zudem von kurzer Dauer ist. Inzwischen erzielt Netflix dort höhere Umsätze als vor dem Eingriff. Wohl auch aufgrund dieses erfolgreichen Tests, traut sich Netflix nun auch auf dem breiten Markt restriktiver zu werden.
Zwei neue Umsatz- und Gewinntreiber für Netflix
Für Anleger bedeutet das: innerhalb kürzester Zeit sind zwei neue Umsatz- und Gewinntreiber entstanden, die nun in die Aktie eingepreist werden wollen. JPMorgan-Analyst Anmuth geht davon aus, dass 33 Millionen Haushalte, die aktuell noch den Account teilen, bis 2025 zu zahlenden Kunden werden. Gemeinsam mit einer weiterhin mindestens soliden Entwicklung des kostengünstigen Abo-Modells mit Werbung, glaubt Anmuth an ein höheres Umsatz- und Gewinnpotenzial für die kommenden Jahre als zunächst erwartet. Für die Umsätze hob Anmuth seine Schätzungen für 2024 und 2025 um vier beziehungsweise sechs Prozent an, für das Betriebsergebnis um sechs beziehungsweise neun Prozent.
Demzufolge dürfte auch die Aktie weiter steigen, schätze der JPMorgan-Experte und erhöhte sein Kursziel unter der Woche deutlich, von 380 auf 470 US-Dollar. Für die Aktie bedeutete dies gemessen am aktuellen Kurs noch ein Aufwärtspotenzial von 15 Prozent. „Wir glauben, dass es weiteres Aufwärtspotenzial gibt“, verlieh Anmuth seinen Ausführungen Nachdruck. Er reiht sich damit ein in eine ganze Reihe positiver Analystenkommentare. Auch die UBS hatte das Kursziel jüngst von 350 auf 390 US-Dollar erhöht. Jefferies prognostiziert 440 US-Dollar.
Goldman Sachs bleibt bei "Sell"
Allein Goldman-Sachs Analyst Eric Sheridan scherte zuletzt in die andere Richtung aus. Er empfiehlt Anlegern die Aktie zu verkaufen und setzt sein Kursziel bei 230 US-Dollar. Das ist weniger als die Hälfte des JPMorgan-Kursziels und liegt zudem deutlich unter dem aktuellen Kurs. Sheridan bemängelte vor allem das durchwachsene erste Quartal und die verfehlten Erwartungen, blickt damit also mehr auf die nackten Zahlen als auf die möglichen neuen Wachstums- und Ergebnistreiber. Sein Fazit: Auf dem aktuellen Kursniveau würden die Risiken die Chancen überwiegen. Damit steht sozusagen Aussagen gegen Aussage. Anleger müssen für sich selbst entscheiden, welche Einschätzung sie für plausibler erachten.
OG
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