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Hexenjagd auf Banker

Mit großem Spektakel begrenzt die Europäische Union die Boni für Banker. Die “Raffgier” müsse “gebändigt” werden. Die “Zockerei muss aufhören”. Die “Raubtierbanker bekommen Käfige”. Die Wortwahl der Politik kann kaum deftiger ausfallen. Man prügelt mit lauter Lust mal wieder auf die Sündenböcke der Nation ein. Obwohl von der Neuregelung in Deutschland kaum 500 Personen betroffen sind, schwadroniert Brüssel von “einer Revolution”.

BÖRSE am Sonntag

Nun ist die Regelung nicht einmal ein Revolutiönchen. Sie hat eher symbolischen Charakter, sie trifft nur wenige Investmentbanker in London, und die werden Umwege finden, sich für spektakuläre Deals außergewöhnliche Zahlungen zu sichern. Ordnungspolitisch ist es natürlich ein Sakrileg, dass der Staat jetzt auch noch in die Gehaltsfindung der Privatangestellten hinein fummelt. Aber hier sind wir Kummer mittlerweile gewohnt.

Das eigentlich Bedenkliche bei dem Vorgang liegt im hemmungslosen Entfesseln von Ressentiments gegen die Finanzindustrie. Wie bei einem mittelalterlichen Pranger werden Banker und Börsianer inzwischen als Übeltäter öffentlich bloß gestellt. Systematisch wird über sie hergefallen als seien sie Kindermörder. Ausgerechnet die Politik befördert diese Hetze; dabei ist die Schuldenkrise, mit der Europa nun so schwer zu ringen hat, zuallererst eine Sünde der Politik selber.

Leider hat diese Treibjagd eine lange Tradition in Europa. Geldwechsler und Geldverleiher werden seit Jahrhunderten verfolgt. Immer wieder gefiel es den Mächtigen und Schuldenmachern, ihre Geldbeschaffer frontal zu attackieren. Am häufigsten traf das jüdische Bankiers. Hitlers Tiraden gegen die „gierigen Wucherer”, die „satanische Hochfinanz” und die „Geldratten” sind traurige Legende. Die heutigen Bankenhasser vergleichen die „Spekulantenbrut” aber auch schon mit Tieren und stigmatisieren sie als Haifische, Schmarotzer, Heuschrecken oder Raubtiere.

Es geht bei dieser Frage zusehends um die Integrität der Gesellschaft. Denn in ihr darf es zum einen keine Hass-Zonen und Hexenjagden geben. Zum andern sind unsere Banken mitnichten die Schmarotzer im gärenden Hefeteig des Wirtschaftssystems. Sie sind die Hefe.

Ihr Geldsystem erst ermöglicht Tausch- und Handelsgeschäfte, es eröffnet Transformationen über Zeiten und Räume hinweg, es macht Dinge und Dienstleistungen genau vergleichbar, es vereinfacht Akkumulation und mobilisiert Reserven. Kurzum: Banken machen eine komplexe Wirtschaft überhaupt erst funktionsfähig. Gegen diesen großen Nutzen der Finanzwirtschaft zu polemisieren ist so, als würde man Krankenversicherungen als Feinde der Gesundheit bekämpfen.

Die Geschichte der Demokratie ist eng verbunden mit der Akzeptanz eines freien Geldwesens. Feudalgesellschaften, Diktaturen und der Kommunismus brauchen keine freien Banken. In ihnen regiert der Befehl. Die Allokation von Kapital folgt dort immer der Macht – und nicht der Maximierung von Nutzen. Die Geldwirtschaft ist hingegen ein zentrales Emanzipationsinstrument des freien Gesellschaft. Man muss nicht gleich der Meinung Dostojewskis sein („Geld ist geprägte Freiheit”), aber dass die Attacken auf Banken den Freiheitskern der Gesellschaft treffen, kann man erkennen.