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„In Verbindung“ – mit Putin?

Facebook scheint die Welt der sozialen Netzwerke zu dominieren, es hat mit Abstand die meisten Nutzer weltweit. In Russland und anderen GUS-Staaten heißt der Marktführer aber VKontakte. Das russische Unternehmen weist zahlreiche Parallelen zum US-Konkurrenten auf und hat für die Region eine große Bedeutung.

BÖRSE am Sonntag

Facebook scheint die Welt der sozialen Netzwerke zu dominieren, es hat mit Abstand die meisten Nutzer weltweit. In Russland und anderen GUS-Staaten heißt der Marktführer aber VKontakte. Das russische Unternehmen weist zahlreiche Parallelen zum US-Konkurrenten auf und hat für die Region eine große Bedeutung.

Der Gründer und bisherige CEO von VKontakte, Pawel Durow, sorgte in den letzten Monaten für einige Schlagzeilen. Erst fühlte er sich vom Anteilseigner United Capital Partners (UCP) unter Druck gesetzt, dann verkaufte er seine zwölf Prozent an einen Geschäftspartner des Oligarchen Alischer Burchanowitsch Usmanow (mail.ru). Nach einer vorgelegten Kündigung im März und einigem Hin und Her gab er kürzlich bekannt, dass man ihn als Geschäftsführer entlassen habe.

Durch die jüngsten Ereignisse liegen nun 52 Prozent der Anteile in den Händen von Unternehmern, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahe stehen.
Im vergangenen Jahr hatte Pawel Durow noch eine Herausgabe von Daten an den Inlandsgeheimdienst FSB verweigert, der sehr sich für Informationen prowestlicher Aktivisten in der Ukraine interessierte. Durow berichtete über seinen eigenen Account immer wieder von Anfragen russischer Behörden, „verdächtige“ Profile zu löschen.
Social Media sind in Russland auch zu einem wichtigen Geschäftszweig der Onlinewelt geworden. Der bereits erwähnte Milliardär Usmanow ist durch den Internetkonzern Mail.Ru Group am Netzwerk Odnoklassniki beteiligt, baute nun seinen Einfluss bei VKontakte aus und ist zudem Anteilseigner bei: Facebook.

Wie Facebook hat VKontakte innerhalb weniger Jahre eine erhebliche Nutzerzahl und damit auch politische Relevanz erreicht. Es wurde zwei Jahre nach dem US-Vorbild, also 2006, gegründet und wird deshalb oft als „Klon“ bezeichnet. Wörtlich heißt es „in Verbindung“ oder „in Kontakt“. Tatsächlich gibt es kaum Unterschiede zwischen den Funktionen der beiden Portale: Nutzer können jeweils private Nachrichten austauschen, Statusmeldungen und Inhalte teilen sowie sich in Gruppen organisieren. Auch kämpfen beide Unternehmen seit langem mit der Gretchenfrage nach dem Datenschutz.

Dennoch spielen die Netzwerke in zwei verschiedenen Ligen: An die 1,28 Milliarden Facebook-User kommt VKontakte mit 100 Millionen Aktiven bei weitem nicht heran.
Der holprige Börsengang von Facebook vor zwei Jahren veranlasste die Verantwortlichen bei VKontakte, entsprechende Pläne auf Eis zu legen.
Die starke Stellung in GUS-Ländern konnte dennoch verteidigt werden. Nach der Suchmaschine Yandex ist VKontakte bzw. vk.com die meistbesuchte Seite Russlands.
Die politische Bedeutung für die Region ergibt sich fast automatisch: Soziale Netzwerke ermöglichen schnelle und einfache Kommunikation, dienen der Organisation und verbinden Menschen über tausende Kilometer hinweg. Inwieweit VKontakte auch die Ukraine-Krise beeinflusst, ist nur schwer abzuschätzen, das Engagement der Geheimdienste spricht aber eine recht klare Sprache. Schnell fühlt man sich an die Netzenthusiasten erinnert, die den Arabischen Frühling vor allem Facebook und Co. zuschrieben.

Eine beachtliche Entwicklung ist der Aufstieg von VKontakte allemal, wurde es doch aus dem Nichts von zwei begabten Brüdern geschaffen. Nikolai und Pawel Durow machten aus dem Netzwerk für Studenten ein massentaugliches Angebot, das Facebook eben nicht nur optisch ähnelt. Während Nikolai noch als Systemadministrator tätig ist, hat Pawel Durow Russland mittlerweile verlassen. Laut eigenen Angaben sei der russische Markt derzeit nicht für ein freies und offenes Netzwerk wie VKontakte geeignet.

In der Hinterhand hat er aber schon ein neues Projekt: Seit einigen Monaten arbeitet er an einem Messenger-Dienst namens Telegram, auch dieser keine revolutionäre Entwicklung. Es scheint ihm vielmehr darum zu gehen, den kommunikationsbedürftigen Russen und Ukrainern Alternativen anzubieten.
Hinter ihm bleibt ein millionenschweres Unternehmen zurück, das im Geschäftsjahr 2012 durchaus gute Zahlen vorlegen konnte. VKontakte selbst veröffentlichte keine Geschäftszahlen, die Auflistungen des Anteilseigners mail.ru lassen aber eine Schätzung zu. Die gesamten Einkünfte beliefen sich demnach auf rund 172 Millionen US-Dollar, der Gewinn jedoch halbierte sich fast auf nur eine Million.
Etwa 60 Prozent der Einnahmen stammten aus der geschalteten Werbung, die restlichen 40 aus Anwendungen bzw. Spielen. Eine Profitabilität wie die des Konkurrenten Odnoklassniki (42 Millionen Nutzer) ist für VKontakte bislang außer Reichweite. Denn um den Markt weiter zu erobern, setzt man noch auf viele Gratisinhalte.

Die weitere Entwicklung des Unternehmens sollte man dennoch im Auge behalten, gerade weil Facebooks CEO Mark Zuckerberg eine aggressivere Strategie für Russland und dessen Nachbarländer angekündigt hat.