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Infineon-Aktie nach dem Kursrutsch: Kaufen oder verkaufen

Umsätze und Gewinne steigen kräftig, doch die Aktie verliert zweistellig. Wie steht es nach den Quartalszahlen um Deutschlands Halbleiterkrösus an der Börse?

(Foto: Remus Rigo / Shutterstock)

Umsätze und Gewinne steigen kräftig, doch die Aktie verliert zweistellig. Wie steht es nach den Quartalszahlen um Deutschlands Halbleiterkrösus an der Börse?

Es erscheint paradox. Infineon erzielt von April bis Juni eine Gewinnsteigerung von 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig stürzte die Aktie des Chipherstellers am Donnerstag zeitweise um über zehn Prozent ab und notierte mit einem Kurs von 34,40 Euro in etwa auf dem Niveau von Anfang Februar. Das Rekordhoch aus dem November 2021 bei 43,80 Euro gerät damit erst einmal außer Sichtweite. Dabei hat Infineon seither mehrmals die eigenen Gewinnprognosen erhöht und pulverisiert. Ein solch gewaltiger Kurssturz aus dem Nichts wirft daher zwei Fragen auf. Erstens: Ist das womöglich eine Übertreibung aufgrund viel zu hoher Erwartungen, die enttäuscht wurden und ist demnach eine Einstiegschance entstanden? Zweitens: Versteckt sich in der Zahlenvorlage etwas, das auf kurz- bis mittelfristig herausfordernde Zeiten hindeutet, weshalb Anleger sicherheitshalber Gewinne mitnehmen sollten?

Im Fall Infineon dürfte beides zutreffen. Die Erwartungen in der Chip-Industrie waren und sind nach dem Corona-Boom sehr hoch. Viele große Trends und wirtschaftliche Transformationen, darunter neben der allumfassenden Digitalisierung auch die Entwicklung des E-Autos oder die Energiewende, treiben die Nachfrage nach leistungsfähigen Halbleitern. Jüngst wurden diese durch den Hype rundum Künstliche Intelligenz zusätzlich angefacht. Das sorgte bis zuletzt für einen Nachfrageüberhang, entsprechend hoch fielen die Gewinne vieler Unternehmen im Sektor aus, was wiederum Anleger in die jeweiligen Aktien trieb.

Seit einigen Wochen zeigt sich allerdings: Die Sonderkonjunktur könnte enden. Im Bereich der Computer- und Smartphone-Chips hapert es schon länger, nach überaus starken Jahren, stellten sich zuletzt sogar Überkapazitäten ein. Die hohe Nachfrage wurde Stück für Stück abgearbeitet, Werke hochgerüstet, die Produktion erhöht. Jetzt aber droht eine Zeit geringeren Wachstums. Das trifft die zyklischen Halbleiterhersteller, die nicht wie Nvidia stark auf Hochleistungschips spezialisiert sind, hart. Das lässt sich allein daran ablesen, dass mit TSMC der größte Chip-Auftragsfertiger der Welt jüngst seine Prognose fürs Gesamtjahr einkassiert und im zweiten Quartal beispielsweise statt 3,8 nur noch 2,9 Millionen Wafer ausgeliefert hat. TSMC gibt seit Jahren den Takt in der Branche vor. Läuft es bei dem Giganten aus Taiwan nicht rund, tut es das in den allermeisten Fällen auch bei anderen Chipherstellern nicht.

Eine Ausnahme bildeten zuletzt die europäischen Chip-Konzerne um Infineon, ST Microelectronics und NXP Semiconductor, weil sie vor allem Chips für die Industrie liefern, nicht zuletzt für die Automobilbranche, die durch den Umstieg auf die E-Mobilität immer mehr davon braucht. Doch die Zahlen von Infineon zeigen: auch hier kann die Branche die Erwartungen von Investoren wohl nicht halten. Der Lagebestand bei Infineon liege in etwa ein Viertel über dem üblichen saisonalen Niveau, schrieb JP Morgan-Analyst Sandeep Deshpande. Das sei der schlechteste Wert für den in Neubiberg ansässigen Konzern in zwanzig Jahren.

Das lässt sich auch an den Zahlen ablesen, vergleicht man sie nicht mit dem Vorjahresquartal, sondern mit dem Vorquartal. In der Chipbranche ist das gängig, da sie sehr schwankungsanfällig ist. Und hier zeigt der Trend nach unten. Der Gewinn nämlich stieg dann nur noch um ein Prozent auf 831 Millionen Euro, der Umsatz schrumpfte um ein Prozent auf 4,1 Milliarden Euro. Das wichtige Segmentergebnis, das den operativen Erfolg misst, ging sogar um zehn Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zurück, die Segmentergebnismarge um 2,5 Prozentpunkte auf 26,1 Prozent.

Was im Jahresvergleich glänzt, wirkt im Vergleich zum Jahresbeginn also eher matt. Der Kurseinbruch kommt damit aufgrund zu hoher Erwartungen, aber auch aufgrund operativer Schwäche. Als Anleger vor diesem Hintergrund Gewinne mitzunehmen, bietet sich an, gleichzeitig ist die Aktie innerhalb eines Tages deutlich günstiger geworden. Für langfristig orientierte Anleger kann das eine Einstiegsgelegenheit sein. Schließlich geht es Infineon alles andere als schlecht. Die bis dato schon zweimal angehobene Jahresprognose hat CEO Jochen Hanebeck schließlich nicht einkassiert. Ein anvisiertes Umsatzwachstum von 14 Prozent auf 16,2 Milliarden Euro in einem herausfordernden Jahr sind ein Wort. Von der weiteren positiven Entwicklung scheint man im Konzern zudem fest überzeugt. Infineon investiert Milliarden in Dresden und Malaysia in den Ausbau der Produktion und setzt auf Chips für Autoindustrie und Erneuerbare Energien.

Kurzfristig hingegen ergibt sich einer Einschätzung der Analysten von Godmode Trader nach ein Verkaufssignal, welches „eine Abwärtsbewegung in Richtung 31,51 und 29,17 Euro auslösen könnte“. Ein neues Kaufsignal wiederrum würde sich erst bei einem Ausbruch über 40,27 Euro ergeben. Dann wären aus charttechnischer Sicht sogar bis zu 48,50 Euro drin.

Das Fazit lautet also: Wer unsicher ist, bleibt erstmal an der Seitenlinie. Fällt die Aktie nicht weiter und beginnt eine Erholung, könnten sich Langfristanleger Deutschlands größten Chiphersteller aber möglicherweise mit einem schönen Discount einkaufen.

OG

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