Infineon: Aufbruchsstimmung oder anhaltende Schockstarre?
Der Branchenboom ist bald vorbei. Diese Befürchtung verbreitete sich unter den Anlegern rasch und machte den Halbleiter-Konzern Infineon vor wenigen Tagen zum großen Verlierer im Dax. Die Aktie stürzte katastrophal ab – auf sieben Euro. Als kurze Zeit später die US-Konkurrenten Broadcom und Texas Instruments überraschend gute Quartalszahlen vorlegten, profitierte auch das Infineon-Papier. Aktionäre hoffen, dass der Branchenzyklus seinen Zenit doch noch nicht überschritten hat. Ist die langsame Kurserholung nach der massenhaften Flucht aus dem Papier nur ein selbstverständlicher Vorgang oder hat die Aktie tatsächliches Entwicklungspotential?
Der Branchenboom ist bald vorbei. Diese Befürchtung verbreitete sich unter den Anlegern rasch und machte den Halbleiter-Konzern Infineon vor wenigen Tagen zum großen Verlierer im Dax. Die Aktie stürzte katastrophal ab – auf sieben Euro. Als kurze Zeit später die US-Konkurrenten Broadcom und Texas Instruments überraschend gute Quartalszahlen vorlegten, profitierte auch das Infineon-Papier. Aktionäre hoffen, dass der Branchenzyklus seinen Zenit doch noch nicht überschritten hat. Ist die langsame Kurserholung nach der massenhaften Flucht aus dem Papier nur ein selbstverständlicher Vorgang oder hat die Aktie tatsächliches Entwicklungspotential?
Dass Aussagen zum Marktumfeld großen Einfluss auf Handlungen von Investoren haben, dürfte unbestritten sein. Das hohe Maß an Sensibilität, mit der Anleger auf Information in der Halbleiter-Branche reagieren, ist dennoch erstaunlich. Schmerzlich erfahren musste das jüngst Infineon. Nachdem der US-amerikanische Chip-Hersteller Microchip Technologies Probleme für die gesamte Branche in den kommenden sechs Monaten prophezeite, trennten sich Infineon-Aktionäre in Scharen nervös von ihren Anteilsscheinen. Plötzlich stand der bayerische Halbleiter-Hersteller mit der roten Laterne in der Hand als Schlusslicht im Dax da.
Dabei ist fraglich, inwieweit der Nachfragerückgang und der damit verbundene Umsatzeinbruch bei Microchip, das besonders vom Asien-Geschäft enttäuscht ist, als relevantes Zeichen für den Beginn schwieriger Zeiten in der gesamten Branche gedeutet werden kann. Die kurze Zeit später veröffentlichten positiven Quartalszahlen der Branchenkonkurrenten Broadcom und Texas Instruments trotzen den Unkenrufen von Microchip jedenfalls. Auch können Marktforscher derzeit keine Anzeichen für einen Nachfrage-Knick feststellen. So veröffentlichte der Branchenverband SIA erst kürzlich die Verkaufszahlen des Monats August, die ein Umsatzwachstum von knapp zehn Prozent auf 28,4 Milliarden Dollar zeigen. Dass sich die Wachstumsschwache erst in den unmittelbar vergangenen Wochen entwickelte, kann dabei allerdings nicht ausgeschlossen werden.
Bis zum 27. November, dem Tag der Bekanntgabe der Infineon-Jahreszahlen, dürfte also weiterhin darüber spekuliert werden, ob sich das Umfeld des 1999 durch die Ausgliederung des Halbleitergeschäfts der Siemens AG über einen Börsengang im Jahr 2000 entstandenen Halbleiterherstellers tatsächlich eigetrübt hat. Insider rechnen bislang mit einem operativen Gewinnanstieg um 15 Prozent. Denn zuletzt lief es für das im oberbayerischen Neubiberg ansässige Unternehmen durchaus erfreulich. Erst im Sommer hatte Infineon den Ausblick nach einem guten dritten Quartal für das Geschäftsjahr 2013/14 per Ende September erneut erhöht. Durch die starke Nachfrage nach Halbleitern aus der Maschinenbau-, Automobil- und Energiewirtschaft bekam das Unternehmen ordentlich Auftrieb.
Hoffnung für eine positive Zukunft macht zudem die veränderte Ausrichtung des Unternehmens. Vor wenigen Jahren, etwa zur Zeit der Wirtschaftskrise 2008/09, war Infineon noch sehr zyklisch aufgestellt. Damals schlugen sich Veränderungen in der Weltwirtschaft sowie im Branchenumfeld extrem schnell auf die Geschäfte der Bayern nieder. Inzwischen aber ist Infineon durch seine Stärke vor allem im Geschäft mit der (Auto-)Industrie und in der Sicherheitstechnik, beides im Vergleich zu klassischen Halbleitermärkten wenig volatile Bereiche, nicht mehr so konjunktursensibel. Dennoch würde eine Korrektur in der Halbleiter-Branche natürlich nicht spurlos an dem Neubiberger Chip-Riesen vorübergehen.
Analysten sind uneins
Die Meinungen der Analysten bezüglich der Entwicklung der Infineon-Aktie fallen derzeit sehr unterschiedlich aus. Die britische Investmentbank HSBC hat Infineon von „neutral" auf „overweight" hochgestuft, das Kursziel aber von 9,60 auf 8,90 Euro gesenkt. Die Bewertung des Chipherstellers sehe attraktiv aus, so Analyst Christian Rath in einer Studie. Zwar reduzierte der Experte seine Schätzungen etwas. Die Sorgen, es könnte in der Branche zu einer deutlichen Korrektur kommen, seien aber übertrieben. Die Commerzbank senkte ebenfalls das Kursziel – von zehn auf acht Euro. Auf dem aktuellen Kursniveau ist die Aktie trotz der Herabstufung unterbewertet. Erst kürzlich bestätige außerdem Exane BNP Paribas das „outperform"-Rating. Den fairen Wert sieht Jerome Ramel bei elf Euro. Die Halbleiterbranche stehe am Beginn einer saisonal schwächeren Phase, doch dürften die Unternehmen weiterhin stetig wachsen, so Ramel in seiner jüngsten Studie.
Analyst Sandeep Deshpande von der US-Bank JPMorgan senkte sein Kursziel wegen der vermuteten schwächeren Nachfrage in Europa und China recht drastisch von zehn auf glatt sechs Euro. Das US-Analysehaus Bernstein Research sieht die Zukunft des Papiers deutlich positiver, und hat die Einstufung für Infineon vor dem Start der europäischen Berichtssaison auf „Outperform" mit einem Kursziel von zehn Euro belassen. Die Markterwartungen unterschätzten das kurzfristige Potential im Tagesgeschäft des Chipherstellers, schrieb Analyst Pierre Ferragu in einer Studie. Der vieles verändernde Zukauf von International Rectifier sei zudem noch nicht im Aktienkurs enthalten. Der Experte sieht daher positives Überraschungspotential. Über den Markterwartungen liegende Zahlen sollten den Kurs antreiben. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Infineon-Aktien momentan vor allem für risikobewusste Anleger Attraktivität ausstrahlen.