Merck: Das Darmstädter Dauerhoch
Das dritte Quartal war für Merck schon ein voller Erfolg. Das starke Wachstum aus eigener Kraft, eine weitere geplante Übernahme, die geglückte Integration der britischen Spezialchemiefirma AZ Electronic Materials und schließlich ein spektakulärer Deal mit Pfizer sorgten für Begeisterung bei den Merck-Aktionären: Allzeithoch für Merck!
Das dritte Quartal war für Merck schon ein voller Erfolg. Das starke Wachstum aus eigener Kraft, eine weitere geplante Übernahme, die geglückte Integration der britischen Spezialchemiefirma AZ Electronic Materials und schließlich ein spektakulärer Deal mit Pfizer sorgten für Begeisterung bei den Merck-Aktionären: Allzeithoch für Merck!
Der US-Laborausrüsters Sigma-Aldrich soll bald eine Merck-Tochter werden. Das allein wäre schon genug Zündstoff für ein Kursfeuerwerk gewesen. Und dann wurde vergangene Woche die großangelegte Kooperation mit dem US-Pharmariesen Pfizer in der Krebsforschung bekanntgegeben. Da spätestens kannte der Jubel an der Börse kein Halten mehr: „Wie versprochen stärken wir die drei Säulen, auf denen unser Geschäft ruht: Healthcare, Performance Materials und Life Science. Die Vereinbarung mit Pfizer ist ein wichtiger Meilenstein in der Weiterentwicklung unserer Pharma-Pipeline", kommentierte Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Merck-Geschäftsleitung, die neu geschaffene Allianz mit dem US-Rivalen Pfizer. Ziel dieser Zusammenarbeit sei es, die Präsenz beider Unternehmen in der Immuntherapie, die zu den zukunftsträchtigsten Gebieten der Krebsmedizin zählt, voranzutreiben.
Diese beschäftigt sich mit Methoden, die das körpereigene Abwehrsystem zum Kampf gegen den Krebs anregen sollen. „Unser strategischer Fokus auf die Immunonkologie wird durch die weltweite Allianz ganz wesentlich gestärkt“, freut sich Mercks Pharma-Chef Stefan Oschmann. Durch die Kooperation mit Pfizer, einem Partner der über globale Vertriebsmacht verfügt, erhofft sich Merck Verbesserungen in der Entwicklung und internationalen Vermarktung eines Antikörpers namens Anti-PD-L1(Substanz MSB0010718C) zur Behandlung unterschiedlicher Tumorarten. Zudem beschleunigt Merck durch die Kollaboration mit dem New Yorker Pharma-Giganten seinen Eintritt in den lukrativen US-amerikanischen Onkologie-Markt. So wird das Darmstädter Traditionsunternehmen im Rahmen eines Co-Marketing-Abkommens XALKORI, ein Medikament für das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom, künftig in den USA und verschiedenen anderen Schlüsselmärkten vertreiben.
Sowohl wissenschaftlich als auch finanziell gilt dieses Bündnis als äußerst lukrativ. Merck winken bis zu 2,3 Milliarden Euro. Umgerechnet 680 Millionen Euro (850 Millionen Dollar) sollen dabei Vorauszahlungen sein. Bei Verwirklichung bestimmter Ziele mit der Immuntherapie-Substanz sollen bis zu 1,6 Milliarden Euro in die Taschen des Darmstädter Konzerns fließen. Zudem wollen sich die beiden Partner künftige Umsätze mit dem Antikörper teilen. Das weltweite Potential für derartige Immuntherapie-Krebsmittel gilt in Experten-Kreisen als riesengroß. Schätzungen zufolge könnten damit bereits in zehn Jahren etwa 30 bis 35 Milliarden Dollar verdient werden. Insider trauen einzelnen Arzneien Jahresumsätze von mehreren Milliarden Dollar zu. Durch die Kooperation mit dem US-Riesen Pfizer startet Merck einen Angriff auf die derzeit im Gebiet der Immuntherapie-Wirkstoffe weltweit führenden Konzerne Bristol-Myers Squibb (BMS), MSD Sharp & Dohme, Roche und AstraZeneca. Letzteres Unternehmen hatte noch vor wenigen Monaten ein Übernahmeangebot von Pfizer ausgeschlagen. Die Absage ebnete unter anderem den Weg für die nun eingegangene deutsch-amerikanische Pharmapartnerschaft.
Diese wurde von vielen Analysten gelobt. Die Allianz mit den Amerikanern sei bedeutend für den Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern, schrieb Alistair Campbell von der Privatbank Berenberg. Denn im Bereich Immun-Onkologie hinkten die Deutschen den darin führenden Unternehmen bislang noch etwas hinterher. Um auf diesem Gebiet Fuß zu fassen, seien erhebliche Investitionen in eine ganze Reihe von klinischen Studien zu zahlreichen Krebsarten erforderlich, führte Campbell aus. Insofern sei es gut, dass Merck mit Pfizer einen finanzstarken Partner habe gewinnen können. Odile Rundquist von der Baader Bank sprach ebenfalls von "sehr guten Nachrichten" für Merck.
Die Allianz beschleunige die Entwicklungsarbeit der Darmstädter und verleihe ihr erhebliche Glaubwürdigkeit. Die Deutschen dürften von der Stärke und den Ressourcen von Pfizer profitieren, meinte auch Rundquist. Analyst Ulrich Huwald von Warburg Research ergänzte, wegen der Teilung der Entwicklungskosten sei der Deal eindeutig wertsteigernd. Außerdem rät die DZ Bank zum Kauf des Papiers. Sie hat den fairen Wert für Merck KGaA nach Zahlen und angekündigter Kooperation mit Pfizer von 77 auf 90 Euro angehoben. Die Zusammenarbeit sei für Merck KGaA finanziell außerordentlich lukrativ. Dies liege an dem hohen Innovationspotenzial des PD-L1-Hemmers, das von Pfizer honoriert werde.
Trotz der vielen Positivschlagzeilen für das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt- die Anfänge von Merck gehen bis in das Jahr 1668 zurück- ist für die Darmstädter noch lange nicht der Zeitpunkt gekommen, um das Jahr gemütlich-besinnlich ausklingen zu lassen. Am 5.Dezember steht nämlich noch ein bedeutsamer Termin bevor: Die Entscheidung der Aktionären von Sigma-Aldrich über die vorgeschlagene Suszeption durch Merck. Man darf sehr auf das Ergebnis gespannt sein. Ein „Ja“ zur Übernahme würde ein bislang fabelhaftes Jahr für Merck veredeln und die Darmstädter wohlmöglich passend zu Weihnachten mit einem weiteren Allzeithoch bescheren.