Panik bei Kali+Salz: Jetzt zugreifen?
Die Aktie ist nach dem spektakulären Kurssturz eine günstige Kaufgelegenheit / Kali+Salz geht es viel besser, als die Börse derzeit meint / Gerüchte um russische Kursmanipulationen<br /><br />Die Angst vor einem globalen Preiskampf auf dem Kalimarkt hat die Aktie des Kasseler Düngemittel- und Salzherstellers K + S auf eine dramatische Talfahrt geschickt. Das im Deutschen Aktienindex notierte Papier stürzte an einem einzigen Tag um 24 Prozent – und das nach einem wochenlangen Niedergang der Aktie. In wenigen Stunden büßte das Unternehmen damit mehr als eine Milliarde Euro an Börsenwert ein. Am Donnerstag setzte sich das Drama fort, erst am Freitag legte sich die Panik ein wenig. Mit Kursen von nunmehr klar unter 20 Euro hat der Dax-Wert sich binnen Jahresfrist glattweg halbiert. Damit droht K+S sogar der Abstieg aus dem Dax, was den Kursverfall noch einmal beschleunigen dürfte.
Die Massenflucht der Anleger aus der Aktie hatte der russische Konkurrent Uralkali ausgelöst. Das Unternehmen steigt nach eigenen Angaben aus der Export-Allianz mit dem weißrussischen Branchenkollegen BPC aus und will seine Produkte über eine eigene Handelsorganisation in der Schweiz vermarkten. Uralkali-Chef Vladislav Baumgertner setzte noch eins drauf: Gegenüber Nachrichtenagenturen kündigte er eine Produktionsausweitung im kommenden Jahr an und sieht den Kalipreis auf unter 300 Dollar je Tonne fallen, umgerechnet 226 Euro. Das wäre ein Viertel weniger als derzeit gezahlt wird.
Baumgertners Ankündigung traf allerdings nicht nur K + S hart. Auch die Aktien anderer großer Kaliproduzenten verloren stark an Wert. Nicht zuletzt das in London notierte Uralkali-Papier brach um 25 Prozent ein. K + S gibt sich derweil irritiert: Die kolportierten Preise für Kalidünger „sind für uns nicht nachvollziehbar und entsprechen aus unserer Sicht in keiner Weise der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation“, sagte K + S-Sprecher Michael Wudonig. Im Klartext heißt das: Die russischen Preisgerüchte und die Panikreaktion der Börse seien völlig übertrieben.
Eine „russian connection“?
Tatsächlich wundern sich auch einige Händler über den spektakulären Ablauf des Crashs. Es kursieren Gerüchte, dass russische Investoren mit sehr hohen Einsätzen ganz gezielt auf Baisse spekuliert hätten. “Die ganze Sache stinkt nach Insidergeschäften und Kursmanipulationen”, sagte ein erfahrener Marktteilnehmer aus Frankfurt. Mancher wagte gar die Vermutung, dass aus dem direkten Umfeld von Uralkali mit der gezielt platzierten Nachricht eine gigantische Spekulation mit Leerverkäufen verwoben sei.
Der internationale Kali-Markt wird von einer Handvoll Konzerne kontrolliert. Bislang herrschte in der Branche friedlicher Wettbewerb, Branchenkenner sprechen gerne auch von einem “kumpelhaften Kali-Kartell”. Das könnte sich nun ändern. Das Bündnis Belarus Potash Company (BPC) war neben dem nordamerikanischen Riven Canpotex bislang eines der zwei marktbeherrschenden Export-Bündnisse. BPC und Canpotex kamen bisher für rund 70 Prozent des weltweiten Kali-Handels auf. Das Duopol sorgte für einheitliche Preise in Schlüsselmärkten wie Indien und China.
Sollte nun ein globaler Preiskrieg ausbrechen, dann würde das nach Ansicht von Börsianern die Geschäfte von K+S enorm belasten. Die Commerzbank hat berechnet, dass ein Rückgang der Kali-Notierung um ein Prozent zu einer Verringerung des operativen K+S-Gewinns um rund zwei Prozent führe. Mit einem Marktanteil von rund zehn Prozent ist der deutsche Hersteller weltweit der fünftgrößte Produzent von Kaliumprodukten. In Zielitz bei Magdeburg betreibt K+S eines der größten Kalibergwerke Europas mit 1.700 Beschäftigten.
Investoren fürchten große Löcher bei Minenprojekten
Während sich die Bauern allenthalben über einen möglichen Preisrutsch freuen – Kalisalz ist eines der wichtigsten Düngemittel –, machen sich bei Investoren auch Sorgen über neue Minenprojekte breit. Denn manche davon dürften bei fallenden Preisen nicht mehr rentabel sein. Gerade diese Sorge trifft bei K+S zu. Denn neben einem drohenden Preiskampf hat das Unternehmen ohnedies Probleme mit einem neuen Riesenprojekt in Kanada namens „Legacy”. K+S treibt den Aufbau des neuen Kaliwerkes in der dortigen Provinz Saskatchewan voran. Der Bau von Legacy zieht sich allerdings in die Länge und wird unerwartet teuer. Das Investitionsbudget mußte auf 4,1 Milliarden kanadische Dollar (rund 3 Mrd. Euro) angehoben werden. Die bislang veranschlagten 3,25 Mrd. kanadische Dollar basierten auf der im November 2011 erstellten Machbarkeitsstudie.
Die Konzernleitung beschwichtigt freilich: „Die zusätzlichen Erkenntnisse stärken Planbarkeit, Transparenz sowie Steuerung und damit unser Großvorhaben insgesamt“. Und: „Das neue Werk wird künftig die Ausgangsbasis vor allem für den Absatz in den aufstrebenden Wachstumsregionen in Asien und in Südamerika sowie auch in Nordamerika sein. Legacy stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der K+S Gruppe und eröffnet uns attraktive Perspektiven für viele Jahrzehnte“, sagt der K+S-Vorstandsvorsitzende Norbert Steiner. „In Legacy liegt ein wichtiger Teil der K+S-Zukunft. Das Projekt ist wirtschaftlich attraktiv und erfüllt unter Berücksichtigung aller der Wirtschaftlichkeitsrechnung zugrundeliegenden Daten nach wie vor die Renditeanforderungen des Konzerns, eine Prämie von 15% auf die Kapitalkosten vor Steuern zu verdienen“.
Die zwei Belastungen (drohender Preiskampf und das Kanadainvestment) rechtfertigen aus Sicht vieler Analysten, dass die Aktie vorsichtiger bewertet wird. Doch der Ausverkauf sei damit kaum zu begründen. Er scheint einer momentanen Panik zu entspringen, dass das Kumpel-Kartell wirklich auf Krieg umschalte. Doch das gilt Brancheninsidern als unwahrscheinlich. Damit könnte die Aktie derzeit eine gute Einstiegsgelegenheit bieten. Denn K+S ist mitnichten ein angeschlagener Konzern. Die Gruppe verfügt über eine sehr solide Bilanzstruktur. Nach allen gängigen Bewertunsgmaßstäben ist das Unternehmen momentan deutlich unterbewertet. Der Vorstand weist zudem darauf hin, dass die Finanzierung von Legacy überwiegend aus bestehender Liquidität, künftigen Cashflows, sowie durch Aufnahme weiteren Fremdkapitals sichergestellt werde. „Die Dividendenpolitik des Unternehmens bleibt von der Entscheidung, die Investitionen zu erhöhen, unberührt.“, so Steiner.
Viel Potential beim deutschen DAX-Vertreter
Sollte also der befürchtete Preiskampf am Kalimarkt möglicherweise nicht so dramatisch ausfallen wie im ersten Schreck befürchtet, dann könnte K+S enormes Nachholpotential an der Börse zeitigen. Mit einer für Sommer 2016 kommenden Inbetriebnahme von Legacy erwartet das Unternehmen, dass an dem neuen Standort Ende 2017 die Zwei-Millionen-Tonnen-Marke bei der Produktionskapazität erreicht wird. Anschließend wird der schrittweise Ausbau der Jahreskapazität auf 2,86 Mio. Tonnen Kaliprodukte erfolgen. Mit Legacy wird K+S der einzige Kaliproduzent mit großen eigenen Produktionsstandorten auf zwei Kontinenten sein. Das neue Kaliwerk wird das deutsche Produktionsnetzwerk bedeutend ergänzen, die durchschnittlichen Produktionskosten reduzieren und die durchschnittliche Lebensdauer der K+S-Kalibergwerke verlängern. Zudem könnte Legacy die internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich stärken, was im Ergebnis der gesamten K+S Gruppe zugute kommt.
Die K+S ist mit ihren 14.000 Beschäftigten aber auch in anderen Geschäftsfeldern erfolgreich unterwegs. So ist das Unternehmen in den Bereichen Entsorgung und Recycling tätig. Das operative Geschäft gliedert sich in die vier Segmente Kali- und Magnesiumprodukte (Gewinnung von Kali- und Magnesiumrohsalzen in eigenen Bergwerken), Stickstoffdüngemittel (K+S Nitrogen) und Salz (esco – european salt company, Sociedad Punta de Lobos, Morton Salt). Hinzu kommen die “Ergänzenden Geschäftsbereiche”, die sich aus Entsorgung und Recycling (Lagerung von Abfällen in nicht mehr benötigten Bergwerksstollen), Logistik (K+S Transport GmbH und Empremar), Tierhygieneprodukte (Granulierung von Katzenstreu) sowie Handelsgeschäfte (Chemische Fabrik Kalk/CFK; Handel mit Basischemikalien wie Natronlauge) zusammensetzen. Alles läuft bislang solide – bis zum Tag als die Russen die Panik auslösten.
Fazit: Sollte der globale Preiskampf nun wirklich ausbrechen und das Kanada-Investment dadurch vielleicht sogar scheitern, dann ist das Börsen-Schlachtfest bei K+S berechtigt und auch noch nicht vorbei. Sollten sich aber die Marktpreise stabilisieren und nur moderat bewegen, dann steht bei K+S ein großes Kurs-Comeback bevor, zumal wenn die spekulativen Verkäufe russischer Adressen eine Übertreibung provoziert haben sollten. Dann wäre die Aktie jetzt ein sensationelles DAX-Schnäppchen. Bislang ist der Konzern jedenfalls in einer erstaunlich guten Verfassung.