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Rakete ohne Antriebskraft

Nach dem verpatzten Börsenstart von Rocket Internet fragen sich viele, ob der Hype der vergangenen Tage nicht mehr als heiße Luft war. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss, aber nicht hoffnungslos. Ein Aktieninvestment ist aber eher etwas für Mutige.

BÖRSE am Sonntag

Nach dem verpatzten Börsenstart von Rocket Internet fragen sich viele, ob der Hype der vergangenen Tage nicht mehr als heiße Luft war. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss, aber nicht hoffnungslos. Ein Aktieninvestment ist aber eher etwas für Mutige.

Eigentlich sollte es eine Rakete werden, die die Börsianer so richtig rockt. Doch daraus wurde nichts. Der Börsengang der Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet vom Freitag war ein Schuss in den heißen Ofen. Der erste Handelstag endete für alle enttäuschend, die den größten Börsengang seit der Jahrtausendwende in Europa in den vergangenen Tagen bereits vorab gefeiert hatten. Die Samwer-Brüder, die das Unternehmen in wenigen Jahren wie aus dem Nichts erschufen, flüchteten sich am Börsenparkett in Frankfurt in eine abgeschottete Glasbox.

Am Ende des Tages notierte die Aktie von Rocket Internet bei 37 Euro – und damit rund 13 Prozent unter dem Ausgabekurs von 42,50 Euro. Obwohl die am Börsengang beteiligten Banken bei Bedarf Aktien kaufen sollten, was das Zeug hielt, um den Kurs am Premieretag zu unterstützen. Und als ob der Teufel seine Finger an dem Tag im Spiel gehabt hätte: Im Handelssaal ging auch noch zwischenzeitlich der Feueralarm an. Feueralarm beim Börsengang von Rocket Internet – ohne Worte. Rocket-Chef Oliver Samwer stellte sich den Journalistenfragen. „Man muss Aktien langfristig betrachten und nicht kurzfristig an einem Tag, einer Woche oder einem Monat“, lautete sein Mantra an dem Tag, das er immer wieder wiederholte.

Firmen schreiben rote Zahlen

Rocket Internet ist weltweit an etlichen Startups beteiligt, die zumeist noch rote Zahlen schreiben – etwa auch der Onlinehändler Zalando, der am Mittwoch ebenfalls ein durchwachsenes Börsendebüt hingelegt hat. Viele Börsianer hatten sich vor dem Rocket-Börsenstart erhofft, dass das Unternehmen im Kielwasser des erfolgreichen IPO (Initial Public Offering) des chinesischen Onlinehändlers Alibaba an der Wall Street schwimmen könnte. Investoren hatten womöglich Rocket-Aktien gezeichnet, um bei der erhofften Kursexplosion beim Börsenstart schnelles Geld zu verdienen.

Doch der Börsenstart rief auch die Kritiker auf den Plan. Fundamental betrachtet ist es fraglich, ob Rocket Internet das Zeug hat, tatsächlich einmal eine Kursrakete an der Börse zu werden. Denn für viele ihrer Startups, die auch in Ländern wie Brasilien, Indien und Russland ihren Sitz haben, hat die Holding Rocket Internet noch keine Bilanzen vorliegen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Aktie im schwach regulierten Börsensegment Entre Standard gelistet ist. Das stößt bei einigen Börsianern auf Skepsis, unter anderem weil Rocket damit nicht die Pflicht erfüllen muss, der Öffentlichkeit alle drei Monate Quartalszahlen vorzulegen. Dies geschieht stattdessen nur einmal pro Jahr. Rocket Internet ist – zumindest momentan kein Kandidat für einen deutschen Aktienindex wie den MDAX. Dazu müsste das Unternehmen gemäß den Regeln der Deutschen Börse im stark regulierten Prime Standard notiert sein.

Unternehmen mit Visionen

Dass Rocket Internet an der Börse so viel Wert ist wie Lufthansa, halten viele für absurd. So ist der Umsatz von Rocket mit 47 Millionen Euro für das erste Halbjahr 2014 sehr überschaubar. Wer die Aktie kauft, kauft zugleich ein Stück Fantasie. An Visionen fehlt es den Berlinern nicht. In 116 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten sind die Samwer-Brüder mit ihren Startups präsent. Und das soll laut Chef Oliver Samwer erst der Anfang sein. Jede Firma kann auf die Computerplattform von Rocket Internet zugreifen, die den Aufbau der technischen Infrastruktur wie zum Beispiel den Aufbau der Internetseiten der Firmen erleichtert. Die meisten der Startups können auf diese Weise innerhalb weniger Monate mit ihrem Geschäft beginnen. Das behauptet zumindest der Rocket-Chef. Sein erklärtes Ziel ist es, die Firmen zu Marktführern in ihren Bereichen zu machen. Weiter erklärte Oliver Samwer, aus Rocket Internet das größte Internetunternehmen außerhalb der USA und China machen zu wollen.

Zwar schreibt Rocket Internet – im Gegensatz zu den von ihnen gegründeten Firmen – keine Verluste und ist auch nicht verschuldet. Doch ein Gewinn von 50,7 Millionen Euro erscheint bei dem Ergeiz, den die Berliner an den Tag legen, nicht gerade exorbitant. Aber: Fast alle der rund 70 Unternehmen, an denen Rocket beteiligt ist, erwirtschaften derzeit noch Verluste. Sogar die Firmen, die im Börsenprospekt etwas euphemistisch als „Proven Winners“ bezeichnet werden, machten vergangenes Jahr insgesamt ein Minus von mehr als 430 Millionen Euro.

Experten bemängeln Intransparenz

Andererseits spült der Börsengang natürlich viel Geld in die Kassen von Samer & Co. Erwartet werden rund 1,5 Milliarden Euro. Damit ist es der größten Börsengang seit 2007. Mit dem Geld will Rocket einerseits neue Firmen gründen. Andererseits soll es in die bereits bestehenden Unternehmen investiert werden. Dennoch: Unterm Strich bemängeln viele Experten die Intransparenz des Unternehmens. Dafür sorgen allein die unzähligen Mehr- und Minderheitsbeteiligungen der Berliner. Laut Börsenprospekt halten die Samwer-Brüder über ihre Beteiligungsgesellschaft Global Founders 52,32 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Zu den Rocket-Großinvestoren gehören die schwedische Beteiligungsgesellschaft Kinnevik sowie seit Kurzem United Internet und die philippinische Telekomfirma PLDT.

Sowohl der Börsengang von Rocket Internet als auch von Zalando haben Signalwirkung für die gesamte deutsche Technologiebranche. Sie gelten laut dem Wallstreet Journal als Test, ob Anleger nach dem Absturz des Neuen Marktes um die Jahrtausendwende wieder bereit sind, ihr Geld in Internet-Unternehmen zu investieren. Dennoch gilt an der Börse auch immer die Weisheit: Alles ist möglich – auch das Gegenteil. Ein Beispiel dafür die noch junge Historie der Facebook-Aktie. Nach dem Börsenstart im Frühjahr 2012 brach der Aktienkurs ein. Ein paar Monate später folgte die Trendwende. Der Kurs hat sich mittlerweile seit dem Börsenstart verdoppelt.