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Raketenstart ins Ungewisse

Durch den spektakulären Börsengang von Alibaba in der vergangenen Woche hat der Börsenmarkt an der Droge „Euphorie“ geschnuppert. Diese Stimmung will jetzt die junge Firma Rocket Internet für sich nutzen. Gelingt ein furioser Börsenstart? Für das Unternehmen ist die Wette wohl aufgegangen. Doch die Anleger setzen eher auf eine Mischung aus vagen Versprechungen und ungewissen Zukunftsaussichten. Ist Rocket ein trojanisches Pferd?

BÖRSE am Sonntag

Durch den spektakulären Börsengang von Alibaba in der vergangenen Woche hat der Börsenmarkt an der Droge „Euphorie“ geschnuppert. Diese Stimmung will jetzt die junge Firma Rocket Internet für sich nutzen. Gelingt ein furioser Börsenstart? Für das Unternehmen ist die Wette wohl aufgegangen. Doch die Anleger setzen eher auf eine Mischung aus vagen Versprechungen und ungewissen Zukunftsaussichten. Ist Rocket ein trojanisches Pferd?

Der Börsengang des chinesischen Konzerns Alibaba sorgte vergangene Woche für Aufruhr. Das chinesische Pendant von Ebay und Amazon legte den größten Börsenstart der Welt hin. Rund 25 Milliarden Euro haben die Chinesen damit auf einen Schlag verdient. Wenige Stunden nach dem Start lag der Wert der Alibaba-Papiere bereits 45 Prozent über dem Ausgabepreis. Die Anleger rissen sich darum Anteile an dem Unternehmen zu bekommen, das sämtliche E-Commerce Bestandteile unter einem Dach vereint.

Diese Stimmung will nun auch die 2007 gegründete Start-up-Schmiede Rocket Internet für sich Nutzen. Das junge Unternehmen will den in diesem Jahr größten Börsengang Deutschlands über die Bühne bringen und hofft dabei auf einen Emissionserlös von rund 1,6 Milliarden Euro. Das gesamte Unternehmen wäre dann 6,7 Milliarden Euro wert. Helfen soll dabei der Rückenwind des Alibaba Börsengangs sowie der generelle Trend der Märkte vermehrt auf Online-Unternehmen zu setzen.  

Rocket Internet hat ein einfaches Konzept: Das Unternehmen will bewährte Geschäftsmodelle auf die Schwellenländer übertragen und so die noch unerschlossenen Märkte im Bereich des E-Commerce erobern. Derzeit ist das Unternehmen der Berliner Investoren-Brüder Samwer, die auch seit Beginn am Onlinehändler Zalando beteiligt waren, bereits in 116 Ländern wie Russland, Indien, Brasilien und Nigeria präsent. Vorstandsvorsitzender Oliver Samwer sieht in seinem Unternehmen daher auch Geschäftsmöglichkeiten „ohne Limit“ und verspricht außerordentliche Renditen. Aus Investitionen von 169 Millionen habe Rocket in wenigen Jahren Euro 4,2 Milliarden Euro gemacht.

Verluste und eine undurchsichtige Firmenstruktur

Doch die Sache hat einen bedeutenden Haken: Anders als Zalando oder Alibaba wirft nahezu keines der Unternehmen von Rocket Internet derzeit Gewinne ab. Selbst die elf am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen haben im vergangenen Jahr Verluste von 442 Millionen Euro geschrieben. Der Gesamtverlust von Rocket Internet lasse sich derzeit nicht verlässlich ermitteln geben die Verantwortlichen in ihren Börsenprospekt freimütig zu.

Hinzu kommt die undurchsichtige Firmenstruktur von Rocket Internet. Bis jetzt hält das Unternehmen nur kleine Anteile von 21 bis 49 Prozent. Grund dafür ist, dass Rocket Internet mangels Kapitals nur in der Frühphase der Unternehmen investierte, weitere Finanzierungen dann jedoch nicht mehr mitgehen konnte. Das führte zur einer Verwässerung der Anteile. Mit dem Geld aus dem Börsengang soll dies in Zukunft jedoch verhindert werden. Die Aktie von Rocket Internet wird zunächst auch nur im wesentlich weniger regulierten Entry Standard notiert, da man die von der Deutschen Börse geforderten Bilanzen bei einigen Start-Up Unternehmen in Brasilien oder Russland nicht vorliegen hat. In Maximal zwei Jahren will Rocket Internet dann jedoch in den Prime Standard. Dieser ist Voraussetzung für die Aufnahme in die großen Indizes.

Experten sehen eine Investition in das Unternehmen, besonders für Privatanleger, kritisch. Denn mit Rocket Internet machen Anleger eine Wette für die Zukunft auf. Sechs bis neun Jahre will Samwers den E-Commerce Unternehmen geben um profitabel zu werden. Daher ist die Investition nur für Anleger mit einem langen Anlagezeitraum geeignet. Für eine Rocket Internet Aktie im Portfolio braucht man also eine Menge Zeit und vor allem viel Vertrauen in die E-Commerce Potentiale der Schwellenländer und die Aussagen von Samwers. „Dem Anleger muss klar sein, dass er hier nicht eine BASF-Aktie kauft“, stellt Portfoliomanager Michael Muders von Union Investment daher unmissverständlich klar.

Reißender Absatz vor Börsenstart

Für den Start-up-Entwickler ist der Plan bereits aufgegangen. Aufgrund der hohen Nachfrage haben die Verantwortlichen entschieden, den Handelsstart um eine Woche auf den 2. Oktober vorzuverlegen. Mehrere Ankerinvestoren, darunter ein von Baillie Gifford gemanagter Investmentfonds sowie die Bank JP Morgan, haben bereits Papiere für 600 Millionen Euro reserviert, egal zu welchem Preis. Bereits nach einer Stunde lagen zudem schon genügend Aufträge für die Aktien mit einer Preisspanne zwischen 35,50 und 42,50 Euro vor. „Es gibt eben noch keine E-Commerce-Aktien aus Russland oder Indien, die man kaufen kann“, begründet Samwer die Entwicklung.

Ähnlich wie bei Alibaba reißen sich die Anleger also um die Aktien des Online-Unternehmens. Damit setzt sich der Trend der Märkte fort, in Unternehmen aus dem vermeintlich so rosigen Zukunftsmarkt zu investieren, auch wenn die Erfolgschancen heute kaum abzusehen sind. Es ist eine riskante Wette auf die Zukunft, die für manchen Anleger auch zu einem bösen Erwachen führen könnte.