Wie stabil fliegt die rote Rakete?
Mit großem Wirbel und viel Konfetti ist Rocket Internet an die Börse gegangen. Anderthalb Monate später besitzen die Aktiencharts eine erste ernstzunehmende Aussagekraft. Wie viel Potential steckt tatsächlich hinter dem Berliner E-Unternehmen?
Mit großem Wirbel und viel Konfetti ist Rocket Internet an die Börse gegangen. Anderthalb Monate später besitzen die Aktiencharts eine erste ernstzunehmende Aussagekraft. Wie viel Potential steckt tatsächlich hinter dem Berliner E-Unternehmen?
An jedem ersten Montag des Monats findet in Berlin das „Rocket Breakfast“ statt. Zu Beginn dieses Frühstücks für Firmenneulinge läuft im Hintergrund das Lied „Rocket Man“ von Elton John. Ein regelmäßiges Ritual im wachsenden Internetunternehmen in der Johannisstraße 20. Ansonsten passiert dort viel Unbeständiges, viel Neues und Progressives. Die meisten Analysten tun sich daher noch schwer Rocket Internet einzuschätzen. Dazu gäbe es noch zu wenige Finanzinformationen, bemängelt beispielsweise ein Mitarbeiter von J. P. Morgan. Dennoch räumen Branchenexperten dem Internet-Unternehmen große Chancen ein. Denn die Strategie des Jungunternehmens mit Sitz in Berlin klingt erfolgsversprechend. Internationalisierung wird in der vierten und fünften Etage des Headquarters in Berlin Mitte großgeschrieben.
Die rote Rakete möchte außerhalb der größten Online-Märkte USA und China zur wichtigsten Internet-Firma der Welt werden. Denn da seien schließlich auch 74 Prozent aller Nutzer von mobilen Internetdiensten zuhause. Ein großes Ziel, das inzwischen schon eine ganz gute Grundlage besitzt. Gerade in Schwellenländern boomen E-Commerce-Angebote wie Rocket-Tochter Lazada, der größten Online-Shoppingmall Südostasiens. Die Rocket-Führung um Mitgründer Oliver Samwer sieht sich nicht als einfacher Investor sondern viel mehr als „Builder“ an. Und darin liegt auch schon eine zweite starke Kompetenz des Unternehmens: Infrastruktur. Zu vielen Versandhändlern oder Lieferservice-Angeboten stellen die Tochterfirmen von Rocket Internet besonders in Entwicklungsländern eigene Lieferflotten zur Verfügung, um das sogenannte „Last-Mile-Problem“ zu lösen. Lazada Indonesien verspricht sogar Pakete, die morgens bestellt wurden, bereits am Abend zu liefern. Damit setzt das Unternehmen neue Maßstäbe.
In neue Sphären stieg der Aktienkurs der Rakete in dieser Woche auf. Er erreichte ein Allzeithoch, dessen Aussagekraft zugegebenermaßen bei einer Börsenpräsenz von 40 Tagen nur bedingt sensationell ist, bei 49,98 Euro. Die magische 50 Euro-Marke konnte also - zumindest im Xetra-Handel - noch nicht überschritten werden. Als Kursziel gab Edward Hill-Wood von Morgan Stanley in dieser Woche einen Preis von 55 Euro an. Der Analyst schrieb, dass die Internet-Holding Rocket Internet durch ihre prozessgetriebene Infrastruktur-Plattform hohe Erträge generieren könne. Besonders interessant sei das Unternehmen für langfristig orientierte Anleger.
Die drei Samwer-Brüder aus Köln versuchen einen Hauch vom Silicon-Valley-Flair nach Berlin und somit nach Deutschland zu bringen. Ihre Methoden sind dabei nicht allseits beliebt, aber oftmals erfolgreich. Immer wieder muss sich das Berliner Unternehmen aber mit Kopier-Vorwürfen auseinandersetzen. Ende 2011 verließ deswegen ein Großteil des Managements den Raketenladen. Häufig wird Rocket Internet als „Klon-Unternehmen“ bezeichnet, weil es gute Ideen kleiner Start-Ups kopiert und große Eigenunternehmen schafft. CEO Samwer nutzt damit die enorme Marktmacht, die er mit seinem Unternehmen inzwischen hat und ist damit nicht bei jedem in der Gründungsszene beliebt und geachtet. Ein Jungunternehmer, der gerne anonym bleiben möchte, bezeichnet Rocket Internet gegenüber der Börse am Sonntag als eine „Start-Up-Heuschrecke“, die kleine Gründungen auffrisst. Auf der anderen Seite sind die Samwer-Brüder auch ein gutes Vorbild für viele Entrepreneurs. Lukas Zels, CFO und Mitgründer vom Berliner Start-Up Locafox, bewundert den Erfolg von Rocket Internet und sagt: „Bei Rocket hat mich von Anfang an beeindruckt, ein Unternehmen mit zwei Schreibtischen und drei Laptops zu starten und dann zu sehen, wie es rasant wächst.“ Mit Locafox hat er eine lokale Produktsuchmaschine für den Einzelhandel gegründet - vom Branchenvorbild Rocket hat er dafür einiges gelernt.
Was können Anleger und die Rocket-Führung aus den ersten anderthalb Monaten auf dem Börsenparkett lernen? Relativ viel. Denn nach einem Fehlstart Anfang Oktober zeigt die Tendenz steil nach oben. Die jüngsten Analysten-Empfehlungen verhalfen dem Aktienkurs in einen Bereich um die 50 Euro. Das Samwer-Unternehmen verfolgt langfristige Ziele in einem schnellebigen Geschäft. Bei aller Volatilität, die einige Branchenexperten erwarten, wird wohl eins beständig bleiben: Rocket Man am Montagmorgen.