Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Aktien > Rheinmetall & Co.

Rüstungsaktien: Die Kanonen donnern

(Bild: Shutterstock)

Weltweit herrscht Krieg. Darin im Einsatz: westliche Waffen. Auch der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall verdient prächtig. Aber Rüstungsaktien als Geldanlage? Eine Frage der Perspektive.

Wenn die Wendehälse den Ton angeben

Kommentar von Oliver Stock

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Nach diesem Motto verhalten sich all die, die jetzt begeistert Rüstungsaktien kaufen. Die öffentliche Meinung hat sich gedreht. Sie weiß wieder, wozu die Bundeswehr gebraucht wird, und sie hat erkannt, dass alles Grüne und die ganze Nachhaltigkeitsdebatte nichts wert ist, wenn der Feind mit Kanonen vor der eigenen Haustür lungert. Deswegen wird in Sachen Rüstung und Verteidigung alles, was gestern noch gegolten hat, heute über Bord geworfen. Die Wendehälse geben den Ton an.

Dabei gibt es Gesetze und Regeln, die genau dann einen Rahmen bilden sollen, wenn es schwierig wird, sich an sie zu halten. Es ist kein Problem, ein „Du sollst nicht klauen“ vorzugeben, wenn nichts zu klauen da ist. Sich aber bei großem Durst, sengender Hitze und ohne Geld daran zu halten, wenn man an der Theke mit eisgekühlten Getränken vorbeigeht, ist schon schwieriger.

Europa hat in einem mühsamen Prozess zu den ESG-Regeln gefunden. Sie haben die Rüstungs-, Tabak- und Glücksspielindustrie grundsätzlich als „socially harmful“ also sozial-schädlich eingestuft. Banken hatten darauf Kapitalflüsse in die Rüstungsindustrie gekappt. Und das alles gilt jetzt nicht mehr, weil unsere Perspektive mit einmal verrutscht ist? Klar können wir alle flexibel im Kopf sein. Aber wenn wir das jetzt sind, sollten wir uns zumindest für unsere moralische Borniertheit vorher entschuldigen, und für die Zukunft genauer überlegen, welche Regeln wir aufstellen. Am besten nur solche, die auch dann Bestand haben, wenn sich die Welt verändert.

Und noch etwas kommt hinzu: Der Staat überlässt in Deutschland das Geschäft mit der Rüstung lieber anderen. Er ist Großaktionär bei der Telekom, beteiligt sich seit mehr als einem Jahrzehnt an der Commerzbank und ihm gehört die Bahn zu Gänze – all das, weil es entweder Unternehmen sind, die für eine lebensnotwendige Infrastruktur sorgen oder weil ihre Pleite den Staat in noch größere Turbulenzen brächte, als wenn er sie einfach mit eigenem Geld über Wasser hält. Wenn Rüstung und Verteidigung aber für ein Land überlebensnotwendig sein sollen – und an der Annahme ist sicherlich etwas dran – dann sollte auch eine Regierung so ehrlich sein, und den Einstieg als Großaktionär bei einem heimischen  Rüstungskonzern vollziehen.

Das den eigenen Bürgern zu überlassen und sie damit vor eine Entscheidung zu stellen, die sie selbst nicht in der Lage ist zu treffen, ist eine Form von politischer Hasenfüßigkeit, die den in Deutschland Regierenden ähnlich sieht. Diese Haltung verunsichert aber die Aktionäre, die in Friedenszeiten Sorge haben müssen, wieder als Buhmänner dazustehen.

All das spricht jetzt nicht gegen den Einstieg als Aktionär in Rüstungsunternehmen. Es spricht nur dafür, es sich nicht leicht zu machen. Aktionäre sind keine Spekulanten, sondern Miteigentümer. Sie sollten sich klar darüber werden, ob sie das, was ihr Unternehmen macht, mittragen wollen.

Ich kauf doch, was ich will!

Kommentar von Matthias Lauerer

Manchmal gibt es Themen, da hat man eine klare Meinung. Hier ist so eines: Soll ich Aktien von Rüstungskonzernen kaufen? Oder lieber nicht? Sicher, im Moment reden alle über den Ukrainekrieg, den Russland vor über zwei Jahren begann. Aber kaum einer spricht über die einige Dutzend anderen globalen Konflikte, die Menschen sekündlich töten. Und selbstverständlich boomt wegen all der Schlachten auch der Rüstungsmarkt. Experten glauben sogar, dass dies so bleibt. So ermittelten es die Profis des „Stockholm Internationals Peace Research Instituts“. Demnach stiegen die globalen Rüstungsausgaben innerhalb nur eines Jahres um 3,7 Prozent – auf nunmehr unfassbare 2.240 Millionen US-Dollar.

Aber mal unter uns: Wo ist denn das Problem? Da gibt es Menschen und da gibt es Waffen. Und diese werden eingesetzt – oder eben nicht. Weshalb sollte ich also der mit dem ethischen Problem sein, wenn ich Aktien von Rüstungsgiganten im Portfolio habe? Denn setze ich diese üblen Waffen ein? Nein, wobei: Hat sich schon mal ein Nutzer der Samsungmobiltelefone gefragt, woher all die tolle Technik stammt, die in den Smartphones verbaut ist? Richtig, die stammt vom Rüstungsarm des südkoreanischen Tech-Konzerns. Okay, dieser Firmenteil wurde 2015 verkauft und nennt sich seitdem „Hanwha Systems“. Heute taucht die Firma auf Rang 82 der 2022er-Liste der größten globalen Waffenkonzerne auf. Denn was gut im Panzer funktioniert, machte sich auch im Handy sehr gut.

So langsam sickert das knifflige Thema auch ins gesellschaftliche Bewusstsein, denn weshalb wohl ist sich die Firma „Rheinmetall“ nicht zu schade, sich zum Sponsor der Borussen zu machen? Dass sie dies nicht tun, weil sie lustig sind, sondern weil der Konzern glaubt, dass die Zeit reif ist, eine besondere Nachricht in die Bevölkerung zu tragen. Und die lautet: Demokratien werden mit Waffen verteidigt. Ob uns das nun gefällt oder nicht, aber die sehr lange Friedenszeit in Europa, die so etwa 1990 mit dem Fall der Berliner Mauer begann und sich – mit Ausnahmen wie dem Kosovokrieg 1999 oder der Katastrophe in Jugoslawien in den 1990er-Jahren – geschmeidig wie ein maßgeschneiderter Cashmeremantel sachte über die Geschichte Europas legte: diese Friedenszeit endete mit der Torheit des Wladimir Wladimirowitsch Putin vor über zwei Jahren. Nun haben wir zwei Möglichkeiten. Wir machen weiter wie zuvor und bauen Schutzmaßnahmen zurück und schließen Bunker und lassen die Sirenen nicht mehr an jedem Samstag immer um 12:00 Uhr mittags ertönen, um jene so auf ihre Funktion hin zu testen. Oder wir rüsten auf und partizipieren per Aktie am monetären Erfolg der Waffenproduzenten.  

Also: Weshalb soll ich als Bürger nicht am Erfolg eines Rüstungskonzerns teilhaben? Wo liegt denn das Problem? Kann uns denn die liebe Ethik davor schützen, wenn sich ein Mr. Putin eines Tages weiter auf den Weg in den Westen aufmacht – und die NATO angreift? Eher nicht, denn es sind Waffen, Panzer, Haubitzen oder Düsenjäger, die uns diese üble Pest dann vom Leibe halten. Und wenn ich damit auch noch ein paar Euro verdiene, also mit dem steigenden Kurs von Konzernen wie Rheinmetall und Co. soll mir das recht sein. Oder um es mit den Worten des Konfuzius zu sagen: „Wenn Du Frieden willst, rüste für den Krieg.“

Rheinmetall

Das Magazin

BÖRSE am Sonntag

Zur Online Ausgabe Newsletter abonnieren
Das Magazin

AnlagePunk

Zur Online Ausgabe Newsletter abonnieren

Ähnliche Artikel