Tesla: Dreimal so viel wert wie Daimler
Die jüngste Kursrallye hat Elon Musk und Tesla-Anleger sehr viel reicher gemacht. Seine Vorhaben bleiben auch für 2020 gewaltig. Wird sich die Entschlossenheit des Südafrikaners auszahlen und Tesla so zum wertvollsten Unternehmen der Welt avancieren?
Die jüngste Kursrallye hat Elon Musk und Tesla-Anleger sehr viel reicher gemacht. Seine Vorhaben bleiben auch für 2020 gewaltig. Wird sich die Entschlossenheit des Südafrikaners auszahlen und Tesla so zum wertvollsten Unternehmen der Welt avancieren?
Begeisterter Anhänger oder leidenschaftlicher Kritiker: An Elon Musk und seinem Unternehmen spalten sich die Gemüter. Das liegt sicherlich auch daran, dass es dem Tesla-Chef immer wieder gelingt, mit seinen Äußerungen und seinen Taten zu polarisieren. Hierzulande aktuell ein heißes Thema ist der geplante Bau einer neuen Gigafactory in der Nähe von Berlin. Die Amerikaner hatten dafür zunächst die Zulassung für einen vorzeitigen Baubeginn erhalten. Sie legten daher sofort los und machten sich daran, das Baugelände vorzubereiten, sprich die märkischen Kiefern zu fällen. Naturschützer veranlassten jedoch einen gerichtlichen Rodungsstopp, weshalb sich das Bauvorhaben verzögert.
Expansion schreitet voran
Der E-Autohersteller will die Fabrik eigentlich im Eiltempo hochziehen, um bereits im Jahr 2021 mit der Produktion von Akkus und Fahrzeugen zu starten. Künftig sollen hier einmal 500.000 Autos im Jahr produziert werden. Der Standort liegt östlich von Berlin in der brandenburgische Gemeinde Grünheide. Tesla baut hier seine vierte Gigafactory – die erste in Europa. Die anderen drei Großfabriken sind in den US-Bundesstaaten Nevada und New York sowie im chinesischen Shanghai angesiedelt. Nach den USA und China macht Tesla somit den nächsten konsequenten Schritt bei seinen Expansionsplänen. Mit der Schaffung signifikanter Kapazitäten geht er den wichtigen europäischen Markt an. Die deutsche Autobranche bekommt damit zusätzlichen Druck, ihrerseits beim Thema Elektromobilität noch stärker auf das Pedal zu treten.
Aktie unter Strom
Mit dieser offenen Kampfansage an die deutschen Hersteller verfolgt Musk fest entschlossen seine eigenen ehrgeizigen Wachstumsziele. Diese scheinen am Markt immer mehr Anklang zu finden. Tesla machte zuletzt durch eine beeindruckende Kursentwicklung von sich reden. Die Aktie war seit Oktober bis zum bisherigen Hoch Anfang Februar um mehr als 280 % in die Höhe geschossen. Der Rekord liegt nun bei 968,99 US-Dollar. Damit war der Autobauer an der Börse zwischenzeitlich mehr als 175 Mrd. US-Dollar wert und damit beinahe so viel wie Volkswagen, Daimler und BMW zusammen. Offenbar setzen immer mehr Anleger auf eine positive geschäftliche Zukunft der Kalifornier. Dafür lassen sich handfeste Gründe finden. Elektroautos liegen im Trend – sie treffen den Zeitgeist. Tesla kann zudem mit technischen Finessen, komfortabler Ausstattung sowie einer erstklassigen Verarbeitung punkten. Die Kalifornier bauen aber nicht nur gefragte Fahrzeuge. Sie haben ebenso Lösungen für die Erzeugung (Solaranlagen) sowie die Speicherung von elektrischer Energie im Repertoire. Auch das weckt Wachstumsfantasie. Vor allem hat das Unternehmen aber zuletzt enorme operative Fortschritte gemacht. Die Investitionen der vergangenen Jahre, insbesondere in den Ausbau der Kapazitäten, machen sich zunehmend bezahlt.
Musk hält Kurs
Das ist ein starker Hinweis, dass das Prinzip von Elon Musk funktioniert. Der Visionär verfolgt Ziele, die so groß sind, dass sie in den Augen vieler als unerreichbar gelten. Seine Pläne werden manchmal sogar mit Begriffen wie „größenwahnsinnig“ charakterisiert, weil seine ehrgeizigen Vorhaben oft eine nicht vorstellbare Tragweite haben. Davon lässt sich Musk aber nicht beirren. Er trotzt jedweder Kritik und packt seine Ziele konsequent und fruchtlos an – lässt sich dabei auch von Rückschlägen und neuen Herausforderungen nicht vom Kurs abbringen. Er wird daher auch Wege finden, die aktuellen Verzögerungen in Brandenburg zu meistern. Ob Tesla letztlich eine dauerhafte Erfolgsstory werden wird, steht zwar noch nicht fest. Eine gute Ausgangsbasis dafür ist jedoch gelegt – Musk wird diese zu nutzen wissen.
Produktion zieht kräftig an
Ein großer Knackpunkt sind die Kapazitäten. Tesla kam lange Zeit mit der Herstellung seiner Fahrzeuge nicht hinterher. Diese Situation bessert sich stetig. Die Produktion in den bestehenden Fabriken wird immer weiter hochgefahren. Neue Standorte entstehen und nehmen, wie zuletzt in Shanghai, den Betrieb auf. Dadurch war man im vergangenen Geschäftsjahr in der Lage, bereits 368.000 Fahrzeuge auszuliefern. Ein Jahr zuvor waren es nur rund 245.000 Autos. Das entspricht einem Wachstum von rund 50 %. Für das laufende Jahr will man „komfortabel“ die Marke von 500.000 Auslieferungen übertreffen. Und nicht nur bei den Fahrzeugen nimmt die Herstellung zunehmend Fahrt auf. Auch bei den Stromspeicher- und Solaranlagen zeigt der Trend aufwärts. Hier sollen 2020 jeweils 50 % mehr bei den Kunden installiert werden. Die Zahlen und Erwartungen zeigen: Tesla setzt seinen Wachstumskurs beharrlich fort. Das spiegelt sich auch in den Ergebnissen wider. Das Unternehmen hatte 2019 Umsätze von 24,6 Mrd. US-Dollar erzielt. Das entspricht einem Wachstum von mehr als 15 %. Klingt angesichts der Steigungen bei den Auslieferungen nicht spektakulär. Das liegt aber vor allem daran, dass der Absatz bei dem günstigen „Model 3“ kräftig gestiegen ist, der in seiner Preisklasse mehr massentauglich ist. Das relativ niedrige Umsatzplus ist daher kein Makel.
Kritischer Punkt überwunden
Die Kritiker könnten dennoch einwenden, dass Tesla zwar schöne Autos und tolle Energiespeicher bauen kann, damit aber nach wie vor kein Geld verdient. Das mag auf den ersten Blick stimmen. Im vergangenen Jahr war das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) mit 69 Mio. US-Dollar erneut negativ. Gegenüber dem Vorjahresverlust von 388 Mio. US-Dollar hatte es sich allerdings verbessert. Trotz eines nach wie vor hohen Zinsaufwands von 685 Mio. US-Dollar konnte auch unter dem Strich der Fehlbetrag von 1,06 auf 0,78 Mrd. US-Dollar reduziert werden. Das Nettoergebnis wird jedoch oft von verschiedenen buchhalterischen Einflüssen verzerrt, weshalb bei der Beurteilung der operativen Stärke die Cashflow-Rechnung eine bessere Einschätzung ermöglicht. Und hier tritt immer deutlicher das Potenzial zutage, welches in Tesla steckt. Der kritische Punkt ist offenbar überwunden. Der operative Cashflow, der 2018 mit rund 2,1 Mrd. US-Dollar erstmals einen nennenswerten Wert erreicht hatte, legte 2019 weiter auf 2,4 Mrd. US-Dollar zu. Außerdem hatte der freie Cashflow, der sich aus den operativen Rückflüssen abzüglich der Geschäftsinvestitionen zusammensetzt, erstmals einen positiven Wert erreicht. Mit 973 Mio. US-Dollar fiel er zudem recht ordentlich aus.
Kleiner Seitenhieb
Natürlich muss Tesla nun weiterhin liefern. Ein solides Unternehmen ist der Konzern noch längst nicht. Die Entwicklungen bei den Cashflows implizieren jedoch zunehmend nachhaltig positive Rückschlüsse und damit ein nachhaltig funktionierendes Geschäftsmodell. Derartige Erwartungen scheinen sich in der jüngsten Kursrally Bahn zu brechen. Abgesehen von den geschäftlichen Fortschritten dürfte die Eindeckung von Short-Positionen zu dem dynamischen Anstieg beigetragen haben. Tesla war und ist ein beliebtes Spielzeug für Short-Spekulanten, also Marktteilnehmern, die auf fallende Kurse setzen. Die Aktie gehört in den USA zu jenen mit den höchsten Leerverkäufen. Angesichts der dynamischen Kurssteigerungen kamen diese Short-Positionen zunehmend unter Druck, weshalb immer mehr das Handtuch warfen und ihre Positionen durch entsprechende Käufe schlossen. Das dürfte weitere Marktteilnehmer in Zugzwang und damit eine Spirale in Gang gebracht haben. Musk kommentierte die Rally Anfang Februar mit einem Tweet der lediglich drei Flammen-Emojis beinhaltete – wohl ein kleiner Seitenhieb an die Short Spekulanten und all die Kritiker. Das diese nun gänzlich verstummen, ist jedoch zu bezweifeln. Vor allem wenn man versucht, die Aktie mit herkömmlichen Methoden zu bewerten. Die aktuelle Marktkapitalisierung von etwa 166 Mrd. US-Dollar lässt sich nur schwer mit den aktuellen Geschäftszahlen in Einklang bringen. Insbesondere wenn man Tesla mit Firmen vergleicht, die seit Jahrzehnten profitabel wirtschaften. Und dann sind da noch die Risiken, die sich aus den ehrgeizigen Expansionsplänen ergeben.
Zukunftsfähiges Geschäftsmodell?
Die Kalifornier sind jedoch ein perfektes Beispiel dafür, dass es an der Börse nicht allein auf die Kennzahlen ankommt. Hier wird vor allem auch immer die Zukunft gehandelt. Daher muss man sich bei Tesla fragen, ob das Geschäftsmodell zukunftsfähig ist. Zugegeben, eine Herausforderung. Sie wird jedoch vereinfacht, wenn man sich anschaut, was der Markt derzeit macht. Dieser hat bekanntlich immer recht. Das heißt nicht, dass keine neuen großen Korrekturen kommen werden. Sie wird es mit Sicherheit wieder geben, wenngleich niemand sagen kann, wann. Grundsätzlich scheint der Markt aber an eine erfolgreiche Zukunft des Autobauers zu glauben. Auch wird Tesla wohl nicht das Geld ausgehen, um seine Expansionsziele zu verwirklichen, was hin und wieder prophezeit wird. Beispielhaft dafür ist die jüngste Ankündigung einer Aktienplatzierung. Das Unternehmen nutzt den hohen Kurs, um bis zu 3,05 Millionen neue Aktien auszugeben. Das entspricht etwa 1,7 % der aktuell ausstehenden Papiere. Der Verwässerungseffekt ist damit nicht sonderlich hoch. Dennoch dürfte Tesla mit netto mehr als 2,3 Mrd. US-Dollar ein schönes Sümmchen einnehmen. Das Geld soll zur „Stärkung der Bilanz sowie für allgemeine Unternehmenszwecke“ verwendet werden.
Kein Witwen- und Waisenpapier
Natürlich gab es von einigen Kritik an der Kapitalerhöhung. Nüchtern betrachtet ist der Schritt jedoch ein weiterer genialer Schachzug von Elon Musk – gerade in einer Phase, in der die Short-Seller unter Druck stehen. Bei allen operativen Fortschritten und den Vorschusslorbeeren, denen man Musk und Tesla zugesteht, ist die Aktie jedoch kein Witwen- und Waisenpapier. Wer bei Tesla mitfährt, muss sich gut anschnallen und sich auf eine anhaltend volatile Kursentwicklung einstellen – und das bei einem langfristigen Anlagehorizont. Vielleicht steht die Aktie tatsächlich in einigen Jahren bei mehr als 10.000 US-Dollar je Stück, wie bereits von besonders optimistischen Analysten erwartet. Dann wäre der aktuelle Kurs ein Schnäppchen. Das ist jedoch allenfalls Zukunftsmusik, die große Unsicherheiten beinhaltet. Die Aktie ist daher vor allem etwas für diejenigen, die keine Angst vor besonders hochgesteckten Zielen haben und damit auf das Prinzip Elon Musk setzen – mit allen Chancen aber auch Risiken.
Thomas Behnke
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