Walgreen: Shampoo, Fotos und Viagra
Seit mehr als 100 Jahren ist die US-Drogeriemarktkette im Geschäft. In ihren Läden findet jeder etwas. Angefangen bei Körperpflege- und Kosmetikprodukten über Services wie die Entwicklung von Fotos bis hin zu frei verkäuflichen und rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Die Mischung macht’s. Walgreen fährt gut mit dieser Strategie, wie auch die jüngst vorgelegten Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2009/10 (bis Ende August) verdeutlichen.
Mit den Steigerungen bei Umsatz und Profit setzte der Konzern die beeindruckende Erfolgsserie der vergangenen Jahrzehnte fort, in denen er beispielsweise in den letzten 36 Jahren ohne Unterbrechung steigende Umsätze erzielte. Beim Nachsteuergewinn sieht es ähnlich aus, auch wenn im Jahr 2008/09 wegen Restrukturierungskosten ein kleiner Rücksetzer zu verzeichnen war. Ohne diesen Sondereffekt konnte Walgreen aber ebenfalls zulegen und mit dem Plus im abgelaufenen Geschäftsjahr 2009/10 kann das Unternehmen auch hier auf 36 Jahre stetige Steigerungen zurückblicken. Welches Unternehmen sonst kann das von sich behaupten?
Dividende seit 1933
Die Gesellschaft zeichnet sich ferner durch eine aktionärsfreundliche Ausschüttungspolitik aus. Seit 1933 zahlte sie den Investoren jedes Quartal eine Dividende. Daran dürfte sich auch 2009/10 nichts ändern und die Anteilseigner werden sicherlich mit einer Ausschüttung für das Schlussquartal bedacht. Sollte es wie für das Jahresviertel davor eine Auszahlung von 0,175 US-Dollar je Aktie geben, wofür die Dividendenkontinuität des Unternehmens spricht, würde sich die Ausschüttung für das Gesamtjahr auf 0,625 US-Dollar summieren. Daneben hat die Gesellschaft bis Ende September eigene Aktien im Wert von 2 Mrd. US-Dollar zurückgekauft, wodurch sich die Zahl der ausstehenden Aktien verringert, mit dem positiven Effekt, dass sich Gewinn und Dividende auf eine geringere Anzahl an Anteilscheinen verteilen. Das im Oktober 2009 angekündigte Rückkaufprogramm wurde damit deutlich früher abgeschlossen als ursprünglich mit Ende 2013 avisiert.
Rekordergebnisse
Voraussetzung für die Zahlung einer Dividende sind gute Geschäfte. Die konkreten Zahlen für das Geschäftsjahr 2009/10 gestalten sich wie folgt: Im Schlussquartal steigerte Walgreen seinen Umsatz um 7,4% auf 16,87 Mrd. US-Dollar und verzeichnete damit einen neuen Quartalsrekord. Die sogenannten vergleichbaren Umsätze (comparable store sales) stiegen um 1,5%. Bei dieser wichtigen Kennzahl im Einzelhandel werden nur die Einnahmen in den Geschäften berücksichtigt, die mehr als ein Jahr geöffnet sind. Dadurch werden verzerrende Effekte wie Zukäufe oder die Eröffnung neuer Läden herausgefiltert. Wichtigste Einnahmequelle bleibt weiterhin der Umsatz mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, der fast zwei Drittel ausmacht. Hier verzeichnete Walgreen im Zeitraum Juni bis August einen Zuwachs von 6,5%. Der vergleichbare Umsatz legte hier um 1,6% zu. Insgesamt hat die Gesellschaft im vierten Quartal 3,3% mehr Rezepte eingelöst als im Vorjahreszeitraum. Sie übertraf damit das Wachstum des Gesamtmarktes um ganze drei Prozentpunkte. Aber nicht nur bei den Einnahmen lief es glänzend, auch der Nachsteuergewinn legte um 7,9% auf 470 Mio. US-Dollar zu. Mit den starken Ergebnissen im Schlussquartal beendete Walgreen ein insgesamt gutes Geschäftsjahr 2009/10. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Umsatz um 6,4% auf den neuen Rekordwert von 67,42 Mrd. US-Dollar. Unter dem Strich blieben 2,09 Mrd. US-Dollar Profit übrig und damit 4,2% mehr.
Plus trotz Sondereffekte
Das Ergebnis je Aktie (EPS) kletterte von 2,02 auf 2,12 US-Dollar. Im Vorjahr schmälerten dabei Restrukturierungskosten von insgesamt 163 Mio. US-Dollar den Gewinn je Aktie um 0,16 US-Dollar. 2009/10 fielen in diesem Kontext 67 Mio. US-Dollar oder 0,07 US-Dollar je Aktie an. Hinzu kamen weitere belastende Sondereffekte von 0,10 US-Dollar, davon 0,06 US-Dollar für die Kosten im Zusammenhang mit der bislang größten Übernahme in der Firmengeschichte. Walgreen hatte die Drogeriekette Duane Reade mit 258 Geschäften in der Region New York City geschluckt. Das Volumen der Transaktion inklusive der Übernahme von Schulden wurde mit 1,08 Mrd. US-Dollar taxiert.
Anhaltende Expansion
Mit dem Deal setzte der Konzern seine Expansionsstrategie fort. Inklusive einer Reihe weiterer kleiner Zukäufe sowie der Eröffnung von netto 291 neuen Läden stieg die Zahl der von Walgreen betriebenen Geschäfte bis Ende August auf insgesamt 7.561, davon 7.445 Drogerien und 116 Apotheken in Krankenhäusern. Neben Körperpflege-, Hygiene- und Kosmetikartikeln sowie Dienstleistungen wie der Entwicklung von Fotos werden in den Märkten frei verkäufliche und rezeptpflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte angeboten. Walgreen ist dabei der größte Einzelhändler im Pharmabereich in den USA. 2009/10 stieg der Marktanteil eigenen Angaben zufolge von 18,9% auf 19,5%. Insgesamt nahm die Gesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr 778 Mio. Arzneimittelrezepte an, ein Plus von 7,5%. Walgreen ködert die Kundschaft dabei mit einem Rabattklub für nicht versicherte oder unterversicherte Patienten, dem rund 2 Mio. Mitglieder angehören. Über die Tochter Take Care Health Systems betreibt der Konzern außerdem mehr als 700 Kliniken und Gesundheitszentren, die teilweise an den Drogeriestandorten, aber auch in Unternehmen angesiedelt sind. Behandelt werden dort vor allem „einfache“ Krankheiten wie Erkältungen. Außerdem werden dort Impfungen angeboten, was ein lukratives Geschäft ist und daher zuletzt deutlich ausgebaut wurde. Walgreen hat das Netzwerk an zertifizierten Standorten, an denen geimpft werden darf, von 18.000 auf 26.000 erhöht, sodass das Unternehmen nun deutlich mehr Impfstoffe absetzen kann. Aber nicht nur auf diesem Gebiet ist der Konzern ständig dabei zu expandieren und die Absätze anzukurbeln. Er entwickelt kontinuierlich seine Drogeriemärkte weiter, sei es durch eine verkaufsfördernde Neugestaltung oder durch die Optimierung des Sortiments. Beispielsweise wurde zuletzt die Zahl der Läden, in denen auch Bier und Wein verkauft wird, deutlich um 3.500 auf etwa 4.200 erhöht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Steigerung der Produktivität und die Senkung der Kosten. Die Gesellschaft machte in diesem Zusammenhang 2009/10 weitere Fortschritte und ist eigenen Angaben zufolge auf einem guten Weg, das für 2010/11 anvisierte Ziel von 1 Mrd. US-Dollar jährlichen Einsparungen zu erreichen.
Fazit
Ein einfaches durchdachtes Geschäftsmodell mit einer starken Marktposition sowie eine kontinuierliche und umsichtig durchgeführte Expansionsstrategie sorgen beim Drogeriemarktbetreiber seit Jahren für stetig steigende Ergebnisse. Davon profitieren auch die Investoren und das Unternehmen zeichnet sich durch eine beständige Dividendenpolitik aus. Auch künftig dürfte der Konzern weiter mit steigenden Umsätzen, vor allem aber Profiten, glänzen. Er will dazu bei der Eröffnung neuer Geschäfte einen Gang zurückschalten, um so die Margen zu erhöhen. Zudem soll genügend Cashflow generiert werden, um die Investoren durch Dividenden und Aktienrückkaufprogramme auch künftig am Geschäftserfolg zu beteiligen. Die Anleger scheinen von weiterhin guten Aussichten auszugehen. Die Aktie machte nach Vorlage der Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2009/10 einem kräftigen Satz nach oben. Vielleicht trägt der Schwung den Kurs nun auch über den Abwärtstrend seit Oktober 2009 von derzeit etwa 35,10 US-Dollar, was dann den Weg zu den Hürden bei 37,95 und 40,69 US-Dollar freimachen würde.