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Aktien > Krise in Wolfsburg

Wann kommt der Zeitpunkt für einen Einstieg bei VW?

(Foto: picture alliance / dpa / Moritz Frankenberg)

Deutschlands größter Autokonzern verliert an der Börse dramatisch an Wert. Die jüngsten Quartalszahlen legen nahe: Volkswagen steckt in einer schweren Krise. Doch irgendwann muss der Boden erreicht sein, oder?

Die Misere bei Volkswagen hat mit der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Von Juli bis September lieferten die Wolfsburger 2,18 Millionen Fahrzeuge aus, sieben Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das operative Ergebnis ging um 42 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro zurück. Das Nettoergebnis sank noch stärker, um 64 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Immerhin der Umsatz war in etwa gleich hoch wie noch vor einem Jahr, die operative Marge aber schrumpfte um zweieinhalb Prozentpunkte auf 3,6 Prozent. Bei der Kernmarke VW lag die Umsatzrendite sogar nur noch bei 1,8 Prozent.

Aber im Konzern schwächelt längst nicht mehr nur VW, auch Audi und Porsche melden schwache Verkaufszahlen und erodierende Gewinne. Über den gesamten PKW-Bereich hinweg erreichte Volkswagen nach sechs Prozent vor einem Jahr, nun nur noch 1,7 Prozent Marge. Im Wettbewerb mit Chinas aufstrebenden Autofirmen, darunter BYD, Nio oder Xpeng, verliert Volkswagen wie die deutsche Autoindustrie im Allgemeinen immer mehr Marktanteile. Die Hersteller aus Fernost treiben die einst führenden Hersteller inzwischen im Bereich der E-Mobilität und des Fahrzeuginterieurs technologisch vor sich her. Über die Gemeinschaftsunternehmen, die VW mit chinesischen Firmen betreibt, blieb im dritten Quartal mit 378 Millionen nur noch in etwa die Hälfte des Ergebnisses von vor einem Jahr übrig.

Deutschlands größer Autokonzern steckt in einer fundamentalen Krise. Bei der Marke VW steht auf Sicht von neun Monaten ein operativer Gewinn von 1,3 Milliarden Euro Entwicklungskosten von rund fünf Milliarden Euro gegenüber. Das sind dramatische Zahlen, die nicht von einem externen Krisenereignis, wie einer Pandemie oder einer Finanzkrise beeinflusst werden, sondern allein strukturell bedingt sind. Volkswagen ist mit seiner momentanen Kostenstruktur schlicht nicht in der Lage am Weltmarkt mitzuhalten.

Wirklich überraschend kommt all das nicht. Es kriselt schon länger in Deutschlands Schlüsselindustrie und ganz besonders in Wolfsburg. „Die Lage ist schon sehr ernst“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest jüngst im ZDF. Die fetten Jahre mit wenig Konkurrenz am Weltmarkt und der Technologieführerschaft bei Verbrennern, sind vorbei. Viele Anleger haben längst Reißaus genommen, der Kurs der Volkswagen-Vorzüge hat sich in drei Jahren halbiert. Um das Rekordhoch aus dem März 2015, kurz vor Bekanntwerden des Dieselskandals, wieder zu erreichen, bräuchte es nun bereits eine Verdreifachung des Kurses. Selbst, wer Ende 2010 bei Volkswagen eingestiegen ist, hat nun nach 14 Jahren einen Verlust zu beklagen.

Volkswagen-Aktie

Wurde als Reaktion auf die besorgniserregende Geschäftsentwicklung vor wenigen Wochen erst hinter vorgehaltener Hand, dann allmählich auch öffentlich über mögliche Werksschließungen diskutiert, geht der Volkswagen-Vorstand jetzt in die Offensive. Ein radikaler Sparkurs soll her. Drei deutsche Werke stehen zur Disposition, die Tariflöhne sollen um zehn Prozent gesenkt werden, Bonuszahlungen gestrichen werden.

Zähe Verhandlungen mit der IG Metall stehen bevor, doch die Panik bei Volkswagen ist so groß, dass man bereit ist, nahezu jeden unpopulären Schritt zu gehen, der noch vor kurzem undenkbar gewesen wäre. Es geht jetzt ums Ganze in Wolfsburg, ums Überleben, um die globale Wettbewerbsfähigkeit. Weichen, die im vergangenen Jahrzehnt nicht gestellt worden sind, müssen jetzt gestellt werden, sonst droht ein noch schwerwiegenderes Fiasko. Zur geplanten Restrukturierung bei VW gebe es mit Blick auf die Zahlen keine Alternative, sagte Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer.

Für die ohnehin schon zwischen Rezession und Miniwachstum hin- und her taumelnde deutsche Wirtschaft ist Volkswagens missliche Lage der nächste Tiefschlag und sogleich Brandbeschleuniger. Die Auswirkungen werden über Wolfsburg und weite Teile der Wertschöpfungskette hinaus zu spüren sein.

Zurück an die Börse: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“, hat einmal niemand geringeres als Börsenlegende Warren Buffett empfohlen. Da wären Anleger bei VW gerade wohl an der richtigen Stelle. Gleichzeitig lautet eine gängige Börsenweisheit aber auch: niemals ins fallende Messer greifen. Und damit wären Anleger bei VW schon weniger richtig.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg? Oder wird es diesen auf absehbare Zeit nicht mehr geben? Tatsächlich hat die VW-Aktie zuletzt viel gelitten, das KGV liegt trotz des jüngsten Gewinneinbruchs bei überaus niedrigen 3,8. Das durchschnittliche Kursziel der Analysten beträgt 112,30 Euro, womit die Aktie bei einem derzeitigen Kurs von 88,90 Euro ein Aufwärtspotenzial von 26 Prozent hätte. Irgendwann sind auch die schlechtesten Nachrichten eingepreist, möglicherweise ist das bei VW jetzt schon der Fall. Langfristig orientierte Anleger könnten so positiv auf die Restrukturierungsmaßnahmen des Konzerns blicken und hoffen, dass es dem Konzern, wie angepeilt, gelingt, die Margen wieder deutlich zu steigern. Gleichwohl steht eine Aktie am Markt immer auch in Konkurrenz zu anderen Titeln. Warum zu Unsicherheit greifen, wenn es in anderen Branchen vergleichsweise vorhersehbares Gewinnwachstum zu kaufen gibt?

Abschreiben sollten Anleger einen Konzern wie Volkswagen keinesfalls. Comeback-Potenzial ist vorhanden. Für den Moment allerdings überwiegen die Unsicherheit über den Erfolg und die tatsächliche Durchsetzung der angekündigten Sparmaßnahmen, und ganz besonders auch die beim Blick nach China. Ein Investment in VW wäre derzeit ohne Frage ein Risiko.

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