Wird Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt?
Im Silicon Valley streiten Tech-Größen wie Microsoft und Alphabet erbittert um die Pole Position auf dem Markt für Künstliche Intelligenz. Es geht um die Billionen der Zukunft. Sieger dieses Wettlaufs: Tempomacher Nvidia. Ohne den Chiphersteller geht in der Branche fast nichts mehr.
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Im Silicon Valley streiten Tech-Größen wie Microsoft und Alphabet erbittert um die Pole Position auf dem Markt für Künstliche Intelligenz. Es geht um die Billionen der Zukunft. Sieger dieses Wettlaufs: Tempomacher Nvidia. Ohne den Chiphersteller geht in der Branche fast nichts mehr.
„Ich weiß noch, wie ich meinen allerersten KI-Supercomputer ausgeliefert habe“, erzählt Nvidia-CEO Jensen Huang im Interview mit dem US-Nachrichtensender CNBC. „Ich habe ihn an OpenAI übergeben.“ In etwa fünf Jahre sei das nun her, erinnert er sich. Rückblickend könnte dies der Startschuss gewesen sein für eine der womöglich größten Revolutionen, die der Mensch bis dato erlebt hat. OpenAI-CEO Sam Altman entwickelte mithilfe von Huangs Supercomputer ChatGPT und brachte damit eine Welle der KI-Euphorie ins Rollen, die wohl zu groß und schnell geworden ist, um noch brechen zu können. ChatGPT hat als OpenSource-Software Milliarden Menschen gezeigt, dass die Idee einer menschlichen Maschine nicht länger Science-Fiction ist. Noch steckt die KI-Entwicklung in ihren Kinderschuhen, dafür kann sie aber bereits erstaunlich viel. Code schreiben zum Beispiel, Texte ver- und zusammenfassen, Folien designen, Bilder malen. In nicht mehr allzu ferner Zukunft wird KI unzählige Aufgaben und Jobs übernehmen, der aktuell noch von Menschenhand ausgeführt werden, sind sich Experten sicher. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Fließbandarbeit. Ganz im Gegenteil: Banker, Steuerberater, Anwälte, sogar Informatiker – in Zukunft wird ein Teil ihrer jetzigen Aufgaben von KI-Bots wie ChatGPT übernommen werden. „Jeder ist jetzt ein Programmierer“, sagt Huang. „Sie sagen dem Computer, was sie tun wollen, und der Computer führt es aus.“ Statt mit C oder Python zu programmieren, ließen sich Computer nun mit irgendeiner einfachen Sprache programmieren, so Huang weiter. Das ist ein Game-Changer, der die Software-Entwicklung explosionsartig beschleunigt.
Es verwundert daher wenig, dass im Silicon Valley und darüber hinaus ein Wettkampf um die beste KI-Technologie begonnen hat zu toben. Es geht um einen Billionen-Markt und nicht zuletzt um die Zukunft bereits heute billionenschwerer Unternehmen. Allen voran Microsoft und Alphabet kämpfen um die Vorherrschaft bei der Internetsuche, die sich durch intelligente Chatbots wohl radikal verändern wird, aber auch Apple, Amazon und Meta investieren Milliarden in KI-Anwendungen. Die zweite Riege, um Firmen wie SAP aus Deutschland, muss mitziehen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Es scheint, als könnte vieles nun sehr schnell gehen. Wer im KI-Wettrennen ins Hintertreffen gerät, könnte abgehängt werden. Für immer. Oder zumindest für sehr lange Zeit.
Dieser milliardenschwere Wettlauf hat Huang mit einem geschätzten Vermögen von 46 Milliarden US-Dollar zu einem der reichsten Menschen der Welt gemacht. Und Nvidia mit einem Börsenwert von einer Billion US-Dollar zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt. Nvidia wächst seit Jahrzehnten überproportional und hat sich eine Quasi-Monopolstellung auf dem Markt für hochleistungsfähige Grafik-Chips erarbeitet. Das hat dem Konzern bereits im Krypto-Boom während der Coronapandemie hohe Zugewinne beschert, da die Chips zum Schürfen der digitalen Coins benötigt wurden. Bereits zuvor sicherte der boomende Gaming-Markt Nvidia aber schon stetig steigende Umsätze. Zum Billionen-Dollar-Unternehmen aber haben Nvidia die KI-Supercomputer gemacht. Diese werden benötigt um Programme wie ChatGPT, die exorbitante Rechenleistungen verlangen, überhaupt erst betreiben zu können und bestehen aus tausenden Nvidia-Prozessoren. Aktuell gibt es kein Unternehmen auf der Welt, das an die Schnelligkeit der Chips des US-Konzerns herankommt. Entsprechend kaufen alle bei Nvidia ein. Auch Elon Musk soll sich wohl mehrere Tausend Halbleiter gesichert haben. Die Nachfrage dürfte Analystenschätzungen nach das Angebot derzeit um rund 50 Prozent übersteigen. Und das wird sich so schnell wohl auch nicht ändern. Hauptkonkurrent AMD soll im Bereich der KI-Chips Jahre hinter Nvidia zurückliegen. „Wir sind der weltweite Motor für KI“, sagt Jensen Huang selbstbewusst, wohlwissend dass er recht damit hat. „35.000 Unternehmen nutzen unsere KI-Computer, darunter große Tech-Konzerne wie Start-ups.“ Analysten teilen den Optimismus des Firmenchefs. „Der Boom im Bereich KI katapultiert die Nachfrage nach den komplexen Chips des Technologieunternehmens weiterhin in die Stratosphäre“, sagte Sophie Lund-Yates von Hargreaves Lansdown kürzlich der Deutschen Presseagentur.
Setzt sich dieser Technologie-Siegeszug, der an Apples iPhone-Entwicklung erinnert, fort, könnte Nvidia den Konzern mit dem Apfel vielleicht sogar als wertvollstes Unternehmen der Welt ablösen. An der Börse jedenfalls herrscht Euphorie. Die jüngsten Quartalszahlen übertrafen die optimistischsten Erwartungen. Zwischen April und Juni verdoppelte sich der Umsatz von Nvidia auf 13,5 Milliarden US-Dollar. Der Nettogewinn stieg von 656 Millionen auf 6,2 Milliarden US-Dollar und hat sich damit verneunfacht. So viel Gewinn hat Nvidia im gesamten vergangenen Geschäftsjahr nicht erzielt. Im dritten Quartal könnte es nochmal mehr werden, der Umsatz jedenfalls soll eigenen Angaben nach auf 16 Milliarden US-Dollar klettern. Treiber ist das Rechenzentren-Geschäft, zu dem das der Super-Computer gehört. 10,32 Milliarden US-Dollar nahm Nvidia im zweiten Quartal allein in dieser Sparte ein. Die Aktie kennt entsprechend kein Halten mehr und hat sich in ihrem Wert seit Jahresbeginn mehr als verdreifacht. Damit ist auch der Kurseinbruch aus dem vergangenen Jahr im Zuge der branchenübergreifenden Korrektur wegen der steigenden Zinsen, vergessen. Die Aktie eilt von Rekord zu Rekord und der Großteil der Analysen hält die Rally noch lange nicht für beendet.
Blayne Curtis von Barclays sieht noch Raum für weitere Erfolge in der Größenordnung des abgelaufenen Quartals auch im kommenden Jahr. Sein Kursziel: 650 US-Dollar. Das gleiche Ziel gibt Vivek Arya von der Bank of America aus. Die Aktie ist für ihn ein „Top Sector Pick“. Stacy Rasgon von Bernstein Research hält sogar 675 US-Dollar für möglich. DZ-Bank Analyst Ingo Wermann setzt sein Kursziel bei 615 US-Dollar. Auch das liegt noch deutlich über dem aktuellen Kurs von 413 US-Dollar. Zu schreiben, Nvidia hätte hervorragende Zahlen erzielt, wäre eine glatte Untertreibung, so der Experte. „KI-vidia“ stoße in neue Dimensionen vor.
Dabei ist die Nvidia-Aktie mit einem für 2023 erwarteten KGV von 237 schon jetzt absurd hoch bewertet. Doch die Gewinnentwicklung von Nvidia macht in etwa so viel Tempo, wie die eigenen Chips. Setzt sie sich fort wie im abgelaufenen Quartal, könnte das KGV 2024 schon nur noch bei 33 stehen.
Argumente dafür gibt es genug. „Die Leute wären wahrscheinlich überrascht, dass die leistungsstärksten und energieeffizientesten Supercomputer der Welt, die für molekulardynamische Simulationen, Klimawissenschaftsforschung, Materialwissenschaftsforschung und Quantencomputerforschung eingesetzt werden, von Nvidia betrieben werden“, erklärt Jensen Huang stolz. Hinzu kämen „eine ganze Reihe von Robotern in Fertigungsstraßen sowie selbstfahrende Autos, die von Nvidia betrieben werden, bis hin zur Nintendo Switch, die von Nvidia betrieben wird.“
Es scheint, als würde Nvidia-Technologie in so gut wie allem stecken, was im entferntesten irgendetwas mit Digitalisierung, Technologie und Zukunft zu tun hat. Und als würde fast alles aufgehen, was sich Huang und sein Team ausdenken. Allein die Übernahme des Chip-Entwicklers Arm scheiterte am Veto der Wettbewerbshüter. Übrigens: Wer die Aktie 1999 zu deren Erstnotiz kaufte, läge heute mit 111.000 Prozent im Plus.
OG
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