Alles Hypotheken
Die unselige Finanzkrise wandert um den Globus wie der Mondschatten und mutiert im Verlaufe zur Wirtschaftskrise. Letztere Umdrehung steht uns noch bevor, aber die Anzeichen sind überdeutlich: Umsonst ist so ein Desaster nicht zu haben.
Der wirklich augenöffnende jüngste Streich betraf in Deutschland die Hypo Real Estate, im DAX notiert und bislang stets betonend, bei ihr sei alles in Ordnung. Das ist im Übrigen der Standardspruch der Banken. Menschlich verständlich – wer etwas anderes sagt, kann praktisch gleich sein Bündel schnüren und zum Insolvenzverwalter tragen, denn was die Börse nicht erledigt, das schafft dann der Kunde mit seinem wohl unverzüglich folgenden Rennen zum Notausgang – mitsamt seinen Einlagen. Also grinsen, als ob nichts wäre, und nur das veröffentlichen, was unbedingt gesagt werden muss. So ähnlich hat es die Hypo Real Estate (HRE) wohl gesehen und sich erst vertrauensvoll an den Finanzminister gewandt, als das unvermeidlich wurde, sprich kurz vor der Fälligkeit von Geschäften, für die das Geld nicht mehr reichte. Dabei dürfte es in den Banken, und hier der von der Krise betroffenen HRE-Tochter Depfa, durchaus eine Art hilflosen Zorn geben. Denn die böse Klemme aus Amerika ist schnell, gefährlich und ungerecht. Depfa hat nichts anderes gemacht als schon jahrelang zuvor: Vor allem staatliche Großprojekte finanzieren und sich am Geldmarkt mal mehr, mal weniger lukrativ und günstig dafür die Mittel zu besorgen. Nun ist der Geldmarkt in der benötigten Größenordnung ausgelöscht, und der grundsolide Staatsfinanzierer sieht sich auf dem Trockenen. Ist das nun Betrug? Managementversagen? Oder einfach nur Pech gehabt? Vermutlich eine Mischung aus Pech und falscher Strategie. Sicherlich wusste man bei Depfa (oder HRE natürlich) relativ früh, dass es eine Finanzkrise gibt und dass sie wohl wunderliche Wege gehen mochte. Da hätte eine frühzeitige Strategierevision etwas bringen können – die Finanzierung sicherstellen auch für Zeiten, wenn es mal eng wird am Geldmarkt. Vielleicht verhindert unser System der Bewertung (und Bezahlung) von Managern, dass diese derart vorsichtige Entscheidungen treffen, auch wenn sie Rendite kosten. Es werden aber, soviel ist gewiss, recht bald die ersten Bücher auf dem Markt sein, die mit Lehren aus der Krise aufwarten, nachdem diese weitgehend ausgestanden ist. Hoffentlich trocknet der Markt für Weisheit zwischen Buchdeckeln nicht aus.
Was gar nicht so weit hergeholt scheint. Schließlich ist in New York offenbar schon zu spüren, dass die tatsächlichen Vermögenseinbußen der Manhattan-Banker, wie auch die Furcht der übrigen Konsumenten, das lokale Mikro-Konsumklima beeinflusst. Scheint es sich derzeit noch um Luxusgüter zu handeln, so dürfte sich der Dominoeffekt nicht darauf beschränken. Sollte auch dieses Phänomen über den Atlantik vordringen, wären die europäischen Volkswirtschaften nochmals betroffen. Denn so schwach der Konsum in Deutschland bereits ist, so wenig verkraftet er natürlich weitere Schicksalsschläge. Genau das aber ist bei der bekannten Vorsicht des deutschen Konsumenten, der ja in Wirklichkeit eher ein Sparer ist, zu erwarten. Schon die verstärkte Nachfrage nach physischem Gold, die bei den meisten Banken inzwischen zu Lieferengpässen geführt hat, spricht da eine deutliche Sprache. Die privaten Geldanlagen werden zurückgehen, der private Verbrauch ebenfalls. Da wäre unter normalen Umständen ein Nachdenken der Regierung über Steuersenkungen angezeigt. Natürlich aussichtslos, wenn man zweistellige Milliardenbeträge strauchelnden Banken zur Verfügung stellen muss. Weit und breit also keine Ungeschorenen, keine Gewinner der Krise zu sehen? Nicht ganz. Das Einbruchsgewerbe dürfte aufblühen. Noch nie waren unter den Matratzen der Republik wohl so viele Goldmünzen oder Geldschatullen zu erbeuten.