Das Modell Zypern
Der Bundestag hat die Zypernhilfe beschlossen und alle Politiker mühen sich, die Pleite des Inselstaates als Sonderfall kleinzureden. Richtig ist: Zyperns Bankrott wird Europa nicht umhauen. Falsch aber ist der Eindruck, Europas Schuldenkrise sei überwunden.
Das Infektionsrisiko liegt diesmal nicht darin, dass Europas Finanzmärkte sich in einen neuen Crash hinein paniken. Dazu ist Zypern nun wirklich zu klein. Die Ansteckungsgefahr ist aber mentaler Art. Seit dieser Woche wissen alle Europäer, wie die Schuldenkrise auch für sie enden könnte – in einer handstreichartigen Enteignung ihrer Geldvermögen. Die Europäische Kommission hat dies jetzt noch einmal ausdrücklich betont: Bankeinlagen sind nicht sicher und werden im Notfall zur Sanierung einbehalten. Dieses Fanal wird das Anlageverhalten in Europa tief greifend verändern. Das Misstrauen in Banken, ins Geld und in Regierungen und ihre Garantien steigt weiter. Denn nun ahnt jeder: Der Schuldensozialismus ist die Vorstufe zur Enteignung.
Die Beschwichtigungsreden der Politik können also nicht verhindern, dass die Sorgen über die Schuldenkrise wieder wachsen, dass die hochriskante Politik des leichten Geldes und der massiven Politisierung unserer Notenbank irgendwann im Pay Day zu enden droht.
In Wahrheit macht die Schuldenkrise nur eine Atempause. Denn die eigentlichen Ursachen dieser Krise sind kein bisschen beseitigt. Diese liegen nämlich nicht – wie Europas Linke in einem ideologischen Sündenbockreflex Glauben machen will – in einem entfesselten Bankenkapitalismus oder in der Gier einzelner Manager. Die Krise hat zwei größere Ursachen: die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und die hohe Verschuldung vieler Staaten Europas. An dieser fundamentalen, bitteren Wahrheit hat sich in den vergangenen zwei Jahren nichts geändert.
Die Hoffnung, das Schlimmste sei vorbei, nur weil sich die Lage an den Finanzmärkten entspannt hat, ist trügerisch und sogar problematisch. Denn das senkt den Handlungsdruck auf die Politik, die beiden Grundsatzprobleme endlich entschieden aufzuarbeiten. Stattdessen neigt die politische Stimmung eher der Illusion zu, man müsse weder sparen noch sich Wettbewerbsposition zurückerobern. Solange die Notenbank das Schuldenkarussell am Laufen halte, sei Merkels Reformkurs der falsche Weg.
Vor allem Frankreich und Italien geben hier Anlass zur Sorge. Frankreich verliert rapide Weltmarktanteile, versinkt in neuen Schulden und betreibt eine Politik der Sozialillusionen. Italien hat sich politisch blockiert, der Schuldenberg ist erdrückend und die Wirtschaft lahmt. Da Italien und Frankreich absolute Herzstücke der Euro-Union sind, können ihre Probleme – anders als im Falle Zyperns – das ganze europäische Haus in Flammen setzen. Die Zentralbanker haben – ein Sündenfall erster Güte – Italien bereits Staatsanleihen im Wert von mehr als 100 Mrd. Euro abgenommen. Da sind die 10 Mrd. für Zypern wirklich nur so etwas wie Kleingeld.