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Der große, große Weihnachtswunschzettel

Wer hätte das gedacht? Die gute alte Spielkonsole steht ganz oben in der Gunst der großen und kleinen Kunden, die Kundinnen nicht zu vergessen. Und so herrlich exotische Namen! Wii U, Playstation 4, Xbox One – regenbogengleiche Welten erstehen vor unserem inneren Auge, wachsen den virtuellen Fäusten unermeßliche Kräfte zu, wird unter Aufhebung der Schwerkraft Isaac Newton auf den Kopf gespuckt. Und damit die neuesten Versionen der begehrten Illusionskästen auch pünktlich unterm Weihnachtsbaum stehen, werden inzwischen Schwarzmarktpreise dafür gezahlt – ja, für die Kleinen ist eine Spielkonsole zu Weihnachten das Geschenk der Geschenke. Die Erwachsenen blicken sehnsüchtig: gibt es denn nicht ein realitätsnahes Spiel mit geglückter Bankenrettung, gehaltenem Rentenversprechen und zuverlässig angezogener Schuldenbremse?

BÖRSE am Sonntag

Wer hätte das gedacht? Die gute alte Spielkonsole steht ganz oben in der Gunst der großen und kleinen Kunden, die Kundinnen nicht zu vergessen. Und so herrlich exotische Namen! Wii U, Playstation 4, Xbox One – regenbogengleiche Welten erstehen vor unserem inneren Auge, wachsen den virtuellen Fäusten unermeßliche Kräfte zu, wird unter Aufhebung der Schwerkraft Isaac Newton auf den Kopf gespuckt. Und damit die neuesten Versionen der begehrten Illusionskästen auch pünktlich unterm Weihnachtsbaum stehen, werden inzwischen Schwarzmarktpreise dafür gezahlt – ja, für die Kleinen ist eine Spielkonsole zu Weihnachten das Geschenk der Geschenke. Die Erwachsenen blicken sehnsüchtig: gibt es denn nicht ein realitätsnahes Spiel mit geglückter Bankenrettung, gehaltenem Rentenversprechen und zuverlässig angezogener Schuldenbremse?

„The difference between men and boys is the size of the toys.“ Das lernen heute schon die Zweitklässler in jener Grundschule, die sie passgenau auf das G-8-Gymnasium abrichtet, das sie dann wiederum so gezielt für das globale Dorf der Finanzmärkte trimmt – dass die verwirrten Abiturienten nach verfrühter Einschulung, dem Besuch des Turbo-Gymnasiums, sehr viel Nachhilfestunden und einem Abitur kurz vor dem 17. Geburtstag zunächst mal ein volles Jahr lang nach Australien verreisen müssen, um die ausgefallene Kindheit nachzuholen, indem sie von Cape Byron herunter Whalewatching betreiben und den australischen Altersgenossinnen beim Wellenreiten über die Pazifikdünung zusehen. Im besten Fall, wohlgemerkt.

Doch darum geht es hier gar nicht. Heute steht nur die schöne Bescherung zu Weihnachten im Mittelpunkt! Auf den Spielkonsolen lernen wir fürs Leben, töten Drachen, erklimmen unbezwingbare Höhen, überwinden mühelos die Schicksalsklüfte. Eine ideale Vorbereitung für die steile Karriere als Börsenhändler. Und das neueste Spiel heißt „Große Koalition“. Da werden dutzendweise Milliardenbeträge aus dem Nichts herbeigezaubert. Mit steigenden Mindestlöhnen wird Arbeitsplatzabbau verhindert. Mit qualmenden Braunkohlekraftwerken eine Energiewende bewerkstelligt. Toll, was so eine Konsole kann! Wii U, Playstation 4, Xbox One – oder eben Muttis Waschmaschine. Wer weiß das schon so genau. Und am Ende des Tages staunen wir vor einem nagelneuen, quadratmetergroßen Flachbildschirm über die Verfilmung der Tolkien-Geschichte vom Hobbit, der auszog, um den gefährlichen Riesendrachen namens Smaug, mit Kampfnamen „Deflation“ – ängstlich flüsternd auch „Minuszins“ genannt – zu töten. Dreidimensional aufgebläht präsentiert sich das Vieh vor den erstaunten Augen großer und kleiner Börsenhändler, Arbeitsplatz-Superretter und Mindestlohn-Batmänner aber als Derivat von Frau Mahlzahn, dem lieben Plüsch-Ungeheuer aus der Augsburger Puppenkiste. Das auch prompt vom Hobbit Bilbo, den Zwergen Kíli, Fíli, Óin, Glóin und so weiter sowie Jim Knopf, Lukas und nicht zuletzt der dicken Emma mittels einer Urwahl zu einem völlig anderen Drachen verwandelt wird – ob hier Weisheit eine Rolle spielt? Rätsel über Rätsel.

Ja, Kind müsste man nochmal sein – nur noch ein einziges Mal.