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Der Knieschuss-Wettbewerb

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BÖRSE am Sonntag

Die Europäer, genauer gesagt die EU, noch genauer gesagt die Europäische Kommission, haben die beneidenswerte Fähigkeit – neben vielen anderen –, mit schlafwandlerischer Sicherheit Sachen zu erfinden, die bestenfalls nutzlos, meist aber grotesk schädlich sind. Das mag auch daran liegen, dass die Kommission eine Machtfülle besitzt, vor der bald jeder in Europa kapitulieren muss, und in der Schlange derjenigen, die resigniert ihre Waffen abliefern wollen, steht der gesunde Menschenverstand stets an prominenter Stelle.

Die Vorgänger und Vorvorgänger statteten die Kommission mit ihren unveräußerlichen Rechten aus, und die heutigen Regierungen entsandten dorthin Leute, die bestenfalls als Knallchargen Dienst tun, das aber laut und deutlich. Ein Handelskommissar namens De Gucht kann so behaupten, er tue ja nur seinen Job, wenn er Strafzölle gegen chinesische Solarpaneele erhebe – elf Prozent bis Ende August, danach 47 Prozent. Die Menschheit wäre wohl besser dran, wenn der Mann auf die Ausübung seines Job verzichten würde. Denn die Herstellung solcher Module ist für Europa keine wichtige Industrie: es ist keinerlei „High-Tech“, die chinesische Preisgestaltung trifft nur eine verschwindend kleine Teileinheit der Solarindustrie – dem großen Rest schadet der EU-Strafzoll, denn die Preise werden steigen. Das betrifft alle Lieferanten von Komplettsystemen. Hierzulande, wohlgemerkt.

Natürlich beziehen die chinesischen Firmen alle Werkzeugmaschinen und Ausrüstung aus Europa, und zusätzliche Technologie zu den Zellen und Paneelen kauft das Land auch hier: ehe es seine Module weltweit exportiert. Der Handelskommissar hat den Wettbewerb im Selber-ins-Knie-Schießen klar für sich entschieden. Das sieht auch Bundeswirtschaftsminister Rösler so, den man auf dem Familienunternehmertag in Berlin fragen konnte. Die Strafzölle sind Nonsens, 17 EU-Länder sind dagegen, aber vor 2014 werden sie nicht gefragt werden. Was den Fragesteller erstaunt, ist die resignierende Nonchalance, die mit dieser Feststellung einhergeht. Auch wenn der Minister immerhin zugibt, dass solche Strafzölle auch deshalb vermintes Gelände sind, weil man ja gerade der ganzen Solarchose in Europa definitiv nicht nachsagen kann, dass sie völlig staatsfrei abliefe. Die deutsche EEG-Förderungspolitik würde China, wäre man dort entschlossen, gute Gründe geben, weitere Einfuhren zu stoppen. Wenn man überdies die traditionelle europäische Agrarpolitik betrachtet und danach noch Lust verspürt, sich die Struktur- und Regionalförderungen anzusehen, die es hierzulande gibt, dann kann man ermessen, was bei strenger Betrachtung an Strafzöllen auf Europa zukommen müsste. Welch ein Glück, dass hier noch ein paar Dinge erzeugt werden, die die Welt braucht! Wehe uns, wenn das mal nicht der Fall sein wird.

In der Geschichte sind Zölle und sonstige Handelshemmnisse öfter der scheinbar günstige Ausweg aus Krisen gewesen – genützt hat es nie. Als England seine Industrie im 19. Jahrhundert schützen wollte, indem andere Länder gezwungen wurden, Herkunftsbezeichnungen auf ihre Güter zu schreiben, wirkte das wie ein Konjunkturprogramm für den Kontinent: "Made in Germany" wurde zum Qualitätsmerkmal, ja, zum Ehrenemblem jeder Maschine, jedes Werkzeugs, jedes Stahlrohrs. Das eigene Knie haben die Briten damals zielsicher getroffen. Das könnte man in Brüssel wissen, aber dort scheint man den Schuss nicht gehört zu haben.