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Die Macht der Politik

Gegen die Willkür und Sprunghaftigkeit der Märkte, gegen Exzesse und schaurige Fehlentwicklungen sei die Politik machtlos, ja auf beschämende Weise ohne richtigen Einfluss und ohnmächtig dem wilden Treiben der Finanzakrobaten ausgeliefert. So die gängige Lesart in der Öffentlichkeit, die von der Politik nicht ungern gesehen wird – erlaubt sie doch Gegenwehr in Form von höheren Steuern und neu zu erfindenden Abgaben, getreu der Behauptung, dass der Staat schließlich seine Aufgaben erfüllen können muss (und diese praktischerweise auch stets gleich selbst definiert).

BÖRSE am Sonntag

Gegen die Willkür und Sprunghaftigkeit der Märkte, gegen Exzesse und schaurige Fehlentwicklungen sei die Politik machtlos, ja auf beschämende Weise ohne richtigen Einfluss und ohnmächtig dem wilden Treiben der Finanzakrobaten ausgeliefert. So die gängige Lesart in der Öffentlichkeit, die von der Politik nicht ungern gesehen wird – erlaubt sie doch Gegenwehr in Form von höheren Steuern und neu zu erfindenden Abgaben, getreu der Behauptung, dass der Staat schließlich seine Aufgaben erfüllen können muss (und diese praktischerweise auch stets gleich selbst definiert).

So können entsprechend aufgestellte Kommentatoren auch immer wieder gern den Spruch hervorzaubern, dass nur „Reiche sich einen armen Staat leisten“ könnten, dabei voraussetzend, dass unser Staat irgendwie arm sei. Lässt sich natürlich leicht nachweisen: Schließlich hat das Gemeinwesen horrende Schulden und in den Schulen bröckelt der Kalk von der Wand, wie man weiß. Dass so etwas durch übertriebene Ausgaben passiert sein könnte, will den Ideologen des öffentlichen Reglements nicht in den Sinn kommen. Und dass der Staat jeden zweiten Euro im Lande umdreht (aber nicht zweimal umdreht), scheint nicht zu reichen: Es ist zu befürchten, dass erst bei einer Staatsquote von annähernd 90 Prozent mal Schluss sein würde mit dem ewigen Rufen nach mehr Regulierung und Umverteilung. Wobei sich, nimmt man die real existierenden Erfahrungen aus aller Welt mal zum Indiz, das Umzuverteilende auf dem Weg zur obrigkeitlichen Vollbeglückung dramatisch reduzieren dürfte. Das kann aber Anhänger der Planwirtschaft nicht abschrecken, schließlich sind dann wenigstens (fast) alle gleich arm. Vielleicht bis auf die Vordenker, die sich das Ganze haben einfallen lassen?

Es ist sicher noch weit bis zu so einer Paradieswirtschaft, und vielleicht kann man diesen langen Marsch auch noch stoppen (wobei zugegebenermaßen die oft zu Recht gescholtenen Finanzmarktakteure durch eigene Einsicht etwas beitragen könnten). Am alltäglichen Beispiel aber prallen die unterschiedlichen Vorstellungen bereits heute immer härter aufeinander: Jüngstes Beispiel mag Schlecker sein. Das Vorhaben, den Mitarbeiterinnen eine stützende Transfergesellschaft zur Seite zu stellen, war in der vergangenen Woche härtester Wirtschaftsstreit. Keiner hatte da etwas zu gewinnen, die FDP versuchte es trotzdem und geriet in schweres Fahrwasser. Mit ihrem Verweis darauf, dass der Staat keine Drogeriekette zu betreiben habe und es bereits mit der Bundes-Arbeitsagentur genug Hilfestellung gebe, hatte sie sicher nicht unrecht, und doch: Wer sich an Hotel-Mehrwertsteuer erinnert und die Haltung der FDP zur Apothekerschaft, wo das marktwirtschaftliche Prinzip dann doch eher nicht hochgehalten wird, kann den Furor der reinen liberalen Lehre kaum nachvollziehen. Da muss schon ein bisschen mehr langjährige Konsequenz zu sehen sein, wenn man das ernst nehmen soll. Die Krokodilstränen der vereinigten sozialdemokratischen Parteien (irgendwie ja fast alle außer der FDP) lassen die vielbeschworene Würde aber auch vermissen: Wo immer der Staat bisher Unternehmen retten wollte, die die Welt nicht braucht, ging es schief und den Mitarbeitern schlecht. Schade, dass man in diesem Fall keinen Kompromiss finden konnte - eine befristete Sonderleistung der Bundesagentur zum Beispiel, um regionale Härten zu mildern, oder ähnliche Maßnahmen. Aber die Phantasie für so etwas mobilisierte niemand – irgendwo ist schließlich wieder Wahlkampf, und da hat man Besseres zu tun.