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Die politische Bank

Viele haben Dammbrüche gesehen in der europäischen Krise, für manche war das Ende der Fahnenstange schon 2010 erreicht, viele mögen den Euro grundsätzlich nicht, manche gar die ganze europäische Idee, und allerlei Süppchen werden da gekocht auf mittlerer Flamme, im öffentlichen Leben, im Gerichtssaal, im Parlament. Kein Wunder, die allgemeine Verwirrung begünstigt seltsame Entwicklungen.

BÖRSE am Sonntag

Die seltsamste war wohl diese Woche zu bestaunen: Die Europäische Zentralbank, geschaffen als Abbild der ehrwürdigen Deutschen Bundesbank, wandelte sich zur offen agierenden politischen Gewalt, es wäre inoffiziell die fünfte, wenn man die Presse weiterhin als inoffizielle vierte Gewalt im Staate sieht, was vielleicht aber noch nie gestimmt hat. Wie dem auch sei, mit der ehemaligen Statur der Bundesbank hat das nichts mehr zu tun, was Mario Draghi da veranstaltet: Aber nur unter der Bedingung, dass die EZB genau so aufgestellt wird, wie es die deutsche Notenbank einmal war, konnte man damals den Euro auch hierzulande politisch durchsetzen. Die Halbwertszeit der Maastrichter Verträge war dann doch recht kurz. Draghi agiert, gestützt auf eine Stimmenmehrheit im Rat und Direktorium, wie ein Oberkommissar des europäischen Wohls. Er nimmt Stellung zur Währungsunion („Der Euro ist unumkehrbar.“), er entscheidet über die Höhe eines Zinssatzes, der für Staaten noch tragbar sein sollte, und behandelt die Marktteilnehmer auf den Finanzmärkten, als wären sie alle umnachtet. Er tauscht eine volatile Marktarchitektur gegen eine Rolle als „wohlwollender Diktator“, wie es die „Börsen-Zeitung“ nannte. In der Tat nutzt Draghi, ganz Politiker, die Leere, die unentschlossene Parlamentarier und verwirrte Regierungen gelassen haben. Mancher im Bundestag gibt offen zu, in Abstimmungen über die Euro-Krise nicht zu verstehen, was überhaupt zur Debatte steht. Kein Wunder, dass Ideologie quer durch alle Gruppen vorherrscht, dass Ökonomen gespalten sind wie nie und es offenbar zwei Seiten gibt, die einander nicht trauen. Da kämpft Staatsgläubigkeit gegen Laisser-faire, Stabilität gegen billiges Geld, Süd gegen Nord und McKinsey gegen die Chicago Boys, als gäbe es nichts anderes. Draghi behauptet in dem ganzen Tumult einfach Irriges, zum Beispiel, dass Inflation kein Thema sei, und glaubt tatsächlich, die augenblicklichen 2,6% seien in der Nähe dessen, was seine EZB als Ziel verfolge (das waren 2%, wenn man sich erinnert). Er will das in Staatsanleihen gepumpte Geld anderswo absaugen, aber verschweigt, dass das in der Realität kaum geht, wenn die Empfänger erst einmal ihr billiges Geld der EZB in Gold und Immobilien gesteckt haben werden – die Vermögenspreisblase kann übrigens kommen. Er argumentiert, nur solchen Staaten Anleihen abzunehmen, die zuvor einen offiziellen Rettungsantrag gestellt haben. Das gilt aber nur für den Primärmarkt, eingreifen kann er auf anderen Wegen schon zuvor. Was also tun? Auf das Bundesverfassungsgericht hoffen und warten? Das ist zwar wichtig, aber auch nicht gewählt. Es soll politische Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prüfen. In einer Zeit, in der es keine wirkliche Politik gibt, die einen verlässlichen Rahmen aufbaut und haltbare Zukunftsgestaltung entwickelt, auch keine so leichte Aufgabe. Die deutsche, vor allem die europäische Politik versteht nicht, dass es jetzt mal langsam Zeit wäre, die Spielchen bleiben zu lassen und etwas auf die Beine zu stellen. Wenn der von Herrn Draghi für unumkehrbar erklärte Euro erst einmal uns allen um die Ohren fliegt, braucht ihnen nichts mehr einzufallen.