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Die Umwälzung

In der gegenwärtigen Epoche, die man, wenn man sie miterlebt, natürlich nicht als solche erkennen kann, vollzieht sich langsam, aber sicher ein Wandel des Angestammten auf zahlreichen Gebieten. Es ist weniger spürbar, als dies beispielsweise nach Kriegen im 20. Jahrhundert der Fall war, als ganze Gesellschaftsphilosophien untergingen oder bisher anerkannte Konventionen sich in Luft auflösten. Oder auch in der Weltwirtschaftskrise, als ein in den industrialisierten Staaten ungekannter Rückfall in blankes Elend offen auf der Straße anzutreffen war. Die Umwälzungen heute vollziehen sich im Rahmen eines schleichenden Prozesses, betreffen die Bürger aber vermutlich am Ende genauso gravierend. Die Idee der europäischen Nationalstaaten steht im Moment zur Debatte, nicht mehr und nicht weniger. Wobei die Auseinandersetzung um die künftige Verfasstheit Europas nur vordergründig so heftig umstritten ist, wie wir das den einschlägigen Positionen der Kontrahenten entnehmen können. Beide Seiten, die aus wirtschaftlichen Gründen für eine Verringerung der europäischen Integration eintreten oder aber für deren politische Vertiefung, thematisieren eigentlich nur einen Prozess, der seine Wurzeln in der Nachkriegspolitik Deutschlands und Frankreichs hat. Der lange Weg über die Montanunion zum gemeinsamen Währungsraum ist eine Geschichte der Ideen von Zukunftsgläubigen, Visionären, aber ebenso kühlen Machtpolitikern und Egoisten.

BÖRSE am Sonntag

In der gegenwärtigen Epoche, die man, wenn man sie miterlebt, natürlich nicht als solche erkennen kann, vollzieht sich langsam, aber sicher ein Wandel des Angestammten auf zahlreichen Gebieten. Es ist weniger spürbar, als dies beispielsweise nach Kriegen im 20. Jahrhundert der Fall war, als ganze Gesellschaftsphilosophien untergingen oder bisher anerkannte Konventionen sich in Luft auflösten. Oder auch in der Weltwirtschaftskrise, als ein in den industrialisierten Staaten ungekannter Rückfall in blankes Elend offen auf der Straße anzutreffen war. Die Umwälzungen heute vollziehen sich im Rahmen eines schleichenden Prozesses, betreffen die Bürger aber vermutlich am Ende genauso gravierend. Die Idee der europäischen Nationalstaaten steht im Moment zur Debatte, nicht mehr und nicht weniger. Wobei die Auseinandersetzung um die künftige Verfasstheit Europas nur vordergründig so heftig umstritten ist, wie wir das den einschlägigen Positionen der Kontrahenten entnehmen können. Beide Seiten, die aus wirtschaftlichen Gründen für eine Verringerung der europäischen Integration eintreten oder aber für deren politische Vertiefung, thematisieren eigentlich nur einen Prozess, der seine Wurzeln in der Nachkriegspolitik Deutschlands und Frankreichs hat. Der lange Weg über die Montanunion zum gemeinsamen Währungsraum ist eine Geschichte der Ideen von Zukunftsgläubigen, Visionären, aber ebenso kühlen Machtpolitikern und Egoisten.

Für den Moment, wenn man sich mal die Anmaßung erlaubt, aus einer angenommenen zukünftigen Perspektive auf das weitgehend friedliche europäische Ringen des beginnenden 21. Jahrhunderts zu schauen, bemerkt man eine Annäherung der Mentalitäten, teils getrieben durch rein wirtschaftliche Entwicklungen. Man blicke auf die Tatsache, dass die Mitgliedsländer der Währungsunion verflochten sind durch unzählige feine Verbindungsstränge – selbst ein Austritt Griechenlands dürfte dieses Gebäude nicht zum Einsturz bringen. Die Deutschen sparen weit weniger, als dies traditionell der Fall ist, und sehen sich einer finanziellen Repression ausgesetzt, die sie auf völlig neue Wege zwingt: die Geldanlage in Aktien zum Beispiel. Die Zunahme der Zahl von Aktionären hat es bisher hierzulande in unsicheren Zeiten so nicht gegeben. Länder wie Frankreich, Italien und Spanien streiten zwar heftig gegen Diktate aus dem Norden, führen aber gleichzeitig anerkannte „nördliche“ Mechanismen ein, Schuldenbremsen und dergleichen. Die große Annäherung ist im Gange. Es bilden sich Koalitionen, die man so nicht kannte: Die deutsche Opposition hält es mit den Sozialisten in Frankreich, während denen gerade dämmert, dass das Geld bald alle sein könnte und staatliche Wohltaten, wie etwa die obrigkeitliche Steuerung von Benzinpreisen, nicht automatisch Zustimmungswerte steigern. Norditalien steht aufseiten solcher Länder wie Niederlande oder Finnland, wenn es um die Verhältnisse in Sizilien geht. Und der griechische Regierungschef kämpft zwar einerseits gegen den Volkszorn und gegen Merkelsche Vorstellungen, verteidigt aber just jene, wenn er wieder zu Hause ist. Europas Umwälzung geschieht gerade, unter Schmerzen und Zuhilfenahme extrem teurer Wachstumshormone. Aber sie geschieht, es ist ganz erstaunlich.

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