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Die Umwertung der Werte

Kein Zweifel, die Sprache ist es in erster Linie, die den Menschen vom gewöhnlicheren Tier unterscheidet: Mit ihr kann er zum Kreuzzug aufrufen oder auch Schuldige für die eigene Dummheit klar benennen. Das fehlt dem Hamster und geht dem Löwen völlig ab.

BÖRSE am Sonntag

Und sie ist ein Herrschaftsinstrument zur Betonierung der herrschenden ungerechten Verhältnisse, wir stellen sie uns einfach mal vor, die Urzeitmenschen vor der Höhle, und er sagt zu ihr: „Mach mal Feuer, Alte!“ Woraufhin die geknechtete Frau für Stunden mit einer entfremdeten, mühsamen Tätigkeit beschäftigt ist. Nicht einmal 500.000 Jahre später sind wir dabei, das zugrunde liegende Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Wir nutzen das Mittel der gesellschaftlichen Ächtung, um derart bornierten Herrenreitern das Handwerk zu legen. Sie sind weiß, neoliberal, steuerhinterziehend und von daher leicht zu erkennen, auch wenn sie zur Tarnung ihren Bowler-Hut abgelegt und die Zigarre haben ausgehen lassen. Das wird ihnen nicht helfen, denn die öffentliche Erregung hat ihre Entstehungsschwelle derart gesenkt, dass schon kleine Auffälligkeiten genügen, um die Empörungsindustrie loslegen zu lassen. Dabei spielt die Nutzung der Sprache eine entscheidende Rolle. Die Guten in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatte definieren sich selbst über eine herrschende Moral, die recht klare Erkennungswörter nutzt, um gut und böse fein säuberlich zu trennen: Alle Texte, die aus der richtigen Richtung stammen, sind zum Beispiel mit einem großen „I“ mitten im Wort zu erkennen (MitgliederInnen); verfügen zudem über die aktuellen soziologischen Trend-Merkmale aus der Gender-Forschung, erwähnen irgendwo unveräußerliche Tierrechte und beherbergen ansonsten die Nennung verdammenswerter Reicher, die den gesellschaftlichen Konsens zulasten bewundernswerter MigrantInnen aufgekündigt haben. Aus der nicht vollständigen Aufzählung ergibt sich die aktuelle Kampflinie in der steinzeitlichen Debatte, wer hier wem gefälligst Feuer zu machen hat. Dabei haben die Bornierten die Lufthoheit. Allein die Verhunzung und Verstümmelung der Sprache, die peinlicherweise enthüllt, dass jene Fortschrittlichen nie etwas von Etymologie gehört oder vom Sinngehalt der über Jahrhunderte entstandenen Wörter begriffen haben, dient ja weniger dem Erzwingen von angeblich politisch korrekter Äußerungsweise, sondern dem Erzwingen des moralisch unterfütterten und korrekten Denkens. Dies hat George Orwell 1948 nicht nur erkannt, sondern in einen weltberühmten Gruselroman gegossen: Für ihn kamen die Gefahren des großen Bruders von oben. Was Orwell nicht ahnte, ist, dass eine Minderheit ideologisch motivierter Selbstgerechter die Sache an sich gerissen hat und nun eher eine Diktatur von unten aufbaut. Ohne politisch korrektes Gesülze mit Neusprech kommt man nicht mehr weit und die Politik hat verstanden: Von offiziellen Verlautbarungen des sozial-subventionistischen Komplexes aus dem Hause von der Leyen bis zur Straßenverkehrsordnung des weißen Mannes Ramsauer wird eilfertig verhunzt, was das Zeug hält. Da es um höhere Werte geht, ist die Wirtschaft mit dabei (höhere Geldwerte folgen auf dem Fuße): Das Nachhaltigkeitscredo zahlt in barer Münze. Die besten Unternehmen, was Transparenz und Nachhaltigkeit in der Unternehmensverfassung angeht, haben in den letzten fünf Jahren den Weltaktienindex Global 500 um 36% übertroffen. Ob sie ihren eigenen Geschäftsberichten glauben? Spielt keine Rolle, solange es die Investoren tun. Und was wirklich nachhaltig ist, kann ja sowieso keiner überprüfen, denn dazu leben wir zu kurz, also zu wenig nachhaltig, oder?