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Ei, Überraschung!

Das Leben ist voller Überraschungen, und manches Ei auch. Spielzeug von Schokolade umhüllt? Den Kinder-Verführungsschlager von Ferrero liebt die ganze Welt. Die ganze? Nein, ein großes Land leistet hartnäckig Widerstand. Seit über 80 Jahren kommt so etwas nicht in die Tüte, denn in den Vereinigten Staaten sind Süßwaren nicht zum Verkauf zugelassen, welche nichtessbare Bestandteile in ihrem Inneren tragen. Das ist schön fürsorglich gedacht, damit nicht etwa jemand auf Spielsachen beißt, man weiß ja, wie wichtig gut geformte Gebisse in den USA sind. Nun denn –was aber ist mit Kirschen? Mit süßen zumindest, denn Sauerkirschen sind ja nicht süß, aber Süßkirschen könnte man auch als Süß-Waren verkaufen, oder? Pfirsiche? Mirabellen? Als Ihr Autor das letzte Mal Pfirsiche probiert hat, war das Fruchtfleisch süß, der Kern aber hart und ungenießbar, der Zahnschmerz nachhaltig. Dies sind also nur einige wenige jener Fragen, die vielleicht nicht die Menschheit, wohl aber Heerscharen von Juristen und Handelskommissaren ab sofort bewegen werden wie eine TÜV-geprüfte Wippe das Kind. Die Vereinigten Staaten verfügen entgegen der eigentlich verbreiteteren Ansicht, dass man dort recht locker sei, über ein bürokratisches Gestrüpp nebst fremdländisch anmutender Regulierung, die sich gewaschen hat. Schon die Warnhinweise auf Leitern ("Vorsicht beim Herunterfallen") oder Autorückspiegeln ("Das Unheil könnte näher sein als es Ihnen vorkommt") sind legendär. Bei den forcierten Freihandelsgesprächen dieser Tage, von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel nochmals bekräftigt, geht es zur Sache. Knifflig aber werden jene "nichttarifären Handelshemmnisse" wie Kraut und Rüben. Der Zoll spielt im Vergleich eigentlich kaum eine Rolle und sowieso seine Kosten nicht ein. Erstaunlicherweise konnte man sich ohne Zank gleich mal auf die französische Forderung einstellen, dass Film, Medien und Musik nicht verhandelbar seien – Frankreich schützt diesen Bereich, kann aber auch nicht verhindern, dass sich Schauspieler selbst zollfrei exportieren, wie unlängst M. Depardieu, wenn auch nicht nach Amerika. Wirtschaftsforscher und Branchenverbände listen derweil die milliardenschweren Vorteile, aber eben auch die Probleme auf, die zu bewältigen sind: Maschinen und Elektrogeräte etwa sind nicht kompatibel zwischen der Alten und der Neuen Welt, das fängt mit dem Stromschlagschutz an und hört mit der Farbe von Prüfetiketten noch lange nicht auf. Deutsche Exporteure fertigen oftmals zwei Versionen einer Apparatur: Eine für die ganze Welt, eine für die USA. Müssen dort etwa Kühlschränke und Haartrockner extra sicher sein, weil das allgemeine Stromnetz höchst unsicher ist und von jedem besseren Sturm weggepustet wird? Das sind böse Fragen, die der Handelsdiplomat nicht stellen sollte. Umgekehrt wird man in Kentucky nicht begreifen, warum mit Chlor desinfizierte Hähnchen hier eine irrationale Furcht auslösen, oder sogenannter Genmais allgemeine Hysterie. Wie viele europäische Besucher hat nochmal Florida jedes Jahr? Und essen die dort auch mal was zwischendurch? Und kehren heil wieder zurück? Es sei die Prognose erlaubt, dass der Freihandel kommen wird, aber wohl mit einem dazugehörigen Regelwerk im Bibelformat. Dennoch – ein paar Bereiche dürften übrigbleiben, bei denen man feststellen wird: Mit den Gepflogenheiten des jeweils anderen lässt sich auch leben. Ei, Überraschung! 

BÖRSE am Sonntag

Das Leben ist voller Überraschungen, und manches Ei auch. Spielzeug von Schokolade umhüllt? Den Kinder-Verführungsschlager von Ferrero liebt die ganze Welt. Die ganze? Nein, ein großes Land leistet hartnäckig Widerstand. Seit über 80 Jahren kommt so etwas nicht in die Tüte, denn in den Vereinigten Staaten sind Süßwaren nicht zum Verkauf zugelassen, welche nichtessbare Bestandteile in ihrem Inneren tragen. Das ist schön fürsorglich gedacht, damit nicht etwa jemand auf Spielsachen beißt, man weiß ja, wie wichtig gut geformte Gebisse in den USA sind. Nun denn –was aber ist mit Kirschen? Mit süßen zumindest, denn Sauerkirschen sind ja nicht süß, aber Süßkirschen könnte man auch als Süß-Waren verkaufen, oder? Pfirsiche? Mirabellen? Als Ihr Autor das letzte Mal Pfirsiche probiert hat, war das Fruchtfleisch süß, der Kern aber hart und ungenießbar, der Zahnschmerz nachhaltig. Dies sind also nur einige wenige jener Fragen, die vielleicht nicht die Menschheit, wohl aber Heerscharen von Juristen und Handelskommissaren ab sofort bewegen werden wie eine TÜV-geprüfte Wippe das Kind. Die Vereinigten Staaten verfügen entgegen der eigentlich verbreiteteren Ansicht, dass man dort recht locker sei, über ein bürokratisches Gestrüpp nebst fremdländisch anmutender Regulierung, die sich gewaschen hat. Schon die Warnhinweise auf Leitern ("Vorsicht beim Herunterfallen") oder Autorückspiegeln ("Das Unheil könnte näher sein als es Ihnen vorkommt") sind legendär. Bei den forcierten Freihandelsgesprächen dieser Tage, von Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel nochmals bekräftigt, geht es zur Sache. Knifflig aber werden jene "nichttarifären Handelshemmnisse" wie Kraut und Rüben. Der Zoll spielt im Vergleich eigentlich kaum eine Rolle und sowieso seine Kosten nicht ein. Erstaunlicherweise konnte man sich ohne Zank gleich mal auf die französische Forderung einstellen, dass Film, Medien und Musik nicht verhandelbar seien – Frankreich schützt diesen Bereich, kann aber auch nicht verhindern, dass sich Schauspieler selbst zollfrei exportieren, wie unlängst M. Depardieu, wenn auch nicht nach Amerika. Wirtschaftsforscher und Branchenverbände listen derweil die milliardenschweren Vorteile, aber eben auch die Probleme auf, die zu bewältigen sind: Maschinen und Elektrogeräte etwa sind nicht kompatibel zwischen der Alten und der Neuen Welt, das fängt mit dem Stromschlagschutz an und hört mit der Farbe von Prüfetiketten noch lange nicht auf. Deutsche Exporteure fertigen oftmals zwei Versionen einer Apparatur: Eine für die ganze Welt, eine für die USA. Müssen dort etwa Kühlschränke und Haartrockner extra sicher sein, weil das allgemeine Stromnetz höchst unsicher ist und von jedem besseren Sturm weggepustet wird? Das sind böse Fragen, die der Handelsdiplomat nicht stellen sollte. Umgekehrt wird man in Kentucky nicht begreifen, warum mit Chlor desinfizierte Hähnchen hier eine irrationale Furcht auslösen, oder sogenannter Genmais allgemeine Hysterie. Wie viele europäische Besucher hat nochmal Florida jedes Jahr? Und essen die dort auch mal was zwischendurch? Und kehren heil wieder zurück? Es sei die Prognose erlaubt, dass der Freihandel kommen wird, aber wohl mit einem dazugehörigen Regelwerk im Bibelformat. Dennoch – ein paar Bereiche dürften übrigbleiben, bei denen man feststellen wird: Mit den Gepflogenheiten des jeweils anderen lässt sich auch leben. Ei, Überraschung!