Freundlicheres Chaos, bitte!
Deutschland verabschiedet sich von der historisch gern akzeptierten Etikettierung als ein effizientes Land mit umfassender, wenn auch reichlich kleinteiliger Regulierung des Alltags. Dass die Dinge hier einfach funktionieren wie erwartet, ist eine im Ausland mit einer Mischung aus Furcht und Bewunderung gepflegte mythische Einschätzung. Man ist dabei, dies mit aller Kraft ins Reich der Fabel zu verweisen.
In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche Beispiele irregeleiteter Regulierungswut gegeben, die im Gegensatz zur guten alten Zeit eben nicht Verlässlichkeit, sondern blankes Chaos erzeugt hat. Hin und wieder war es immerhin ein ganz freundliches Chaos: Niemals billig für den Steuerzahler, aber mit einem Anflug von Sympathie, ja Heiterkeit zu ertragen – wer konnte nicht herzlich lachen über Straßenbrücken, die weitab jeder Straße über Flüsschen geschlagen wurden? War das nicht niedlich? Das Geld der Bürger war zur Unterhaltung des Publikums sicher gut angelegt. Heutzutage aber wird es düster und das Chaos ist nicht mehr ein Seitenzweig der deutschen Effektivität, sondern eher deren Nachfolger. Unsympathisch, teuer, unbeherrschbar. Und man hat den fatalen Eindruck, dass die Regierung und das Parlament hier nicht mehr deshalb Fehler machen, weil Fehler halt passieren, sondern weil sie es wirklich nicht besser können. Schon jetzt ein reiches Studiengebiet der ökonomischen Forschung ist die sogenannte Energiewende. Hartgesottene Ideologen können sich an ihr weiterhin erfreuen, dem Rest wird übel. Das überhastete Umwerfen jeder geltenden Planung bei der Energiegewinnung aufgrund einer singulären Naturkatastrophe auf der anderen Seite des Globus ließ schon Schlimmes befürchten. Weil man in Japan aus unerfindlichen Gründen ein Atomkraftwerk da bauen musste, wo sowohl Erdbeben als auch Monsterwellen leichtes Spiel haben, entschloss sich ein dicht besiedeltes Industrieland im Herzen Europas, wo Monsterwellen sich schwertun und Erdbeben meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, seine wirtschaftlichen Pfeiler einzureißen. Selbst diejenigen, die den Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft für nachvollziehbar halten, können sich da nicht mehr freuen, denn ein vernünftiger Zeitplan dafür hätte besser zum hiesigen Denkansatz gepasst als die anarchistisch beeinflusst scheinende Panikveranstaltung à la Bundesregierung. Seither folgen Höhepunkte des methodischen Wahnsinns im Wochentakt. Derzeit geht es mal wieder um die EEG-Umlage, die selbstredend entgegen jedem Versprechen steigt und steigt. Da mittlerweile jeder ein Stromerzeuger mit festem, staatlich garantiertem Einkommen werden kann, auch ohne ein Gewerbe zuzulassen, entfällt für die Energieerzeuger jede Planungsgrundlage – deren Aktienkurse sprechen eine deutliche Sprache. Für die Entlohnung der Wildwuchsökonomie ist der Verbraucher zuständig. Der zahlt folgerichtig mit seiner Stromrechnung mitnichten in erster Linie für Strom. Sondern für Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz; für Stromsteuer, für das Erneuerbare-Energien-Gesetz, Umlage gemäß §19 StromNEV, und dann, weil es so schön war, die Mehrwertsteuer natürlich. Abhelfen wollte der Umweltminister der Belastung durch eine Beratung der Haushalte zum Stromsparen. Eine putzige Idee. Wenn die Geld ausgeben, um mit modernen Geräten zu sparen, sinkt ja das Aufkommen all dieser staatlichen Abgaben. Was geschieht dann mit ihnen? Richtig, Herr Altmaier, sie steigen, um das Aufkommen halten zu können. Nun soll es eine Art Vorzugsanleihe richten, die 20 Jahre lang 5% Rendite bringt. Wer soll aber diesen Ertrag weit über Marktzins bezahlen? Das kann ja heiter werden!