Habemus Mammon
Sobald man sich mit den Zusammenhängen von Ethik und Geldanlage oder von Religion und weltlichem Besitz befasst, gerät man auf extrem vermintes Gelände. Der neu gewählte Papst steht in diesen Tagen aber genauso mitten im Minenfeld wie die Kritiker der vatikanischen Bankgeschäfte oder der Geschäfte der Kirche überhaupt.
Es scheint ein unlösbares Problem zu sein, einerseits einen organisierten Glauben aufrechtzuerhalten, andererseits aber einem Armutsgelübde zu folgen (wie dem des Franz von Assisi zum Beispiel, Namenspatron des Papstes). Am Mammon, wie er im Vatikan gebunkert, in den Bistümern heimlich verwaltet und in kircheneigenen Organisationen erwirtschaftet und versteckt wird, scheiden sich seit Jahrhunderten die Geister: Drastischste Ausprägung des Streits ums Geld war vermutlich bislang die Reformation, die Spaltung der gesamten Kirche in Katholiken und Protestanten, als der gängige Ablasshandel der Funke war, der das Fass zum Überlaufen brachte: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“ – immerhin waren die Jünger des Mammons damals noch erfrischend ehrlich. Was man von der heutigen Vatikanbank, dem Institut für die religiösen Werke, nun wirklich nicht behaupten kann. Zum tiefen Gram des maßgeblichen vatikanischen Staatssekretärs Bertone, der das Vatikangeld quasi unter den Fittichen hat, darf man derzeit nicht einmal mehr bargeldlose Zahlungen annehmen im Kirchenstaat, aber die Gläubigen zahlen mysteriöserweise gern, viel und auch bar: Die Vatikanbank unterwirft sich keinen internationalen Transparenzregeln, weshalb man ihr vonseiten der Aufsichtsbehörde im nahen Italien erst einmal die Abwicklungsservices sperrte. Kleinkram, verglichen mit den nur müde dementierten Geldwäschevorwürfen, den Diktatorengeldern auf heiligen Konten, den Mafiamitteln im fast bodenlosen Klingelbeutel. Gerade in Zeiten, in denen Schweizer und Liechtensteiner Institute Buße und Besserung geloben müssen, tun sich da doch riesige neue Geschäftsfelder auf für die kirchliche Bank, die nun wahrlich nach dem Motto handeln kann, „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert“. Aber wenn nicht einmal mysteriöse Todesfälle, wie der erhängte Chef des Banco Ambrosiano, enger Partner der Vatikanbank, an der Londoner Blackfriars Bridge eine spürbare Änderung des Geschäftsgebarens zeitigten, was soll man dann erwarten? Es wären seitdem 30 Jahre Zeit gewesen. Papst Franziskus hat als Jesuit mit Sicherheit einen scharfen Blick für die Widersprüche. Sein eigener Orden wurde im 18. Jahrhundert von gierigen (katholischen) Herrschern mehrfach enteignet; in den Jahrhunderten zuvor waren die Jesuiten aber selbst als nicht eben selbstlos aufgefallen, als Großgrundbesitzer in der Neuen Welt und als Sklavenhalter. Lange ist’s her, aber das offenkundige Missverhältnis zwischen religiösem Anspruch und miesen Geschäften ist weiterhin ungelöst und wird es bleiben. Symbolisch hat Franziskus schon bei seinem ersten Auftritt Zeichen gesetzt und auf den Kaninchenpelzkragen des vatikanischen Hausschneiders verzichtet (der seine schöne Kollektion „Papst 2013“ doch schon mit tiefem Stolz in jedem Bildmedium präsentiert hatte). Aber das wird nicht reichen. Der Umgang der Kirche mit weltlichen Gütern ist der ganz große Pferdefuß des Unternehmens überhaupt. Dort für Transparenz, weniger Neid und Gier, mehr Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit zu sorgen, scheint eine übermenschliche Aufgabe. Die vielleicht auch kein Papst je erledigen kann – da muss vermutlich schon sein Chef selber ran.